XIX. Von Wehr-Wölffen, ob solche für wahrhafft zu halten.

[246] Es ist eine gemeine Sage, und wollen einige eine gantz gründliche Wahrheit daraus machen, wird auch von unterschiedlichen Scribenten beygebracht, daß Zauberer und Hexen sich in Wölffe, Katzen, Hunde und dergleichen andere Thiere verwandeln können, Felder, Wälder und Häuser durchlauffen, und den Menschen und Vieh nicht geringen Schaden zufügen könten.1

Daß sich aber solche Menschen in rechte natürliche Wölffe verändern solten, scheinet eine wahre Unmöglichkeit zu seyn, denn wie kan doch die Seele des Menschen ihren Leib verlassen, und in eines Thieres Leib fahren; oder der Leib müste bey vereinigt-bleibender Seel in eines Viehes oder Thieres Leib sich wesentlich veränderen, derer doch eines so wenig geschehen kan, wie das andere.2 Das erste anlangende, so muß auf Absonderung der Seele vom Leibe gleich der Tod erfolgen, der Mensch untergehen[246] und verderben; das Verstorbene aber wieder lebendig zu machen, ist ein Werck, so weder Engel noch Teuffel zuwege bringen können, sondern einig und alleine von GOtt geschehen muß. Augustinus de Civit. Dei lib. 18. c. 8. schreibt: Es lautet ungereimt und wider alle Vernunfft, daß Leute solten in Wölffe verändert werden.3 Ich glaube, daß nicht allein nur nicht die Seele, sondern auch der Leib, in keine Wege durch der Teuffel Kunst und List, oder Macht, wahrhafftiglich in Gliedmassen, oder Lineamenten unvernünfftiger Thiere verkehrt werden könne. Ist also glaublicher, daß der Satan die Leute mit falschen Gesichtern und Fürstellungen betrüge: und kan dieser Lügen-Geist solchen Betrug auf unterschiedene Art anspinnen: Denn erstlich kan er selber eine Gestalt der Thiere anziehen, und entweder aus der Lufft, wie auch aus andern Elementen das Bild eines Wolffs künstlen, und selbiges nach Art eines natürlichen Wolffs regieren.

Erasmus Francisci ex Lerchheimers Bedencken von dieser Frage apud Dedekium. Vol. II. Consilior. f. 434. schreibt:4 daß ein Bauer in eines Vogts Hauß kommen, und zur Nacht allda gegessen: Nachdem er sich nun wohl angefüllet, fällt er plötzlich von der Banck hinter sich, als wann ihn der Tropf schlüge; der Vogt, der das Ding, wie er[247] vermeint, verstund, ließ ihn also unangerührt liegen, und befahl seinem Gesind schlaffen zu gehen; Morgens fand man vor der Stadt ein todt Pferd, auf der Weyd liegen, welches mit einer Sensen mitten von einander gehauen, die lag darbey; der Vogt ließ seinen Gast einziehen, der bekennete: er hab es gethan, es sey eine Hexe da herum geflogen, wie eine Licht-Flamme, welcher die Wehr-Wölffe feind, und müssen sie verfolgen, nach dieser hätte er gehauen mit der Sensen, da sie sich aber unters Pferd verborgen, als es gieng und grasete, sey der Hieb durchs Pferd gangen; also hat solcher Mensch bekannt; das er nicht gethan hat, sondern ihm nur geträumt. Ferner erzehlt gemeldter Autor:5 Ich bin einmahl mit einem Kirchen-Diener, meinem Freunde, in eines Land-Vogts Hauß gegangen, der einen sogenannten Wehr-Wolff im Gefängniß hatte, solchen ließ er für uns bringen, daß wir uns mit ihm besprechen solten, und erkundigen, was es doch für eine Beschaffenheit mit solchen Leuten hätte? der Mensch gebärdete sich wie ein Unsinniger, lachete, hüpffete, als wann er nicht aus einem Thurn, sondern aus einem Wolleben käme; bekannte nebst vielem andern teufflischen Betrug und Gespenst, daß er am Oster-Tage Nachts bey seinem Gesind in Wolffs-Gestalt gewesen wäre,[248] welches Ort mehr als 20. Meil von dannen wäre, und ein Fluß darzwischen, zweymahl so breit als der Rhein zu Cöllen.6 Wir frageten: wie kamst du aus dem Gefängniß? Ich zoge die Füsse aus dem Stock und flohe zum Fenster hinaus. Wie kamst du dann übers Wasser? Ich flog darüber. Was machtest du bey den Deinen? Ich gieng umher, besahe, wie sie lagen und schlieffen. Warum kehrtest du dann wieder ins Gefängniß? Ich muste wohl, mein Meister wolte es so haben. Rühmte seinen Meister sehr; da wir ihm sageten, es wäre ein böser Meister, sprach er: Könnt ihr mir einen bessern geben, den will ich annehmen; er wuste von GOtt so viel, als ein Wolff. Es war erbärmlich den Menschen anzusehen und anzuhören, wir baten für ihn, und erhieltens, daß er loß wurde, sonst hätte er müssen brennen. Nun lag ja dieser über 20. Meil im Thurn, darum konte er nicht daheim gewesen seyn, und der vorige die gantze Nacht in der Stube, und konte also nicht aussen auf dem Feld gewesen seyn, und die That mit dem Pferd begangen haben. Der Teuffel hat beydes gethan, und solchen armen Menschen, die in so starckem tieffen Schlaff gelegen, eingebildet, daß solche es gemeynet und bekannt haben.


Dergleichen starcke Träume, Einbildung und Melancholie gibt es insonderheit viel[249] in den Mitternächtigen Nördlichen Orten, da die grobe dicke Lufft dem Satan zu seiner Würckung bequem, darum sich auch daselbst mehr Leute aus Schwermuth und Bekümmerniß selbst entleiben. Ist also, wie oben angedeutet, dem Satan keinesweges möglich, eines Menschen Seel hinweg und wieder ein zu führen.

Wir wollen allhier noch einige von andern für wahr gegebene Geschichte von solchen verwandelten Menschen anführen, dem geneigten Leser zu bedencken, anheim stellen:7 Nic. Rem. Garzon meldet: Als der Groß-Hertzog in Rußien den Zauberer Lycaonem, welcher sich offt in einen Wolff verändert, und den Bauren grossen Schaden gethan hatte, gefangen, und mit eisernen Ketten gebunden hielte, hat er ihm befohlen, er solte seine Wolffs-Verwandelung sehen lassen, und sich seinem Gebrauch nach in ein solch Thier verwandeln: Lycaon versprach dieses mit Bitte, er solte ihn nur mit seinen Hütern ein wenig auf die Seite gehen lassen, wie nun solches geschehen, setzte er sich nieder, verrichtete seine Zauberey, und bekam alsobald eine Wolffs-Gestalt, sperrete den Rachen auf, funckelte mit den Augen, und wütete so grimmig, daß die Hüter genug zu halten hatten, darauf ließ der Hertzog zween junge starcke Jagd-Hunde auf ihn loß, die den Wolff anfielen, und zerrissen,[250] daß er seine menschliche Gestalt nicht wieder bekommen konte.8


Pucerus de divinatione p. 170. schreibt hiervon: Es ist mir allzeit sehr lächerlich und fabelhafft fürkommen, was ich habe erzehlen hören von der Verwandelung, da die Menschen zu Wölffen werden: aber daß es nicht allerdings falsch und erdichtet sey, habe ich verstanden von gewissen und glaubwürdigen Leuten, und welche, daß sie alle Jahr, die nächsten 12. Tage nach dem Geburts-Fest Christi, durch Lieffland und andern angräntzenden Ländern sich begeben solte, erlernet haben aus den Bekänntnissen derjenigen, die um solche That und Bubenstücken sind ergriffen, und peinlich sind examinirt und befraget worden.9 Es soll aber also zugehen: Wann der Christ-Tag verflossen, so gehet ein Junge, welcher mit dem einen Bein hincket, herum, fordert solche dem Teuffel ergebene Leut, derer eine grosse Anzahl ist, zusammen, und heisset dieselbe ihm nachfolgen; Wann nun etliche darunter seynd, die da zaudern und säumig, ist ein anderer grosser langer Mann da, mit einer von eisern Drat und Kettlein geflochtenen Peitsche, der hauet auf sie zu, und treibt sie mit Zwang, daß sie fortgehen müssen.10 Er soll so grausam auf die Leut peitschen, daß man nach langer Zeit die Flecken und Narben auf ihrem Leib sehen kan: die ihnen[251] auch grosse Schmertzen machen und verursachen. So bald sie nur angefangen ihm zu folgen, gewinnet es das Ansehen, als wann sie ihre vorige Gestalt abgelegeten, und in Wölffe verwandelt würden, da kommen denn ihrer etliche 1000. zusammen, ihr Führer gehet vor ihnen hermit einer eisernen Geissel, dem folget der gantze Hauffe nach; wann sie nun aufs Feld geführet sind, fallen sie das Vieh grausam an, und alles, was sie nur ergreiffen können, das zerreissen sie, und thun grossen Schaden, aber die Menschen selber zu verletzen, ist ihnen nicht vergönnet noch verstattet. Kommen sie an das Wasser, so schläget ihr Führer mit seiner Ruthen oder Geissel in das Wasser, und theilet es von einander, daß sie trocknes Fusses übergehen können. Nach Verfliessung aber zwölff Tage kommen sie wieder zu ihrer vorigen Gestalt, und werden wieder zu Menschen.

