Erster Teil König Heinrichs des Vierten

[377] Hier sitzt Bolingbroke auf dem Thron. Ich bin ihm nicht mehr gut wie in seiner Verbannung, ich möchte lieber wieder Richard als diesen. Großer Menschenmacher, mußt du deine Menschen immer umbilden, oder tun sie es? O, der Stand bildet alle um! Wie genau folgest du der Natur. Und wenns auch Bolingbroke nicht getan hätte, das ist der Menschen Art; Veränderung des Standes zeigt der Welt, was sie sind. Wie manches Glückskind predigt aller Welt Ruhe und Zufriedenheit; aber laß es nur ein Unglück überrumpeln, so wird sich der Hiob zeigen, wie er in der Asche heult.[377] Wie mancher Bettler klagt über den Stolz und Hochmut der Großen: laßt ihn groß werden, er wird der Ärgste sein unter Allen.

William, hier waren deine Tage recht heiter, hier hast du Charakter gezeichnet, die dir schwerlich einer nachmachen wird. Recht sonderlich bin ich in eine Hotspur verliebt, wie ich es in einen Falconbridge war. So sehr ich sonst blutdürstige Leute hasse, muß ich doch diese lieben, wegen ihren beliebten Launen; und so einem Helde verzieh ichs gerne, der nur Unterdrückungen nicht leiden kann. Hotspur ist ein Mann, dem ich Gesellschafter sein möchte, und wenns auch in die andere Welt ginge. Und seine Lady, sein Käthchen, ha, die ist so nett gezeichnet, daß man schwören sollte, man sähe das Original vor sich, man hätte sie in ihrem Leben gekannt. O Hotspur, ich verfolgte dich überall mit meinen Glückwünschen, und doch halfen sie nichts. Nun konnt ich nichts, als dir auf dem Schlachtfeld eine Träne weinen und denken, ha, das ist allemal das Ende rechtschaffener Helden, wo feige Memmen trocken hinterm Ofen sitzen. O Glück, deine Lieblinge sind dumme Gecken, falsche Spitzbuben, feige Memmen, Häßligesichter, Überbeiner, Högger und Kröpfe, die weder Sonne noch Mond kennen, denen Disteln und Rosen einerlei ist.

Hotspure, Douglas, Mortimer, Worcester, Glendower, o ihr davidischen Helden, man muß euch gut sein. Obschon ihr Rebellen sind, seid ihr doch wahre Helden; ihr allein wißt, wie schwer es ist, den Hals unter ein sklavisches Joch zu biegen, ihr allein, denen keine Sklavenseele[378] gegeben ist. Und o ihr Fürsten, wie unsicher ist euer Thron, da ein einziger Stein mit Blut bespritzt, zum Grunde liegt. Ihr solltet euere Throne besteigen wie David, der wollte nicht Blut zum Grunde haben, war ein Vater echter Helden – o diese lassen sich nicht ins Bockhorn treiben, solang die Welt steht und es Helden gibt.

Nun kommt eine andere Klasse von lustigen Burschen aufs Tapet. Ich danke dir, William, hier hast du das Ernsthafte und Lustige auf eine angenehme Art zu vermischen gesucht. Prinz von Wallis, Königssohn, diesen rechne ich aber nicht zu der lustigen Bande, schon er eine Zeit lang aus Politik mitlief; aber Falstaff, Poins, Gadshill, Bardolph, Peto, die Wirtin Quickly: das sind lustige Brüder, in deren Gesellschaft man nie müde wird. Ich dachte oft, es sei eine Schande, daß ich so verliebt in diese Spitzbuben-Rott – je nun, ich kann mir nicht helfen, wenn ein Dichter so den lustigen Weltzank zu spielen weiß – der kälteste Pietist müßte ihn lieben. Falstaff ist ein Mann, man kann ihn unmöglich hassen; so sehr er auch ein Schurke ist, hat er alleweil soviel Vernunft, Witz und List, daß er sich beliebt machen kann. Seine Laster erscheinen an ihm bei weitem nicht so häßlich als an einem andern. Seine Bildung, sein schneller Witz, der ihm so flugs aus aller Verlegenheit heraushilft, macht sein Lügen zu lauter angenehmen Schwänken. Der Himmel verzeihe dir, Falstaff, du bist ein Erzlumpenkerl, aber doch hast du weit mehr Menschen belustigt als beleidigt. Wann ich schon zehen von unsern lustigen Brüdern zusammenschmiedete,[379] könnt ich schwerlich so ein adelicher dicker Hans mit allen deinen Qualitäten, Formen und Figuren daraus machen. Gut, ich werde dich mehr antreffen, aber du wirst deinen Prinzen anderst finden.[380]

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 3, Basel 1945, S. 377-381.
Lizenz:
Kategorien: