Wie es euch gefällt

[350] Mir gefällts, in der Tat, mir gefällts recht wohl. Freilich ist nichts daran gelegen, obs mir gefalle oder nicht, mir aber ists genug, wenns mir gefällt. Gewiß, mir ists ein allerliebstes Stück, bin ganz in etliche Personen verliebt. Da kommt ein Orlando vor, gewiß liebenswert gezeichnet, der von seinem ältern Bruder Oliver, einem[350] Bärnhäuter, ein rechter Kain, geneidet, unterdrückt wird, der ihn gar mit Manier aus dem Weg räumen wollte, indem Oliver ihn zu einem Wettkampf mit einem handfesten, verwegenen Kerl, einem Ringer, aufhetzte und diesem winkte, Orlando den Hals zu brechen, der aber herrlich über den Kerl siegte. Dann Adam, ein ehrlicher Bedienter, der in seinen alten Tagen dem Orlando so treu davon half aus der Schlinge, die ihm nach dem Sieg von dem bösen Herzog und seinem verräterischen Bruder gelegt ward. Man möchte den redlichen Adam auf seinen Rücken nehmen und in eine bessere Welt tragen. O Redlichkeit – du mußt dich oft müd und matt unter einen Baum hinlegen, verfolgt von deinen verräterischen Feinden – Falschheit –, mußt du im Elend darben, indem sie sich in Wollust badet und auf Thronen schwelgt. Da kommen dann auch zwei weibliche David und Jonathans daher, so liebenswürdig, o so reizend, daß man von Stund an ihr Packträger werden möchte: Celia und Rosalinde, des vertriebenen und des regierenden Herzogs Töchter, die miteinander die Flucht nehmen nach dem Ardennenwald, den alten Herzog aufzusuchen. Ich möchte diese possierliche Reise mitmachen, Hunger und Durst, Frost und Hitze und alles Ungemach ausstehen: der Rüpel ist auch nirgends so aufgeräumt als bei diesen zwei allerliebsten Geschöpfen. Und dann der alte edle Herzog Friedrich, wie edel in seiner Verbannung, in der reizend beschriebenen Einöde. Wie schön beschreibt er da ein freies Leben, gegen dem falschen Hofleben, wie schön auf der Jagd gegen das unfreundliche Wetter trotzend und doch zufrieden.[351] Dann seine Gefährten, Amiens und Jacques, edle Kameraden, die in die Verbannung folgen. Jacques, wie er da am Bach über einen angeschossenen, ächzenden Hirschen moralisierte, der in den Strom hinein weinte, der doch keines Wassers bedurfte. Der arme, verlassene, haarichte Tropf – edler Jacques, du hast recht, so treibt das Unglück die Flut der Gesellschaft zurück. Wie eine sorglose Herde vorbeistrich, wohlgefüttert und stolz: Ja, schwärmt nur vorbei, sagst du, ihr feisten und aufgefütterten Bürger, ja das ist eben die Mode. Du hast recht, die Menschen sind alle Räuber, Mörder und Tyrannen. Die Tiere sind in ihren von der Natur angewiesenen, angeborenen Wohnplätzen nicht sicher, sie schrecken sie heraus und töten sie. Sie machen dir Vorwürfe, guter Jacques, daß du selbst ein ausschweifender Bube warst und nun deine Sünden der Welt aufbürden wollest. Ach, sie machen es so, besser, wir halten das Maul. Wer je in seinem Leben einen Fehltritt getan, den laßt man gar kein Wort mehr über die Sitten sagen, anderst die Farbe des Volks begünstige ihn. O du hast recht, eine Harlekinsrolle. Gewiß, man hätte große Lust, ein Narr zu werden. Wie der gute Orlando auf Wildbret ausgeht und seinem treuen Adam zu leben befiehlt, den alten Herzog und seine Leute unterm Baum beim Essen überrascht. O, da ists all so angenehm, so reizend beschrieben, wie er die Mahlzeit der Not heischt, wie sie darüber philosophieren und als Freunde da im freien Felde so patriarchisch tischinieren. Dann die ländliche Gegend, die Schäferei, die Schäfer und Schäferinnen – wie angenehm, wie reizend,[352] o, Sir William, du hast gewiß dies holde Schäferleben nach der Länge studiert, bist wohl oft wonnetrunken von den Schafhürden nach der tumoltischen Stadt zurückgekehrt. Ein verliebter Sylvius und eine spröde Phöbe mögen oft dein Herz gerührt haben, daß du deine Rosalinde selbst zur Schäferin gewünscht. Wie artig paßt ihr da ihr Schäferkleid, indem sie eine ganze Schäferei kauft. Aber sie spielt dem guten Orlando ein bischen wunderlich herum, kommt schier ins Abenteuerliche hinein – aber ich verzeihe ihr alles, weil ich schon von Anfang in sie verliebt bin. Schönste Rosalinde, du möchtest nun zur Zauberin oder noch so wunderlich werden, wie es dich immer gelustet, ich müßte dir dennoch gut sein; Hosen und Wams stehn dir so trefflich wohl an. Der Rüpel und Audrey sind so zierlich; so grob und ungeschliffen sie sind, so stellen sie doch den größten Haufen von Menschen vor. Sie möchten so sehr über diese Heirat lachen, als sie wollten, so würden sich doch viele tausend hier gezeichnet finden, wann sie sich selbst kennten. Genug, hier gefällt mir alles, voraus diese einöde Gegend, die schöne Gesellschaft von Hirten und Jägern und wundertätigen Schäferinnen. Ja, du hast Himmelsmacht, göttlicher Mann: einen tyrannischen Herzog, einen barbarischen Bruder bekehrst du plötzlich wie jener Blitz einen Saul, machst Helden wie David, der Löwen besiegt, machst die wunderbarsten und glücklichsten Ehen, hilfst der verstoßenen Unschuld auf den Thron und stürzest hohnsprechende Goliaths zu Boden. Wem sollte deine Arbeit nicht gefallen, du Wundermann? Vielleicht einem stolzen Städtler,[353] einem brutalen Höfling, der nur Gefühl hat für die rauschende Lust, oder für verzärtelte Nerven. Mir gefällts, lieber Mann. Ich bin dir viel Dank dafür schuldig. Du hast mich ergötzt, belehrt und beruhigt. Mir gefällts wohl.[354]

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 3, Basel 1945, S. 350-355.
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