Macbeth, ein Trauerspiel

[371] Jawohl, ein Trauerspiel, ein greuliches, daß einem alle Haare gen Berg stehen. Macbeth, du Mördergrube, du Schandfleck des menschlichen Geschlechts, eingefleischtes Ehepaar vom Teufel und seiner Großmutter, du Ausdünstung aus der Hölle! Ist es eine wahre Geschichte? Wie konntest du, großer William, das all ohne Schauder hersetzen, all das gräßliche Zeug, was die Hölle nur Ungeheures hat, auf dem Erdboden zusammenbringen, und die Muttererde so scheußlich beflecken und ihre Söhne schänden! Sollte man nicht diese ungeheuren Schandflecken aus den Chroniken und Jahrbüchern auskratzen? Doch nein, es kann der Welt zur Warnung dienen, den Menschen Entsetzen und Abscheu einjagen vor dem Laster. Hätte vielleicht Macbeth ein solches Trauerspiel gelesen, wär er zurückgebebt vor solchen Greueltaten. Aber jener Mann Gottes sagt, wer fromm ist, sei immerhin fromm, und wer böse ist, sei immerhin böse. Ich förchte schier, der Erdboden trage heutzutag noch solche Menschen, die, wenn sie Macbeths Reizungen und seine Gewalt in Händen hätten, eben auch Macbeths Taten begingen, sie möchten dieses Stück gelesen haben oder nicht. Aber es ist doch entsetzlich, einen so sanften, huldreichen König, wie er angegeben wird, auf eine solche Art zu ermorden. Und das tut keiner, dem er übel begegnet, der ihm deswegen feind ist, nein, einer, der sein bester Freund dem Schein nach ist, Macbeth, sein General, den der edle Dunkan bis an den Himmel erhebt. Schier stund ich in Gefahr, die weise Vorsicht zu beschuldigen, daß sie eine so gute Seele in[371] die Hand eines solchen Verräters übergeben. Aber Gott bewahre! seine Absichten sind weise. Ich ging in die ältesten Geschichten zurück und fand von Anfang an solche Zulassungen.

Welche Überwindung kostete es dem edlen Macbeth, bis der Teufel sein Herz und seine Hand hatte; wie bebte er vor dem Dolch zurück! Hingegen welcher Mut und schwarze Entschlossenheit in seiner Lady. Ei, wenn die listige Schlange erst die Eva hat, weh dir dann Adam!

Die Ermordung Banquos ist mir nicht so nahe gegangen. Dieser mag auch mit Unglück schwanger gangen sein, und Spitzbubenfreundschaft endigt sich leicht so. Aber wer kann ohne Schaudern Macduffs Schloß überrumpeln sehen, den edlen Jungen, seine Mutter, die schöne Lady Macduff und alles niedermetzeln sehen ohne Entsetzen. Und die Söhne des Königs, Malcolm und Donalbain, so schuldlos entfliehn, in der Irre herumwandeln und einen Vatermord auf sich haben: das heißt auch was. Aber die sind glücklich, das Traurige fällt auf die Verbrecher. Du elender Macbeth, wie lang magst du schon in der langen Nacht vor dem Dolche gezittert und vor Banquos Geist geflohen und vor Birnams Wald gebebet haben, und du unglückliche Lady Macbeth, wie lang wirst du schon eine ängstliche Nachtwandlerin sein, deine Finger wüschen und immer wüschen und doch nicht abwüschen, du magst deine Flecke verfluchen, wie du willst. O du elendes Weib, um ein elendes Titelchen sich solche Angst auf den Hals laden. Teufel, du bist ein Schelm! Mußte der Mörder[372] Macbeth am Ende noch den jungen Siward in der Schlacht bei Dunsinan ermorden. O, ich hätte in dieser Schlacht greulich um mich gehauen, auf der Seite Malcolms. Zwei edle Männer, Malcolm und Macduff – an ihrer Seite hätte ich gefochten wie ein Löw. Aber das Greulichste hab ich auf die Letz erspart. Da will ich dich noch zu Rede setzen, William, warum bringst du da in drei Hexen die halbe Hölle auf die Welt, das Scheußlichste, das ich in meinem Leben gehört habe? Ists dein Ernst, warst du nach der damaligen Moden auch so ein Hexenmacher? Nein, ich kanns nicht glauben, so ein Geist wie der deinige hat sich weit über diese Sphären erhoben, so ein Mann, der die große und kleine Welt uß- und inwendig kennt, bindet sich nicht an die allgemeinen Moden. Aber du wolltest den schrecklichen Aberglauben in einer ungeheuren Gestalt zeigen, der Nachwelt hinterlassen, welche gräßliche Phantaseyen die damaligen Köpfe beherrschten. Aber darfst du da die grausigsten Sachen, die die Erde samt ihren Abgründen hat, auf die Bühne bringen? Es werden ja auch saubere Damen Zuschauer sein, darfst du dann vor ihrem edlen Aug die unsaubern Hexen all das garstige Zeug kochen lassen: Schlangen, Kröten, Froschzehn, Fledermaushaar, Hundszähne, Eidechspfoten, Drachenschuppen, Hexenmumien, Judenleber, Türkennasen etc. Pfui, fort mit den Hexen und ihrem schmutzigen Geköch. Wegen der Geistererscheinungen will ich ein ander Mal mit dir reden. Dein Genie ist in diesem Stück sehr groß, aber die Hexen sind nicht dein Geschöpf.[373]

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 3, Basel 1945, S. 371-374.
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