XXI. Vom Kobald oder Hütgen.

[278] Es wird unter gemeinen Leuten viel Sagens gemachet von dem Kobald oder Hütgen / von hunderten aber weiß kaum einer, was solches für ein Seelen-gefährlicher böser dienstbarer Geist ist.1 Wierus l. 1. de Præstig. Dæmon. c. 22. § 5. saget: Die Kobalde sind eine Gattung von Gespenstern, oder Hauß- und Stall-Teuffeln, so zu Nachts, in denen Häusern, da man solche gern, hingegen keinen redlichen Eifer noch Vertrauen zu GOtt hat, herum gehen, und Knechts-Arbeit verrichten, auf beschehenes Ruffen erscheinen, die Stiegen herunter gehen, die Thür öffnen, Feuer schüren, Wasser schöpffen, Speise und alles, was sonst im Hause vonnöthen, zurichten, da sie doch indessen gantz nichts würckliches ausrichten: welches sich doch durchgehends nicht allemahl also verhält: sondern allein von solchen Kobaldischen Gespenstern zu verstehen, die der gottlose Haußwirth nicht ausdrücklich darzu fodert,[278] daß sie ihm knechtische Dienste thun sollen. Dann wann er sie darzu bestellt, und in seinen Dienst angenommen, so versorgen sie erst das Vieh, und theils andere häußliche Verrichtungen, wiewohl hingegen seiner Seel gar übel gedienet wird.

Georgius Agricola lib. de Animant. Subterran. setzet derselben zweyerley Gattung: deren eine den Leuten selten erscheinet; da sie (die Kobalden) doch täglich einen Theil der Arbeit verrichten, und des Viehes warten: diesen haben die Teutschen den Nahmen Kütel oder Gütel geben, weil sie den Menschen Gutes thun, und hold zu seyn scheinen.2 Die andern aber nennet man Trullen, welche so männlich als weiblich Geschlecht annehmen; und bey manchen Nationen, sonderlich aber beyden Sujonibus, das ist: bey den alten Kügianern und Schweden in knechtischen Diensten gewesen seyn sollen.

Dieser Gattung sind auch, welches die Russen Coltri in ihrer Sprache genennet; dieselben unterhalten sie, schreibt Melitenius, gar wohl mit allerley Speisen. Sie halten sich auf in den Holtz-Stössen und an verborgenen Orthen im Hause; Stehlen aus frembden Scheuren das Getrayde, und pflegen es ihren Unterhaltern zuzutragen. Wann aber solche Geister an einem Ort Wohnung und Unterhalt verlangen, erklären sie dem Haußvater ihren Willen auf diese Weise: Sie tragen bey[279] Nacht etliche Scheiter Holtz zusammen, und werffen den Koth und Mist, von mancherley Thieren, in die Milch-volle Eymer: wann nun der Hauß-Wirth dessen gewahr wird, und weder die Scheiter von einander noch den Roß- oder Küh-Koth, Schaaf- oder Geiß-Lorber von der Milch heraus wirfft, sondern von der verunreinigten Milch mit sei nem gantzen Hauß-Gesinde isset, alsdann sollen sie daselbst erscheinen und bleiben.

Durch die zweyte Art der Kobalten verstehet Agricola die Gespenster, so man Bergmännlein nennet, weil sie in den Bergwercken meistens in Gestalt alter kleiner Männlein erscheinen, und daselbst mancherley Gauckeley treiben, den Bergleuten sowohl in der Kleidung und ertichteter Arbeit, als in der Gestalt, nachäffen, vielmahl auch wohl allerhand Ungelegenheit anrichten und Schaden thun. Wir wollen aber allhier von solchen Bösewichten nicht, sondern an seinem Ort, handeln, und nur allein von den sogenannten Kobalten oder Hauß-Teuffeln schreiben. So sollen dann hierauf etliche seltsame historische Muster dieses Awentheuer vorstellen, derer eins seyn soll:3

