XIII. Von der Wünschel-Ruthe.

[170] Die Wünschel-Ruthen seynd gemeiniglich Instrumenta, derer sich die Bergleut bedienen, damit zu suchen, wo ein oder das andere zu Metall in Gebürgen anzutreffen: bevor wir aber darüber unsere Meynung entwerffen, wollen wir vorhero betrachten, was Theophilus Albinus in seinem Tractat, so er nennet: das entlarvte Idolum der Wünschel-Ruthe / geschrieben: und zwar 1.) was für Nahmen die Wünschel-Ruthe, und woher sie solchen habe?1 2.) Was der Ursprung und Erfindung der Wünschel-Ruthe seyn möchte? 3.) Woher die Wünschel-Ruthe pfleget genommen zu werden? 4.) Was wegen der Zeit der Wünschel-Ruthe zu observiren gewesen? 5.) Was bey Schneidung[170] und Gebrauch derselben für Umstände beobachtet werden? 6) Was der Ruthen Gestalt und zu ihrer Führung erforderet? 7.) Und von wem die Ruthe fruchtbarlich könne geführet werden. Alles dieses wird aus Simon Heinrich Reuters Reich des Teuffels / und Maurers grossen Wunder der Welt Part. 1. mit folgendem beschrieben.

Den Anfang von dem Nahmen zu machen; so heisset solche im Lateinischen: Virga aurifera, Metalloscopia, Metallica, und insgemein Virgula divina s. divinatrix.2 Sie wird auch genennet Mercurialis, nach dem Zeugniß Matth. Wille, aus dem Ezlero pag. 486. seq. entweder vom Stern und Planeten dieses Nahmens, weil sie dessen Natur nahe komme, und Bewegung mache. Oder vom Mercurio, welcher ein Mann von Erfindung vieler Künste gewesen, so er die Menschen gelehret, und daher für einen GOtt gehalten worden: welcher sich auch zwischen den Göttern und Menschen als einen Boten habe gebrauchen lassen. Und der ein trefflicher Physicus gewesen, daß er auch mit seiner Ruthe und Kräutern habe Todte erwecket, dahero er nach dem Tode unter die Götter gezehlet worden. Und bey uns Teutschen wird sie die Glücks-Ruthe genennet, insgemein aber die Wünschel-Ruthe; entweder von dem alten[171] Worte wünschelen, welches nach des Pantomysteri Meynung so viel ist, als wanckeln, schwandern, quas. Virga vacillans; oder von Wünschen, weil man von ihr hoffet, sie werde entdecken und offenbahren, was man wünschet. Matth. Wille. qu. 1. oder von Winden, weil sie sich in der Hand drehet und windet. Id. ib.

Den Ursprung und die Erfahrung der Wünschel-Ruthe bringen etliche auf die Zeiten Noá und dessen Nachkommen, weil Thubalkain Genes. 10, 2. von denen Historicis für einen Vater der Bergleut in Europa gehalten werde, und sey Hiob / weil er ein sonderbahrer verständiger Mann, vielleicht auch ein Ruthen- Gänger gewesen, Hiob. 28, V. 1. 5.3 Andere ziehen den Ursprung der Wünschel-Ruthen auf die Zeiten Mosis, dessen in der Schrifft offt-ermeldter Stab eine Wünschel-Ruthe gewesen seyn soll. Aber diese Gründe stehen auf schlechtem Fuß: und muß wohl eine andere Ursache seyn, woher solche stamme, wie an seinem Ort melden werde.