Remigius gedencket lib. 2 c. 5. daß ein Weib gewesen, welches sich mit einem Schäffer nicht wohl vergleichen können, und dannenhero als eine Zauberin ihre Teuffels-Künste gebrauchet, und sich in einen Wolff verwandelt, und also die Heerde angefallen, und ziemlichen Schaden gethan; sey aber von dem herzulauffenden Schäffer durch einen Beil-Wurff an der Hüfft verwundet worden; darüber sie sich in den angelegenen Busch begeben, und daselbst nach abgelegter[252] Wolffs-Gestalt ihren empfangenen Schaden mit einem Stück, welches sie vom Kleide abgerissen, verbunden, das häuffig heraus fliessende Blut zu stillen, weilen aber der Schäffer dem blessirten Wolff nachgefolget, in Meinung denselbigen zu überwältigen, und das verwundete Weib angetroffen, als habe er selbiges bey dem Richter angegeben, und darauf den Lohn der Zauberey empfangen.11

Sennertus erzehlt aus dem Mund eines fürnehmen Mannes, daß, nachdem man ein gewisses Weib, auf Anzeigen, daß sie sich in einen Wolff verwandelt, gefänglich eingezogen, und sie solches auch selbst hätte gestanden; Hat der Magistrat ihr zugesaget, das Leben zu schencken, wann sie dessen würde eine Probe thun, da sie nun solches zu thun versprochen, wann sie nur ihre darzu bedürfftige Salbe zur Hand hätte:12 so hat man dieselbe aus ihrem Hauß geholt, und ihr gebracht; womit sie dann den Kopf, Halß, Achseln und andere Glieder des obern Leibs, geschmieret, bald hernach aber in Gegenwart des Raths niedergefallen, und von einem tieffen Schlaff befallen worden: nach dreyen Stunden aber ist sie jähling wieder aufgestanden, und nachdem gefraget worden, wo sie unter dieser Zeit gewesen? und was sie so lang gemachet hätte? hat sie geantwortet: sie wäre verwandelt worden in einen Wolff, hätte nahe bey einer von dannen gelegenen[253] Stadt erstlich ein Schaaf, hernach auch eine Kuh zerrissen.13 Solches nun, ob es sich also in der That verhielte, in Erfahrung zu bringen, hat man bey dem Magistrat selbigen Orts Nachfrage gethan, und vernommen, daß dem freylich also sey, und daß ein solcher Schade unter der Heerde würcklich geschehen wäre: daraus dann Sennertus mit guter Vernunfft schließt, es hab es der Teuffel im Nahmen dieser Hexen, indem dieselbe in vestem Schlaff gelegen, verrichtet, und ihr im Schlaff eine solche Vorstellung gemachet, daß sie sich selbst für die Thäterin gehalten. Vid. Sennert. de Morb. occult. lib. 6. part. 9. c. 5.

Bodinus lib. 2. dæmon. c. 5. und auch andere muthmassen: Es könne mit des Teuffels Macht die Seele per ecstasin oder durch eine Entzuckung von dem Leibe getrennet werden, un also in die Welt hin und wieder herum wallen, endlich aber verfüge sie sich selbst nach selbst eigenem Belieben wieder in ihre gewöhnliche Wohnung: In solchem Trennungs-Stande sey der Leib erstarret und todt, die Seele aber geselle sich zu einem wahrhafftigen oder zu einem vom Teuffel præparirten Wolffs- oder andern Thieres-Leib, verübe alsdann darinnen, welches sie wolle, bis sie endlich nach gethanem beliebigen Wercke von dem Teuffel hin in ihren eigenen Leib wiederum gebracht werde.[254]

