Kajus Marcius Koriolanus

[397] Koriolanus, ein edler Römer, hatte sich im Krieg in vielen Schlachten sehr hervorgetan und als ein tapferer Held den Römern große Dienste getan. Deswegen wollte der Senat ihn zum Konsul machen; er hatte aber Neider unter den Tribunen, sonderlich Brutus und Sicinius, die das gemeine Volk wider ihn aufwiegelten; und weil der stolzne Held sich nicht herabzwingen konnte, dem Pöbel zu schmeicheln, so zog er dessen Haß und Wut auf sich, daß sie ihn zum Tod verdammten, durch Fürbitt aber dahin gemildert, daß er nur aus Rom verbannt wurde. Der ergrimmte Held ging gerade zum Feind, dem Volscier, über und machte mit ihrem Feldherr Aufidius gemeine Sache, wider die Römer zu fechten, und siegten auch eins ums ander bis sie nahe bei Rom waren. Die Römer wollten zur Buße kriechen, schickten eine Gesandtschaft nach der andern in der Volscier Lager,[397] aber Koriolanus war in seinem racheübenden Heldensinn felsenfest, bis ihn seine Mutter Volumnia durch eine herzbrechende Rede überwand, daß er zurückzog. In Aufidius Brust war schon Eifersucht aufgestiegen, und dieser Rückzug machte dem Helden wieder Feinde, daß sie ihn in einem Tumolt ermordeten. Kürzer hätt ich den Hauptinhalt nicht fassen können.

Wie dies Spiel eingericht, die Art und Weis, die mannigfaltigen Abwechslungen der Szenen, o, da wäre ich nicht im Stand, es zu schreiben. Die Geschichte gefällt mir nicht, diese mörderischen Auftritte sind freilich traurig genug, und doch sind unter den historischen Schauspielen mir viele trauriger vorgekommen. In diesem kriegerischen Rom, meinte ich, waren dergleichen Sachen, Sachen die gewohnt so kommen mußten. Aber die Sprache der Personen, die aufgeführt werden, die tut mir in der Seele wohl. Großer Dichter, herrlicher Mann, göttlicher William, hier scheint mir dein Genie ausgeruht, ganz in einer neuen Schönheit, in vollem Mittagglanz; hier bist du gar nicht Brite, ganz ein Römer, ein Held damaliger Zeiten. Ich glaubte, wann du da in Rom oder unter den Volsciern gelebt hättest, du hättest jene Sprache nicht besser geredt, jene kriegerischen Charakter nicht besser getroffen. Welch einen Heldenstolz, mit Menschheit vermengt, hatte dein Koriolanus und dein Aufidius, der ihm fast gleich kommt, schon du jenen ein bißchen besser machtest. Und welch ein lauiger Charakter des Menenius; meiner Treu, dieser ist mir der liebste unter allen. Wenns je in einem Weltalter solche Köpfe gegeben, so warens dort, und ich wünschte, wir[398] hätten hützutag die halbe Welt voll solcher Köpfe. O hättest du doch diese flüssige Zunge in der Folge nicht so vertrocknen lassen, hättest du Brutus und Sicinius mehr das Maul halten lassen. Diese Hundskerl – doch nein, du hast recht, es hat von jewelther solche neidische Hunde unter den Menschen gehabt, und diese wollen freilich ihr Maul nienen halten, in allen Gesellschaften, in allen Winkeln, überall beißen und bellen sie; diese müssen ihre reizbarsten Nerven in der Leber haben wie der Verbuhlte in den Hosen – ja ich kann nicht helfen, helf der Doktor, oder jene müssen an dem Gallenfieber sterben und diese an der Polleng, wie der Held in der Schlacht und der Schiffer im Wasser. Nein, William, wenn du noch lebtest, dein Menenius müßte mir noch zehn Akte durchraisonieren; aber du verstundest es besser als ich, dann würden einige davon laufen und das ewige Einerlei im Stich lassen. Nein, ich höre alle gern sprechen, selbst die neidischen Hunde haben schönes Gebell. Und da bringst du so ein paar Römerinnen aufs Tabet, Volumnia und Virgilia, Koriolans Mutter und Frau, ein paar liebenswürdige Dinger, die Mutter schwatzt da so stolz in einer Heldensprache daher, stolz, daß sie einen Helden gesäuget, einen vaterländischen Krieger erzogen. Hützutage gehts anderst – die Weiber sind stolz darauf, wenn sie ein galantes Muttersöhnchen abgesäugt, oder einen gelehrten, schwatzhaften Witznarren, einen verschmitzten Kaufherrn oder so was. Doch ich denke, es sei alles eitel, so ein Held ist auch ein rauhes Ding. In jener Welt gilt nach meinen Ideen weder Held noch Gelehrt, weder Kaufmann noch Galant; wann[399] einer nur mit einem guten Herzen in seinem Fach ein bischen nützt, das Weilchen, solang er da ist, muß einer eben kein Menschenschlächter, kein Allwisser, kein Schätzmacher, kein Engelchen sein.

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 3, Basel 1945, S. 397-400.
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