Das Gesträuch, davon man vor Zeiten allein die Wünschel-Ruthen gebrochen, war insgemein die Hasel-Staude.4 Derer gedenckt oben angeführter F. Maurer: Wann auf einer Hasel-Staude eine Mispel wächset, ist eine solche Ruthe stärcker, massen beobachtet worden, daß singulari[172] quadam Sympathia unter dergleichen Stauden eine weisse Feld-Schlange ihren Auffenthalt habe. Und die Gäbelein, welche gegen Aufgang der Sonnen wachsen, sind viel kräfftiger als andere: wann man dergleichen Ruthen ut creaturam Dei suam ad rem creatam durch ordentliche Priester weyhen lässet, oder ohne Aberglauben bey dero Schneidung das Creutz machet, auch heilige Worte mit Andacht und dem Lob GOttes spricht, mag es nicht schaden, sondern ehender den erwünschten Seegen bringen. Heut zu Tage ist alles Holtz tüchtig darzu, als Büchen, Bircken, Tannen, Aeschen, Erlen, Eichen, Apffelbaumen, Birnbaumen, Kirschbaumen, etc. Ja selbst könne man darzu gebrauchen, Drat, Papier, Degen, Fischbein, Lichtputzen, Besen, Knackwürste, Linial, Schneider-Scheeren, Buchbinder-Pressen, Messer und Gabel Creutz-weise in einander gesteckt, Tobacks-Pfeiffen, Bücher mit höltzern Taffeln, Eimer-Rincken, Kessel-Reiffen, Faß-Tauben, in Summa alles, was schnellen und in den Händen gehalten sich niederziehen könne. Doch sind die Ruthen unterschiedlich, indem etliche mit einerley Ruthen alles Metall gesuchet, etliche zu jedem Metall eine besondere gebrauchet, und etliche nur einerley Gehöltze, zu unterschiedenen Zeiten nach der Planeten Regierung gebrochen.[173]

Zu welcher Zeit die Wünschel-Ruthe müsse geschnitten werden, darinn seynd die Rutheler noch nicht einig, etliche geben vor, sie müsse geschnitten werden an einem Sonntag nach dem Neumonden, frühe Morgens, ehe die Sonne aufgehet, und zwar am besten im Monath Sept. und Decembr.5 Keppelius, Berg-Inspector zu Annaberg, hat darzu recommendirt den Char-Freytag; oder so die Noth solche Zeit nicht erwarten könne, an einem Sonntag, da der Mond voll sey, und zwar auch frühe vor der Sonnen Aufgang. Andr. Libavius beym Vallemont vor der Sonnen Aufgang in zunehmenden Monden, um Mariä Verkündigung, nehmlich um das Æquinoctium Vernum; etliche sagen, sie müsse geschnitten werden an einem Mittwoch, zu der Stunde, da der Mercurius regiere, andere haben sie am Oster-Tage, oder in der H. Christ-Nacht, am glücklichsten vermeynet zu schneiden, oder an denen Solstitiis. Schaub. Dissert. Acad. Marpurg. §. XI. n. 2. Noch andere haben vorgeben, man solle und müsse sie in der S. Johannis-Nacht nacket zwischen 11. und 12. Uhr holen und schneiden, und dieses sollen die besten seyn; scheinet auch, ob wäre bey diesen, wann gewisse Worte dazu gesprochen werden, der Satan am nähesten mit im Spiel.[174]

Man ist auch nicht einig in den Ceremonien, die bey dem Schnitte geschehen.6 Etliche sagen, es müsse mit einem Schnitte geschehen; andere mit drey Schnitten im Nahmen der Heil. Dreyfaltigkeit. Doch hierinnen kommt man insgemein überein, daß der, so die Ruthe schneiden will, gegen der aufgehenden Sonne stehen müsse, und sie unterwärts schneiden, und dabey ein vest Vertrauen darauf haben.7

Bey dem Gebrauch der Ruthe gehen auch viel Dinge im Schwang. Etliche legen alles Metall von sich, wenn sie die Ruthe brauchen wollen: andere dargegen, um die Ruthe zu determiniren, nehmen das Metall und etwas von den Dingen, die sie suchen, darzu in die Hand, ander massen sie nicht wissen können, worauf die Ruthe schläget. Und solchergestalt können sie auch wissen, was vor Metall in den Gängen verborgen liege, nehmlich eben das, was von dem Metall in die Hand führe; und wann das Metall nicht fürhanden sey, dergleichen man bey der Ruthe in den Händen habe, so schlage sie nicht, obschon sonst viel andere Metallen zugegen. Es werden aber auch nunmehro viel Dinge mit der Ruthe gesuchet, davon man nichts in die Hand nehmen kan, als Wasser, Diebe, Mörder, gestohlne Sachen und Reinsteine. Andere, um glücklich bey der Ruthe zu seyn, sollen das Evangelium S. Johannis: Im Anfang war das Wort /beten. [175] Vallemont schreibt, daß etliche bey der Ruthe die Worte des 23. Psalms appliciren: Dein Stecken und Stab tröste mich.