Aber, schreibt Johannes Prætorius, die Seel eines Menschen kan nicht verwandelt werden in die Seel eines Wolffs, noch der menschliche Leib in einen Wolffs-Leib: Es ist unsere Seel viel edeler und unser Leib viel herrlicher, als daß er also solte können verwandelt werden. Ja es kan die Seel des Menschen sich nicht von ihrem Leibe scheiden, daß sie fahre in eines Wolffs Leib, denselben zu bewegen und lebend zu machen; und kan solches der Teuffel selbst nicht ins Werck richten, viel weniger die Hexen. Daß es der Teuffel nicht könne, ist daher offenbar, weil er es weder auf natürliche Weise, noch übernatürlich, verrichtet. Nicht übernatürlich, weil es allein GOtt zukommt, über die Natur thun. Nicht natürlich, weil die Natur Wölffe, Katzen, Hunde nicht zeuget, ohne durch den Saamen dieser Thiere. Ist also solches nur ein Blendwerck des Teuffels, welcher die Menschen also betrüget, sie entzucket und solche falsche Einbildung in ihnen würcket. Vid. Prætor. vom Blocksberg / Part. 2. c. 6. § 10.


Hiermit stimmet auch überein der Autor des Buchs / genannt Malleus judicum, c. 3. ob die Hexen in Wölffe, Katzen und Hunde, u.s.f. verwandelt werden. §. 5. O wie eine falsche, unvernünfftige Meynung! Wenn ein Leib einmahl ohne[255] Seel ist, so ist er schon todt, sintemahl der Tod anders nichts ist, denn eine Absonderung dieser beyden, Leibs und der Seelen; wer aber todt ist, den kan kein Teuffel wieder lebendig machen, dieweil solches allein GOttes Werck ist. Daß aber solche Leute nicht fühlen, wenn man sie schon mit Nadeln oder Pfriemen stüpfft, oder auch sie brennet, wie etliche vorgeben, folget noch lange nicht, daß derowegen die Seele von ihnen frey seyn müsse, denn sie athemen ja, und regen die Brust sowohl, als andere Schlaffende, allein daß sie in einem tieffen Schlaff liegen, dergleichen Kranckheiten auch wohl nur aus blossen natürlichen Ursachen allein herrührend, von den Medicis observirt werden, wiewohl in diesem Sopore Dæmoniaco, über die natürliche Ursachen, des Teuffels Gespenst mit unterlaufft, zudem kan man doch Artzneyen zurichten, dadurch der Mensch in so tieffen Schlaff fället, daß er nichts, wann man ihm schon ein Glied vom Leibe gar ablösete, davon empfindet; ist also offenbar, wann die Hexen-Leiber eine andere als Menschen-Gestalt haben, daß solches Gespenst des Satans sey, dadurch sowohl andere Menschen am Gesicht, als die Hexen selbst am Verstand und Einbildung geblendet werden.

Andere Autores wollen es mit rechtem Ernst behaupten, daß sich solche Menschen in Wölff verwandeln können.14 Petrus[256] Mamorius schreibt in einem kleinen Tractat, so er von den Zauberern gemachet, daß, als er in Sovoya gewesen, er allda die Verwandelung der Menschen in Wölffe gesehen habe. Johannes Fincelius lib. II. von Wunder-Zeichen / schreibt, daß zu Padua ein solcher Menschen-Wolff oder Wollf-Mensch gewesen seye, deme man, als man ihn ergriffen, die Wolff-Tappen abgehauen, und seye er gleich auf der Stätte an Händen und Füssen gestümmelt gewesen. Heinrich von Colle in Tractat. de Lamis, hält solche Verwölffung für gantz unzweiffelhafftig und gewiß; deßgleichen auch Ulricus Molitor in seinem Büchlein von Hexen und Unholden, Dialog. ro. Siehe mehrere Exempel beym Bodino lib. 2. cap. 6. von der Lycanthropia oder Wolffssucht /und ob der Teuffel die Menschen in Thiere und Vieh verwandeln könne.