Trithemius erzehlt eine Historie von einem Geist, der sich gar freundlich gegen die Leut gestellet, und im Bißthum Hildesheim, des mehrern Theils aber an dem Bischoffs-Hoff, da er sich in der Küchen[280] zum Dienst gebrauchen lassen, aufgehalten hat; davon des Autoris eigene Worte: Um diese Zeit hat ein böser Geist im Bißthum Hildesheim eine gute Weile sich sehen lassen, welcher, so offt er den Leuten erschienen, nichts anders, dann Bauer-Kleider angetragen, und einen Filtz-Hut aufgehabt hat; daher ihn auch das Bauers-Volck Hütgen / auf Sächsisch Hedekin / genannt haben.4 Dieser Geist hatte seltsames wunderliches Werck gethan, war gern bey Leuten, redet mit denselben, und fraget sie allerhand, gab auch guten Bescheid, wann er gefraget wurde. Und das alles thät er zuweilen sichbarlicher-zuweilen unsichtbarlicher Weise; keinen fügete er Schaden zu, es wäre denn Sache, daß ihm von jemand etwas zu Hohn gethan worden. Dann wann ihm einer etwa eine Tück bewiesen, hat er es ihm so lang nachgetragen, bis er sich gerächet hat.


Da Burgkard / Graf zu Ruca / von Graf Herman von Winsenburg erwürget worden ware, und die Sachen sich so anliessen, als wann die Grafschafft Winsenburg ausgeplündert werden würde, ist gedachter Geist bey der Nacht zu Herrn Bernhard, dem Bischoff zu Hildesheim, ans Bett kommen, ihn gewecket und gesaget: Du Kahlkopff, stehe auf, rüste dich und mache dich mit Volck gefast, dann die Grafschafft Winsenburg stehet eines[281] Todtschlags halben ledig, sie wird sich dir leicht ergeben. Der Bischoff nicht faul, macht sich auf, bringt in der Eyl einen Hauffen Volck zusammen, fällt in die Grafschafft, nimmt dieselbe ein, und bringt sie also zu dem Stifft Hildesheim, doch mit Vorwissen und Verwilliung dazumahl gewesener Kayserlicher Majestät.

Derselbe Geist hat gedachten Bischoff auch sonst ungefraget offt vieler Gefahr halber gewarnet, hat sich auch sonst zeitlich an des Bischoffs Hoff sehen lassen, doch mehrentheils in der Küchen, da ist er den Köchen zur Hand gegangen, fleißig gedienet, und zeitlich Gespräch mit ihnen gehabt; da er endlich gar gemein worden, und sich so freundlich erzeiget, hat sich niemand mehr bey Hofe für ihm gefürchtet. Vid. Hildebrans Kunst- und Wunder-Buch Part. II. p.m. 316.

Von diesem Hütgen oder Kobald schreibt gedachter Autor ferner, wie auch bey Francisci höllischen Protheo p. 797. also:5 Am Hofe dieses Bischoffs erschien Hütgen gar offt, und weil man seiner nun so sehr gewohnt war, daß keiner sich für ihm fürchtete, hat sich ein verwegener Küchen-Bube an ihn gemachet, allen Hohn und Spott angethan, auch, so offt er nur gekonnt, ihn mit Spühlich und unfläthigem Wasser übergossen und beschüttet.6 Wann solches nun geschahe, klagete er es dem Koch, bat ihn, daß er dem Buben[282] wehren und von der Buberey abhalten wolte, wo nicht, so wolte er sich dermahleins selbst rächen, und dem Buben seinen Muthwillen wieder einträncken. Aber er fand bey dem Koch kein Gehör, sondern spottete sein noch und sagete: Bist du ein Geist / und fürchtest dich für einem solchen heylosen Buben? Da gab der Geist zur Antwort: Wohlan, dieweil ich dann mit Bitten nicht so viel erhalten kan, daß der Bub seiner Boßheit halben, die er mir ohn Unterlaß anthut, gestrafft werde, auch mich noch von dir dazu verspotten lassen muß, so solt du in kurtzem erfahren, wie hefftig ich mich für deinem Buben gefürchtet habe, und gehet zornig davon. Nicht lange hernach, als dieser Küchen-Jung auf einem Abend müde und voller Schlaff sich allein in der Küchen niederlegte und entschlaffen war, kommt der Geist über ihn, und druckt ihm die Kehl ein, erwürget ihn, und zerhackt ihn in kleine Stücklein, setzt dieselben in einem Hafen bey das Feuer auf dem Herde, fängt sie an zu sieden und zu kochen. Da das der Koch innen ward, ergrimmte er darüber, und fluchete dem Geist, was er konte: Uber solches ward der Geist zorniger, als über den Küchen-Jungen; that derhalben eins, und kame des folgenden Tages, da der Koch ein Gebratenes für den Bischoff am Spieß beym Feuer hatte, und zertruckte mit den Händen über solchen Braten gräuliche Kröten[283] und betrauffete damit den Braten über und über; auch rächete er sich ferner an dem Koch, als solcher zu einer andern Zeit über ihn geschmähet, und stürtzt ihn von einer Brücken in einen tieffen Graben hinab; er ließ auch den Wächtern auf der Stadt-Mauer und in den Flecken keine Ruhe, wann ihnen etwa bey Nacht die Augen zugehen wolten, und zwang sie mit Gewalt, daß sie wachen musten.