Von der Gestalt und Figur der Ruthen vid. Kircherum & Schottum.8 Man gebrauchet darzu allerley, wie oben angewiesen; und was derer Führung betrifft, so hat man bishero davon keine Gewißheit anzeigen können: doch soll die Ruthe recht müssen gehalten und regieret werden, dafernes fruchtbarlich abgehen soll. Die ausführliche Nachricht davon ist bey oben gedachtem Albino zu lesen.

Von dem Gebrauch der Wünschel-Ruthe ist auch viel zu sagen.9 Ich will solches aus dem Albino hieher setzen, damit man augenscheinlich sehe, wie sehr die Welt dadurch geblendet worden. Erstlich hat man damit die vergrabene Schätze aufgesuchet, hernach ist sie aber auch zu den unter-irdischen Quellen, Brunnen und sonst verborgen liegenden Wassern applicirt worden, und zwar mit solchem vermessenen Vorgeben, daß die Ruthe zugleich Anweisung thun könte, wie tieff das Wasser liege, wie starck es sey, und was es decke, ob es Kieß, Leimen, Sand oder Felß, und wie viel desselben sey. Martin. Mauritius von den Lassungen der alten Juden referirt aus dem Jesuit Stengel / daß zu seiner Zeit die Ruthe[176] nicht nur die Metallen angezeiget, sondern, daß man dieselben auch gebrauchet hätte, wenn man viele andere Dinge diviniren und wissen wollen. Denn eine gantz stracke Ruthe, welche niemand angerühret, habe sich rund gebeuget, ob wolte sie einen Circul machen, wann man den Nahmen dessen, was man wissen wolle, pronunciiret. Vallemontius muß sein Zeugniß auch selbst beytragen, wann er saget: Ich habe sonst noch unterschiedene Personen gefunden, welche gar sonderliche heimliche Dinge mit der Ruthe entdecken. Ich kan auch nicht unreferirt lassen, (spricht Albinus) was mir allhier von einer Weibs-Person, so noch am Leben, freywillig sub Sigillo confessionis ist erzehlt worden.10 Nehmlich, sie habe in ihrer Jugend in einer vornehmen Stadt gedienet, und sey mit einem Gärtner-Bursch daselbst in Bekanntschafft gerathen, der sie dahin gebracht, daß sie ihm und er ihr die Ehe gantz sancte versprochen, doch mit Bedingung, daß, weil sie noch beyde jung, er noch etliche Jahr reisen, und sie sodann unfehlbar heyrathen wolle; sie soll inzwischen sein eingedenck halten, er auch wolle ihr fleißig schreiben, als er auch gethan, wie davon etliche Briefe, die sie noch bey Handen hat, selbst gesehen. Nach einiger Zeit meldet sich ein anderer Freyer an, und wirbet ernstlich um sie; sie entschuldiget sich aber, sie habe ihr Theil, und hoffe, er werde sich nun bald wieder einstellen.[177] Dieser will nicht ablassen, vorwendend, es werde jener nimmermehr wieder kommen. Das bestürtzte Mensch weiß nicht, was sie wählen soll, und bekommet von einer ihrer Bluts-Freundinnen Unterricht: Es sey ein Mann an einem gewissen Ort in solcher Stadt, der habe ein Wünschel-Ruthe, dadurch er den Leuten sagen könte, was sie zu wissen verlangen. Das Mensch lässet sich bethören, und gehet mit besagter Frau zu dem Wahrsager, um ihn um die Gebühr zu fragen; ob ihr alter Freyer wiederkommen werde, oder ob sie den neuen nehmen solle? da seye der Mann, nachdem er ihr Anbringen vernommen, vor eine Schlange getreten, habe eine eiserne oder draterne Wünschel-Ruthe hervor gelanget, welche gestaltet gewesen wie ein Bogen, oder bey nahe wie ein grosser Nadelschafft, derer beyde Ende er in die Hand genonmmen, und nach gemacheten Ceremonien mit der Ruthe zu reden angefangen, dabey die Ruthe sich immer geneiget und in der Hand gedrehet. Nach allen vorgetragenen Fragen habe ihr der Wahrsager gegen Erlegung 4. Groschen den Bescheid gegeben: Sie könne den ersten Freyer noch wohl bekommen, wenn sie es erwarten könte, der Abwesende meyne es treuer mit ihr, als sie es mit ihm, worüber sie nicht gewust, was sie anfangen sollen. Nachdem aber eine Zeitlang kein Brief erfolget, habe der neue Freyer[178] selbst einen schreiben lassen, und darinn fingirt, es sey jener gestorben, welches er durch andere Leute zu berichten gebeten; darauf habe sie sich diesem versprochen und Hochzeit gemachet. Es sey aber bald darauf jener wiederkommen und habe ihre Untreu angeklaget, und ihr propheceyet, es werde ihr mit diesem Mann nicht wohlgehen; massen auch geschehen, denn ihr Mann sey von solcher Zeit an kranck worden und habe keine gesunde Stunde gehabt, bis er gestorben; sie aber habe solch Creutz nicht sowohl mit der Untreu, als mit der Abgötterey der Wünschel-Ruthe verdient zu haben, geglaubt.