Sprengerus part. 1. quæst cap. 9. und aus demselben Steinhard. in epist. histor. p. 83. & 84. und andere mehr, schreiben, wie sich Weiber in Katzen verwandelt haben und beschädiget worden seyn.15 Und recitirt Caspar Goldwurm eine Historie davon, mit folgenden Worten: Der Teuffel läßt auch Fromme, Unschuldige und Einfältige nicht unangefochten, sondern verwandelt sich, nur Schaden zu thun, in[257] mancherley Gestalt: denn im Bißthum Straßburg (die Stadt und Ort wird mit Fleiß zu nennen unterlassen) ist ein frommer ehrsamer Mann gewesen, welcher auf eine Zeit in seinem Hoff gestanden, und Holz zum Brennen gespalten, ist eine Katze in heßlicher und grosser Gestalt zu ihm kommen, und mit Gewalt, ihm Schaden zu thun, an ihn gesprungen, welche er mit aller Macht von sich zu treiben bemühet gewesen; indem kommt eine andere, viel heßlich- und grösserer Gestalt, und stehet der ersten Katzen bey, und beängstigen den guten Mann sehr hart, daß er sich hinten und vornen wehren muß, dieselbe zu vertreiben; endlich kommt die dritte Katz auch darzu, und eine springt ihm unter das Gesicht, die andere auf den Nacken, die dritte greiffet ihn mit Beissen an den Beinen an, und als er GOtt in solcher Noth angeruffen, und sich ihm gäntzlich befohlen, indem wird er ergrimmet, und schlägt um sich, und in dem Springen der Katzen trifft er eine auf den Kopff, die andere auf den Rücken, die dritte an die Füsse, und hat sich also ihrer mit grosser Mühe und Arbeit erwehret und sie vertrieben. Nachdem solche fort, hat er wieder angefangen sein Holzhauen zu vollführen; indem kamen bald hernach zwey Stadt-Knechte, nehmen und binden ihn als einen Ubelthäter; und führen ihn vor den Richter, der Richter aber war zornig und wolte den armen Mann[258] nicht zur Verhör kommen lassen; sondern befiehlet, daß man ihn in den tieffsten Thurn der Ubelthäter werffen solte. Der arme Mann beklagte sich mit weinenden Augen der Unbilligkeit, und begehrte seine Unschuld anzuzeigen, daß er möchte verhört werden. Der Richter aber war je länger je mehr über ihn ergrimmet; und wolte ihm auch sonst niemand die Ursache seines Zorns erklären; aber andere Raths-Personen erbarmten sich des guten Mannes, und redeten dem Richter zu; daß er ihme Audienz zu geben willigte: Da er aber von den Richter und Raths-Verwandte gestellet ward, wolte ihn der Richter noch nicht ansehen; doch endlich ruffete der arme Mann die andern umsitzenden Personen an, und bate, daß man ihm doch anzeigen wolle, was er verschuldet hätte. Da fieng der Richter an, und fragte mit zornigen Worten: Du Bösewicht, wie darffst du solche deine Ubelthat verläugnen; und zu verbergen suchen; hast du nicht auf diesen Tag die drey ehrlichen und fürnehmsten Matronen dieser Stadt dermassen verwundet, daß sie zu Bette liegen, und sich weder regen noch bewegen können. Da solches der arme Mann gehöret, ward er erquickt, und bedachte die Zeit und Stunde, in welcher er den Katzen-Kampff gehalten und überstanden hatte, und sagete: Herr Richter, ich weiß, daß ich mein Lebtag keinen Weibs-Person geschlagen oder beschädiget,[259] ich will auch mit euren und meinen Nachbarn erweisen, daß ich denselben Tag und Stunde in meiner sauren Arbeit, Holtz zu hauen, gestanden bin. Darauf der Richter wieder zornig geantwortet: Siehe, wie kan sich der Bösewicht so frey vertheidigen, dieweil doch die That öffentlich da ist; da bedachte sich der Mann, was ihm in derselben Zeit mit den Katzen wiederfahren ware, und sagete: Herr Richter, ich erinnere mich und gestehe, daß ich unvernünfftige Creaturen, 3. Katzen, aber keine Weiber, geschlagen habe, und mich meines Leibs und Lebens für ihnen mit Gewalt habe erretten müssen. Darüber erschracken die umsitzenden Raths-Personen, und begehrten von ihm, daß er nun den Handel, wie es sich begeben hätte, erzehlen und offenbaren solte. Da fieng er an, ihnen den gantzen Handel, wie es zugegangen wäre, zu erzehlen, gleich oben kürtzlich vermeldet worden. Darüber sie sich alle entsetzten, und vermerckten wohl, daß es ein teufflisch Werck gewesen wäre, und gaben den armen Mann ledig und loß, verboten ihm aber, daß er es bey Lebens-Straff niemand offenbaren solte, damit solche ansehnliche Personen nicht in Schande und Schaden gebracht werden möchten.