Noch eines, welches auch beyde obenbemeldte Autores schreiben, muß ich von solchen Kobald oder Hütgen allhier anführen:7 Als auf eine Zeit ein Bürger verreisen wolte, dessen Weib andere lieber als ihren Mann im Bette hatte, ihre geile Lüste zu ersättigen, saget solcher Mann Spaß-weise zu dem Geist Hütgen: Mein Geselle, ich will dir mein Weib, bis ich wieder komme, anvertrauen, und es befohlen haben, daß du ihr fleißig hütest.8 Da nun solch Weib, in Abwesenheit ihres Manns, ihre ehebrecheris. Huren-Buben einen nach dem andern bey der Nacht zu ihr einliesse, war Hütgen allwege sorgfältig, und legete sich zwischen solche beyde, daß ihn niemand sahe: und wann ein solcher Buhler sich des Kampffs mit dem Weibe unternehmen wolte, so warff er solchen herab auf die Erde, daß sie keiner berühren konte, oder sie ihren Willen mit einander hätten pflegen können; Und dieses that er allen ihren Buhlen, so sie zu sich lassen wolle. Als[284] nun der Mann wieder heim kame, und noch weit vom Hause war, lieff ihm Hütgen entgegen, und sprach mit Freuden zu dem Mann: Ach wie gern sehe ich es, daß du einmahlen wieder heim kommest, damit ich der mühsamen Arbeit abkomme, die du mir befohlen hast. Der Mann fraget ihn, wer er wäre? da antwortet er: ich bin Hütgen, dem du dein Weib befohlen hast, als du von hinnen reisetest: und nun siehe, ich habe sie dir bewahret, wiewohl mit grosser Macht und steter Arbeit, und liefere sie dir gantz ungeschändet wieder, aber das will ich dich gebeten haben, du wollest mir hinfort nimmermehr befehlen, ihr zu hüten, dann ich viel lieber und auch mit weit geringerer Arbeit alle Schwein in gantz Sachsen hüten wolle, dann deines eintzigen Weibes, so offt hat sie mir die Augen verkleiben, und mit Gewalt zur Huren werden wollen.

Mehr sehr verwunderliche Dinge seynd von diesem Geist verübet worden, davon viel zu schreiben wäre, und wann solche auch geschrieben würden, würden sie doch nicht alle geglaubet werden. Endlich hat besagter Bischoff Bernhard diesen Kobald durch der Kirchen-Diener Beschwerungen vertreiben, und, mehr Unheil zu verhüten, aus dem Bißthum zu weichen gezwungen. Wierus ex Trithemio. l.s.c.