Es wurde auch noch ein anderer Casus erzehlt, der sich wegen eines Diebstahls zugetragen, da man obiger, eben in dieser Stadt, ihre beste Kleider gestohlen, sie aber hätte die Diebe durch den Wünschel-Ruthen-Mann erfahren, und ihr Bestes wieder bekommen.11

Ein Königlich-Frantzösischer Gerichts-Procurator zu Lyon / Nahmens Viginay, beschreibt eine unerhörte Geschicht von einem Bauer, welcher, durch Anführung der Wünschel-Ruthe, einen Mörder mehr als 45. Meilen zu Lande und 30. Meilen zu Wasser verfolget, also: Den 5. Julii 1692. um 10 Uhr gegen Abend, wurde zu Lyon ein Weinhändler mit seiner Frau in einem Keller todt geschlagen,[179] das Geld, welches sie in einem nahe dabey befindlichen Cabinet, so sie zur Schlaff-Kammer mit braucheten, verwahret, zu stehlen, welches alles mit solcher Behendigkeit und in der Stille verrichtet worden, daß niemand im Anfang etwas davon gemercket, wordurch die Mörder sich aus dem Staub machen konten.12 Einer der Erschlagenen Nachtbarn aber kennete einen wohlhabenden Bauer, Nahmens, Jacob Aymar / der denen Mördern und Räubern nachsetzen konte, wurde beruffen und vor den Königlichen Gerichts-Procurator bracht, der versprach, wann man ihm den Ort, wo der Mord geschehen, zeigen würde, damit er sich die Impression davon recht machen könne, er den Rechtsschuldigen gantz gewiß auf dem Fuß nachfolgen, und sie, sie möchten auch seyn, wo sie wolten, aufzutreiben sich getrauete; sagete darbey, daß er nichts mehr, als seine zu rechter Zeit, von rechtem Holtz ohne Umstände geschnittene Wünschel-Ruthe gebrauchete, welcher er sich sonst, das Wasser, Bergwerck und vergrabene Schätze zu suchen, bedienete. Worauf der zu den peinlichen Sachen bestellte Richter den Bauer in solch Gewölb schickte, wo die That geschehen war: allda kame er gantz aus sich selber, sein Pulß schlug ihm, wie er in hefftigen Fiebern pfleget, und die Ruthe, so er in der Hand hielt, schlug an den zweyen Orten, wo man die beyden entleibten Cörper gefunden hatte.[180]

Des andern Tages ging er aus der Stadt über die Brücke, so über die Rone gehet, stets seiner Ruthe nach, und lenckte sich auf die rechte Hand, dem Fluß die Länge hinauf; die drey Personen, so ihn begleiteten, bezeugeten, daß er mannichmahl die Spur aller drey Mitschuldigen, und auch bisweilen nur ihrer zwey, gewahr wurde: bey dieser Ungewißheit führete ihn seine Ruthe bis an das Hauß eines Gärtners, da wurde er deren Anzahl vergewissert; dann, als er dahin kam, behauptete er mit aller Macht, daß sie um den Tisch gesessen, und unter 3. Flaschen, welche in der Cammer waren, eine angerühret hätten, auf welche auch die Ruthe gantz sichtbarlicher Weise schlug. Endlich bekannten 2. Kinder von 9. bis 10. Jahren, daß 3. Kerl, welche sie beschrieben, sich, weil sie die Thür offen gelassen, in das Hauß geschlichen, und Wein aus der Flaschen, welche der Bauer bemerckt, getruncken hätten.