Daß sich ein Weib in einen Hasen verwandelt, erhellet aus folgender Geschicht: Petr. Goldschmid in seinem verworffenen Zauber- und Hexen-Advocaten /[260] cap. 24. §. schreibt: Es habe Herr J.W. Scheffer. Licent. Med. & Archiat. Reg. in Dännemarck, für wahrhafftig erzehlet, was sich bey dem bekannten Holcken, adelichen Sitz bey Nieburg, in Fünen gelegen, in seiner Anwesenheit daselbst begeben: Der Jäger desselben Guts war mit zwey Hunden und dem Jäger-Jungen ausgegangen, einen Hasen zu hetzen: Es trug sich aber zu, daß sie in einem Bauren-Hauß, so selbigem Hof zukame, zu Nacht blieben.16 Da aber der Jäger sich zu Bett geleget hatte, blieb der Junge in der Stuben auf der Banck liegen, und seine Hunde legten sich vor ihm auf die Erden. Um Mitternacht-Zeit kam die Wirthin desselben Hauses hinein in die Stube, und weil sie meynete, daß der Jäger-Junge schlieffe, verfügete sie sich hin zu dem warm-eingeheitzten Ofen, und kleidete sich Mutter-nacket ab, und beschmierte sich mit einer Salbe über den gantzen Leib, und setzte, nach gethaner Beschmierung, die Salbe oben über den Kachelofen, kleidete sich darauf wieder an, und gieng zur Stuben hinaus: der Jäger-Jung, welcher dieser Frauen ihr Salben wohl beobachtet hatte, urtheilte, es müsse eine gute Salbe und zur Stärckung der Glieder dienlich seyn; Zohe seine Schuhe aus, nebst den Strümpffen, und beschmierte seine Füsse, an welchen er Schmertzen empfunden, weil er mit den Hunden den vorigen[261] Tag, auf gefrohrner Erde, etwas herum gewandelt, und nachdem er sich beschmieret hatte, schmierete er auch seinen Hunden die Füsse mit solcher Salbe. Am folgenden Morgen machete sich der Jäger frühe auf, und hieß den Jungen mit den Hunden wiederum ins Feld gehen. Da dann geschahe, daß ein Hase, so sich vor ihnen gedrückt hatte, weil sie nahe auf ihn zukamen, aufstund, der Jäger hetzte demselben die Hunde nach, welche nebst dem Jungen der Hunde schnell zu lauffen anfiengen, in unerhörter Geschwindigkeit den überaus schnellen Hasen verfolgeten, also auch, daß, eher sich der Jäger es vermuthen konte, Junge, Hunde und Hase ihme aus dem Gesicht kamen. Weil aber der Jäger nicht folgen konte, auch nicht erblickte, wo der Lauff hingangen war, als machte er sich nach langweiligem Warten auf den Weg zum Hof hin. Als er aber ohnweit vom Hofe in dem angelegenen Dorffe kommt, findet er Jungen und Hunde für einem Backofen, der nach Lands-Manier von Leimen etwas abwärts vom Hause gesetzt war, stehen, also, daß ihnen die Zunge vom starcken Lauffen zum Halß heraus gienge, und der Junge absonderlich Athem-loß war. Der Jäger sich dessen verwunderend, spricht demselben nach Landes-Manier zu: wie ihn der Teuffel mit den Hunden dahin geführet hätte? dem der Jung antwortete, er wäre[262] dem Hasen nachgelauffen, welcher in den Backofen gesprungen wäre, und sich jetzo in ein Weib verwandelt hätte: Als der Jäger darauf in das Ofenloch hinein schauete, befand er die Sache also, und daß das Weib ihre Wirthin wäre: als sie hierauf auf den Hof kommen, hat der Jung den gantzen Handel dem Herrn erzehlen müssen.

Marginalien

1 Was sie seyn.


2 Ob sich Menschen in solche / oder andere Thiere /verwandeln können.


3 Wird vom Augustinuo und andern widersprochen.


4 I. Geschicht.


5 II. Geschicht.


6 Falsche Meynung von einem solchen Wehr-Wolff.


7 III. Geschicht.


8 Zauberer muß sich für dem Hertzog zum Wolff machen.


9 IV. Geschicht.


10 Wie die Hexen zusammen geruffen werden.


11 V. Geschicht.

Wehr-Wolff wird von einem Schäfer verwundet.


12 VI. Geschicht.


13 Hexe muß sich für der Obrigkeit zum Wolff machen.


14 Einige Autores wollen behaupten / daß würcklich Wehr-Wölffe seyen.


15 Drey fürnehme Hexen suchen in Katzen-Gestalt einen armen Mann zu beschädigen.


16 Ein Weib verwandelt sich in einen Hasen.


Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 246-263.
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