Noch eine andere Begebenheit wird einem solchen Kobald zugeschrien: Anno[285] 1707. begab es sich, daß bey St. Ulrich zu Wien ein Metzger um eines Mannes wohlgeartete Tochter freyete:9 weil aber ein Kollet-Schneider und wohlhabiger Wittwer bey seinen noch besten Jahren auch um solche Tochter warbe, konte solcher leichtlich, wegen guter Mittel, den Vorzug erhalten; des Tages aber, da er copulirt worden, und mit erbetenen Hochzeit-Gästen sich in seinem Hause frölich machen wolte, kam ihm schnell ein Reiffen im Unter-Leib an, und muste sich also dieser Hochzeiter an statt des Braut-Bettes ins Todten- oder auf sein Sterb-Bett bringen lassen, dann in 3. Stunden zog sich sein männlich Glied dergestalt in den Leib, daß wenig männliches davon gespühret werden konte: worüber er auch den dritten Tag sein Leben enden muste.10 Die darüber betrübte noch jungfräuliche Wittib verblieb, vermöge ihres Hochzeiters Disposition, im Sterb-Hauß, und unterhielt einige ihrer Verwandten bey sich, einigen Trost zu haben; aber bald am ersten Tag nach des Hochzeiters Begräbniß fande sich ein solcher unsichtbarer Kobald im Hause, welcher grausam rumorte, und alles übereinander warffe, doch aber niemand beschädigte: Endlich machete solcher es so grob, daß er auch der jungen Frauen die Speisen von dem Tisch warff, die Teller umher stürtzte, und sogar die Trinck-Geschirr mit dem Wein verschüttete: endlich auch seinen[286] Muthwillen an den Speisen verübete, und allerhand Unreinigkeiten darein mischete: niemand konte ersinnen, wie solches zugehen mochte, weil sonst niemahl in solchem Hauß etwas dergleichen verspührt worden. Man ruffete fromme Capuziner-Münche zur Taffel, welche durch fleißig Gebet solchen Geist abwenden solten, aber es wolte alles nichts helffen; ja solche legeten auch ihr Breviarium und andere geweyhete Sachen auf das Trinck-Geschirr, diesem aber ungeachtet, schlug solcher Geist das gantze Geschirr mit Buch und Wein vom Tisch herunter, und wolte kein Beschweren noch Ausbannisiren an solchem Geist etwas helfen, bis endlich diese junge Frau das Hauß raumete, und sich wieder zu ihren Eltern begabe, da dann weder bey derselben, noch im Hause, ferner etwas zu hören oder zu sehen gewesen: welches alles man hernach dem ersten Freyer, dem Metzger, zumessen wollen, daß er beydes verübet, und durch eine Zauberin dem Kollet-Schneider nicht nur die Mannheit benehmen lassen, sondern auch solchen Kobald ins Hauß gesandt hätte; so ihm aber von niemand erwiesen werden konte.

In der Franckfurter Relation Anno 1675. p. 86. wird geschrieben, daß selbigen Jahres, am 18. Februarii, ein Weib von Kalbe einem Becker in einem Sack mit Saltz einen Kobalt ins Hauß practicirt; als nun der Sack im Hause stund, lieff solcher gantz hoch auf, darum[287] der Becker seinem Jungen befohlen, das Saltz nieder zu drucken; eher aber man sich solches versahe, warff der Kobald den Jungen mitten ins Hauß, schlug zugleich eine Kachel aus dem Ofen, auch etliche Krüge und Gläser entzwey, worauf die Leut von der Gasse zusammen gelauffen und alles mit Verwunderung gesehen haben.11

Marginalien

1 Was solches für ein Geist sey.


2 Kobald läßt sich zu allerley Hauß-Diensten gebrauchen.


3 I. Geschicht.


4 Kobald ermahnet den Bischoff zu Hildesheim im Bett.


5 II. Geschicht.


6 Kobald zerreist und kochet einen Küchen-Buben.


7 III. Geschicht.


8 Kobald hütet eine Frau.


9 IV. Geschicht.


10 Kobald wütet in einem Hanse zu Wien.


11 V. Geschicht.

Wird in einem Sack weggetragen.


Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 278-288.
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