Auf dieser Kinder Aussage ging der Bauer mit seiner Gesellschafft eine halbe Meil am Ufer der Rone hinunter, allda wurden sie die Fußtapffen dieser Vögel gewahr, worauf sich der Bauer die Rechnung machete, daß sie sich aufs Wasser begeben hätten, und folgete ihnen auch so genau nach, als auf dem Lande, und ließ sich mit seinem Schiffe der Spur nach unter einem Bogen der Brücke wegführen, wordurch man sonst nicht zu fahren pflegete;[181] dahero muthmassete man, weil die Vögel vom rechten Weg abgewichen, daß sie keinen rechten Schiffer müsten gehabt haben. Auf solcher Reise liesse der Bauer aller Orten, wo diese Vögel geländet, anfahren, und wuste, mit grosser Werwunderung der Wirthe und Zuseher, die Betten, darin sie gelegen, die Tische, woran sie gespeiset, und die Geschirr, so sie rühret, zu zeigen. Endlich kam er in das Lager bey Sablon, allda er eine viel stärckere Bewegung bey sich fand, und hielt sicher dafür, daß er diese Mörder unter der Menge der Soldaten ausspühren würde. Er dorffte aber, sich dessen zu versichern, seine Ruthe nicht gebrauchen, aus Beysorge, von den Soldaten Ungelegenheit zu bekommen. Gieng also, der Ursach wegen, wieder auf Lyon, von dar man ihn zu Wasser mit Recommendations-Schreiben wieder zu Wasser nach Sablon schickete. Er traff aber diese Schelmen nicht mehr da an, verfolgts sie aber und war stets hinter ihnen her, bis a la foire de Beaucaire, in Languedock, und zeigete auf diesem Weg alle Betten, Tisch und Stühle, so sie berühret.

Als er nun zu Beaucaire war, und auf der Gassen suchete, führete ihn die Wünschel-Ruthe vor die Thür eines Gefängnisses, da er ausdrücklich sagete, daß einer von solchen Vögeln darin wäre; als man nun aufgemachet, wiese man ihm 14.[182] bis 15. Gefangene; er ging vor alle mit der Ruthe, sie bewoge sich aber vor keinem, als vor einem, mit Nahmen Bossu, welcher kaum vor einer Stunde wegen eines geringen Diebstahls eingekommen war. Der Bauer sagte stracks, daß dieses unstreitig einer der Mörder-Gesellen wäre, und machete sich darauf fort, die andern aufzusuchen, und befand, daß sie einen Fußsteig, der auf den Weg nach Nismes führete, gegangen wären; ward also diesesmahl weiter nichts vorgenommen, als daß man den Bossu nach Lyon führete, welcher dem Bauer widersprach, und schwur, daß er keine Wissenschafft von dem Mord hätte, und noch niemahl zu Lyon gewesen wäre.

Unterdessen führete man ihn eben den Weg zurück, den er auf der Flucht genommen, und von dem Wirth, wo er zur Herberg gelegen, erkannt wurde; gestunde zu Bagnols, daß er in eben dem Hause, als er die Rone hinunter in Gesellschaft zweyer Kerl gereiset wäre, gewesen. Er gestunde, daß es 2. Provenzaler wären, so ihn vor einen Diener angenommen, und ihn gezwungen, sich in die That mit zu mengen, er aber hätte dabey weder gemordet noch geraubet; und, daß diese Provenzaler diesen Diebstahl und Mord allein begangen, davon er nicht mehr als sechs und einen halben Thaler bekommen. Diese Bekänntniß ware dem Bauer[183] fast lieb, weil daraus abzunehmen, daß er sich nicht geirret hatte. Und was das allermercksamste, so konte der Bauer den gantzen Weg lang nicht hinter dem Bossu hergehen, weil ihm allezeit gantz übel ums Hertz war; derowegen muste er allzeit voran gehen.

Der Bossu bekannte bey dem ersten Examen zu Lyon, daß den Tag, da der Mord geschehen, zween Kerl, so Provenzalisch geredet, ihn in einen Kauff-Laden geführet, allda sie zween Holtz-Aexte gekaufft, und um 10. Uhr auf den Abend hätten sie alle drey sich zugleich bey einen Weinhändler begeben, welchen sie veranlasset, daß er mit seiner Frauen, unter dem Vorwand, eine grosse Flasche voll Wein zu füllen, in den Keller gangen, darauf wären die Provenzaler, ohne ihn mitzunehmen, mit den armen Leuten hinunter gestiegen, und hätten sie mit den Aexten todt geschlagen: darauf wären sie wieder in den Laden kommen, hätten einen Kasten eröffnet, und daraus 130. Thaler, 8. Louis d'Or, und einen silbernen Gürtel gestohlen; hätten sich darauf hurtig davon gemachet, und in einen grossen Hof verstecket, da sie denn des Tages darauf zur Pforte, nahe an der Rone, heraus gangen, und in eines Gärtners Hauß, in Beyseyn zweyer Kinder, getruncken. Bekannte auch, daß sie an dem Fluß einen Kahn loßgemachet, und im Lager zu Sablon und zu Beaucaire gewesen, und daß sie eben[184] bey dem Wirth gelegen, allwo sie der Bauer, desto besser Kundschafft von ihnen haben, durchführen lassen.

Diese des Bossu Bekänntniß erläuterte viel Dinge, dahinter man zuvor nicht kommen können. Dann man fand in dem Laden, so sie an statt der Kammer brauchten, eine neue Holtz-Axt, so gantz blutig, und eine Flasche, so fast voll Wein gefüllet war.

Unterdessen wurde dem Bossu der Process mit allem Fleiß gemachet, und als der Bauer wieder kam, wurde dieser Missethäter, so sich nur von 19. Jahren ausgab, lebendig gerädert zu werden, verurtheilet, und als er vor dem Hause des Weinhandlers vorbey geführet wurde, lase man ihm das Urtheil vor. Es war nun der arme Sünder kaum vor das Hauß gebracht, so bate er aus freyen Stücken die guten Leute um Verzeihung, und bekannte, daß er schuld an ihrem Tod wäre, indem er diesen Diebstahl angegeben, und zu der Zeit, da der Mord geschehen, Schildwacht gehalten hätte.

Wenn man wegen der Reinn-Mahl, Marcksteine und Gräntzen streitig worden, hat man gleichfalls nach vielem Disputiren, auch wohl Processiren, sein Refugium endlich zur Ruthen genommen, und dadurch vermeinet gefunden zu haben, was niemand anders auswicklen können.13 Ja man ist gar zum Schergen oder Büttel worden,[185] und hat angefangen, Diebe, Mörder und Ehebrecher damit aufzusuchen; und dabey hat es die Curiositê noch nicht gelassen, denn es wird erzehlet von einer Jungfrau und Kauffmanns- Tochter, daß sie, vermittelst der Ruthe, die Gebeine der canonisirten Heiligen von andern, welche nicht canonisirt, unterscheiden können; sie soll auch die Probe wohl erwiesen haben, indem ein ansehnlicher Mann, den dieses Wunder genommen, Reliquien herbey schaffen lassen, eine Art von Gebeinen, so von Rom kommen waren, über welcher sich die Ruthe mit grosser Ungestümm herum gedrehet; und einander Paquet, darinnen nur einige Stücker Zeug, welche einem Carmeliter von Burgund, so aus allzu grosser Frömmigkeit gestorben war, gedienet hatten, da die Ruthe einen gantz andern Effect gethan, und schier keine Bewegung gehabt, und das Mägdlein, so sie geführet, ausgeruffen: Ach! ach! es muß hierin nichts von einem rechten Heiligen seyn. Besiehe von mehrerm Gebrauch und Nutzen der Wünschel-Ruthe das Panto-Mysterium cap. 6.

Hier fraget es sich nun, ob solches natürlich zugehe, oder nicht? oder, ob es durch Hülff und Mitwürckung des Teuffels sich practiciren lasse? oder, ob es nicht eine Chimæra sey, und alles auf ein bloß Gedicht hinaus lauffe. Etliche meynen, es könne natürlich geschehen, aber man müsse[186] die Würckung ad admiranda und miracula naturæ bringen, deren Känntniß nach dem Fall sehr verdunckelt worden. Und so nimmt man seine Zuflucht sobald zu den occultis qualitatibus, oder dem Magnetismo, bald zu den Atomis und Materiæ subtili, oder zu der animæ mundi, dem allgemeinen Welt-Geist, als einem Principio universali. Denn die Natur habe ihren eigenen und einfältigsten Mechanismum, dadurch die gantze Universal-Bewegung und Regung in der Natur entstehe, in allen Corporibus und Elementen, durch alle sechs Species und Arten der Bewegung, durch die Generation, Corruption, Augmentation, Diminution, Alteration, und endlich den Motum localem, da ein Corpus von einem Ort zum andern beweget werde.


Andere gestehen, daß das Schlagen der Ruthe wohl könne natürlich seyn, und entweder von der Elasticität dependiren, welche ist ein Zug und Druck der Natur durch die Lufft, wodurch das wider die Natur gekrümmete und verkehrte wieder in seinen natürlichen, geraden und ordentlichen Statum gehet; oder von des Ruthen-Gängers seinem Willen entstehen, der die Ruthe in seiner Gewalt hat, und sie seines Gefallens halten, führen und gehen lassen kan, wie und wann er will; aber solche heimliche Dinge zu entdecken, wie das Panto-Mysterium[187] vorgibt, kan ohne Beystand und Hülfffe des Teuffels nicht geschehen.

Es schreibt auch das Panto Mysterium cap. 6. von dem Gebrauch der Ruthen: daß man in genere alles vergangene, alles abwesende, verborgene und verlohrne dadurch erforschen könne, in specie habe die Wünschel-Ruthe ihren Nutzen 1). in Bergwercken, mit Erfindung der Ertz-Gänge und Berg-Arten, nicht in allein auf dem Berge, sondern auch auf dem Papier, wie die Gänge nach den Plagis mundi streichen, wie tieff man einschlagen müsse, und was unterweges sich findet.14 2.) In Aufsuchung der Quellen und Brunnen-Graben; woher die Quell komme, wie tieff man darnach graben müsse. Item ob die Quelle starck oder schwach, oder ob gar kein Wasser zu finden? 3.) In Verfertigung der Minen, und Erforschung feindlicher Minen, ohne contraminiren, daß man nur oben darüber hergehet und wissen könne, wo der Ort untergraben, wo die Minirer stecken, wo Pulver stehe, u.s.w. 4.) Weg und Stege zu Wasser und Land ohne Nachfragen und Magneten zu finden. 5.) Mahlsteine, Gräntzen und veränderte Wege, wo sie ordentlich seyn sollen, auszufinden. 6.) Vergrabene Schätze und versetztes Geld und Kleinodien zu erforschen. 7.) Flüchtige Diebe, Mörder und Ubelthäter aufzusuchen und einzuhohlen, zu erforschen, welcher unter vielen der Dieb etc. so man nur die[188] Nahmen auf den Tisch schreibet. 8.) Verlohrne und verirrete Leut, auch verirretes Vieh zu finden. Zu wissen, ob ein guter Freund auf der Reise schon vorbey oder ob er noch zurück seye. 9.) Allerhand verworffene und verlohrne Dinge im Hause zu finden: man schreibet nur mit Kreide auf den Tisch die Gemächer, und suchet alsdann mit der Ruthe nur in dem Gemach, darauf die Ruthe geschlagen hat. 10.) Zu wissen und zu erfahren, wo dieser oder jener gesessen, was er angerühret, wo er im Bett gelegen, u.s.w. 11.) Ob jemand todt oder lebendig, ob er einheimisch oder nicht, ob er gesund oder kranck, ob er einem günstig oder ungünstig; ob eine Frau schwanger oder nicht, ob sie einen Sohn oder Tochter trage, welcher unter vielen ein Dieb, der liebste, wer die Braut haben soll. etc. 12.) Wie hoch es an der Uhr seye, wie weit es bis nach Leipzig oder Nürnberg, etc. wie viel diese oder jene Waare koste? wann einer gebohren und geheyrathet habe, und dergleichen. 13.) Allerhand natürliche und künstliche Dinge zu wissen: Zum Exempel, wie hoch die Sonne von der Erden; Ob Sina 500. Meilen näher gelegen als es in den Land-Karten gesetzt? ob die Wünschel-Ruthe auch unterm Æquatore und unter den Polis schlage? ob die Planeten bewohnt oder nicht, etc. ob es wahr oder falsch, was gewisse Historici[189] und Philosophi vorgeben? Defecta in Geschichts-Büchern zu ersetzen, vermittelst angestellter Fragen. Historische Controversien in der Jahr-Zahl, Art und Personen zu unterscheiden. Ob der sogenannte Jude ein solcher sey, oder sich fälschlich dafür ausgebe. 14.) Ob dieser oder jener Heiliger in rerum natura oder nicht? 15) Spuhr der wilden Thiere, Hasen-Läger, etc. zu finden. Item, wo Fische oder Krebse im Wasser stecken? 16.) Zu erkundigen, ob das Erdreich, darauf man bauen will, guten Grund habe? wo Steine, Leimen und Thon stecken? wo Heyden-Gräber zu finden? ob der Ort auf dem GOttes-Acker, wo man ein Grab hinmachen will, schon mit Todten-Cörpern untersetzt? 17.) Wo dieser oder jener, e.g. Bischoff Benno zu Meissen, Lutherus und dergleichen begraben sind? ob ein prætendirtes Heiligthum recht ein solches sey, oder erdichtetes? ob ein Buch des vorgesetzten Autors Schrifft, oder ein Scriptum supposititium ist? in einer Schlacht gebliebene Herrn und Generals, die gantz unerkänntlich, zu unterscheiden, und dergleichen. 18.) Den Feind zu recognosciren, und ihm nachzugehen. 19.) Spanische Silber-Flotten, wo sie im Meer versuncken, und dergleichen aufzusuchen. 20.) Die Wünschel-Ruthe zu combiniren und daraus allerhand Machinen und perpetua mobilia,[190] und automata, e.g. fliegende Gerüste, so einem Menschen anzugürten, künstlich zu erfinden etc.

Was mich betrifft, (schreibt Hr. Reuter) so gestehe ich gern, daß, so solche Dinge damit practiciret werden, der Teuffel nothwendig mit im Spiel seyn müsse; aber ich kan nicht glauben, daß es allerdings wahr sey, was so breit davon ausgegeben wird, und mag sie also nicht mit Unrecht Virga ventosa genennet werden. Es suchen die Rüthler dadurch ihren Nutzen bey den Menschen, auch wohl eiteln Ruhm und Verwunderung. Dem Autori des Panto-Mysterii ist es nicht allwege gelungen, wie er hin und wieder selbst gestehet, und ist sonderlich denckwürdig, der in Gegenwart des Herrn Thomasii und noch einer andern Person begehret habe, man solte auf 3. Papier die Namen des Pabsts, Lutheri und Calvini, schreiben, so wolle er mit der Licht-Putze, als seiner itzigen præsenten Wünschel-Ruthe, das Papier entdecken, darunter Lutheri Nahme geschrieben stehe, daß es nicht angangen, sondern gefehlet gewesen; worüber er sich aber cap. 6. also entschuldiget: Die Ruthe fehle in Kleinigkeiten mehr, als in wichtigen Materien; Dann die Seel seye so edel, als daß sie sich in alle Lappalien einlassen solte. Item, NB. der Mensch fehle wohl öffters darinnen, als er treffe, daß er bey der Gabe GOttes demüthig[191] werde. Ja, es sind die Rüthler mehr als zu oft über der Ruthen zu Spott worden. Siehe Theoph. Albinum sect. 2. cap. 1. § 3. 4. Johann Leonhard Martini, der Artzney Doctor und Practicus zu Hanau /hat aus unterschiedlichen Briefen vornehmer und gelehrter Leute, welche die Verspottung der Wünschel-Ruthe vorgestellet, und deren Systemata über einen Hauffen geworffen, dargethan, daß entweder nichts als Schelmerey in dem Gebrauch der Ruthen stecke, oder das Geheimniß nicht natürlich sey.

Marginalien

1 Wer davon geschrieben.


2 I. Von deren Nahmen.


3 2. Von dieser Erfindung


4 3. Wovon solche zu bereiten.


5 4. Zu welcher Zeit dieselbe zu schneiden.


6 5. Was für Ceremonien bey dem Schneiden in Acht zu nehmen.


7 6. Von ihrem Gebrauch.


8 7. Von Gestalt und Figur derselben.


9 8. Fernerer Gebrauch.


10 I. Geschicht.


11 II. Geschicht.


12 Wünschel-Ruth entdeckt eine Mordthat.


13 Mehrer Gebrauch.


14 Würckung der Wünschel-Ruthe.


Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 170-192.
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