XXIV. Von Bancketen der Geister.

[329] Speidelius in Speculo variarum observat. sub Voce Geist / n. 46. p. 439. seq. erzehlt: daß einsmahl Albrecht, Freyherr von Zimbern, seinem Lands-Herrn, Friedrich, Hertzogen in Schwaben, mit einer Besuchung aufwarten wollen, dieweil er bey solchem in sonderbaren Gnaden, und allzeit angenehm war; sonderlich, weil er bey ihm auferzogen worden. Als er sich nun einsmahls bey demselben einfand, stellete dieser Fürst einen Spatzier-Ritt an, in Begleitung seiner Grafen und Baronen, derer sich gemeiniglich eine ziemliche Anzahl an seinem Hof befanden. Und war dieser Lust-Ritt angeordnet zu dem Grafen Erhinger von Magenheim, auf dessen Wohn-Schloß Magenheim, so im Zabergau gelegen, zu welchem er schon vorhero mehrmahl geritten. Dieser hatte Mariam, eine Gräfin von Tübingen, zur Gemahlin, und zwo Fräulein, aber keinen Sohn von ihr erzielet; also[329] so daß dieser Gräfliche Stamm mit keinem männlichen Zweige mehr unterstützet war: selbiger Graff war ein Mann fröliches Gemüths, ein Liebhaber der Jagd, und sonst auch andern ehrlichen Ubungen ergeben.


Nun lieff in dem grossen und lustigen Walde, Stromberg genannt, so von jetztbesagtem Schloß nicht weit lag, schon eine ziemliche Zeit her, ein ansehnlich-grosser Hirsch, den weder die Jäger noch die Hof-Bediente jemahls hatten fahen können, derselbe ließ sich bey dieser Anwesenheit des Hertzogs nun wiederum sehen, zu ihrer aller grossen Freude, sonderlich des Grafen Erhingers; darum begaben sie sich alle mit einander dahin, zusamt dem gewöhnlichen Jäger-Gezeuge.1


Unter dem Jagen kame erstgemeldter Baron von Zimbern von der Gesellschafft, und ritte in einer absonderlichen Gegend selbiges Waldes herum, bis er eines grossen und schönen Hirsches ansichtig ward, desgleichen ihm keiner jemahls in die Augen gekommen war; demselben setzte er durch den Wald weit nach, bis er ihn gar aus dem Gesicht verlohr, und nicht mehr wissen konte, wo der Hirsch geblieben war.


Indem er aber also fortreitet, begegnete ihm ein Mann, so schröcklicher Gestalt, für welchem der Baron Albrecht, der[330] sonst ein behertzter und großmüthiger Cavallier war, sich hefftig entsetzte, und mit dem Zeichen des Creutzes sich wider ihn segnete: Jener aber sagete zu ihm, er solte sich nicht fürchten, denn er wäre von GOtt gesandt, ihm etwas zu offenbahren, er solle ihm nur getrost nachfolgen; alsdann wolte er ihm wunderliche Sachen weisen, dergleichen ihm noch niemahls für Augen gekommen: und darbey hätte er sich keiner Gefahr zubesorgen. Baron Albrecht, (den Speidelius auch zuweilen einen Grafen nennet) willigte darein, und gieng seinem vorangehenden schröcklichen Führer immer nach, bis sie mit einander zum Wald hinaus kamen. Allda bedunckte den Herrn Allbrecht, als sehe er trefflich schöne Wiesen, und eine überaus lustige Gegend; ingleichem ein Schloß, welches mit vielen Thürnen und andern Zierrathen so herrlich prangete, daß seine Augen dergleichen niemahls geschauet. Indem sie zu diesem Schoß sich naheten, kamen ihnen viel Leute, als gleichsam Hof-Bediente, entgegen: die redeten alle kein Wort; sondern nahmen nur von ihm sein Pferd; der, so ihn daher geführet, sagete: Er solte sich ihr Stillschweigen nicht befrembden lassen, und auch nicht mit ihnen, sondern nur allein mit ihm reden, und thun, was er ihn heissen würde.

Also traten sie zum Schloß hinein, und führete ihn sein Vorgänger in einen[331] grossen schönen Saal; allwo ein Fürst mit den Seinigen an der Taffel saß; sie stunden für dem Herrn Albrecht alle auf, bewillkommeten ihn gleichsam mit ehrerbietiger Neigung ihrer Häupter, und setzten sich hernach wieder nieder, gleich als ob sie mit einander speiseten, ässen und trüncken: Herr Albrecht blieb stehen, hielt sein Schwerdt in der Hand, und wolte dasselbe durchaus nicht von sich legen noch aus der Hand lassen, betrachtete aber unterdessen mit Verwunderung das Wunderkünstliche silberne Tafel-Geschirr, darinnen die Speisen auf- und hernach wieder abgetragen worden, samt allem andern Tafel-Silber: wiewohl solches alles mit Stillschweiger geschahe; der Herr und seine Hof-Leute assen jedweder für sich selbsten, und bekümmerten sich um ihn nichts. Nachdem er alles also genugsam angeschauet; erinnerte ihn der, welcher ihn hatte dahin geführet, er solte dem Herrn und dessen Ministern einen Reverentz machen und sich für ihnen bücken, denn er wolle ihn nun wieder hinaus führen: wie er nun solches thät, stunden der Herr und dessen Hof-Bediente wiederum höflich auf, und neigeten gleichfalls ihre Häupter zu ihm. Hernach ward er wieder von dannen zu der Schloß-Pforten hinaus geführet: da stellten ihm diejenige, welche bisher sein Pferdt gehalten, dasselbige wieder zu; legeten[332] ihm aber darbey ein Stillschweigen auf, und kehreten wieder mit Stillschweigen in das Schloß zurück. Da gürtete er sein Schwerdt wieder an, und ward von seinem Gefähr den durch den vorigen Weg wieder nach dem Stromberger Wald hinein begleitet.

Er fragete hierauf denselben, was doch dieses für ein Schloß, und wer dessen Einwohner wären, die da selbst gesessen und an der Taffel gespeiset hätten? Der Geist gab zur Antwort: Der Herr / welchen du gesehen / ist deines Vatern Bruder gewest / ein gottsfürchtiger Mann / welcher vielmahls wider die Unglaubigen gefochten. Ich aber und die andern / welche du sahest / waren bey Leibs-Leben seine Bediente / und müssen nun unaussprechlich-harte Pein leiden. Er hat in seinem Leben seine Unterthanen mit harten Auflagen sehr gedruckt / und solches Geld wider die Unglaubigen im Krieg angewendet. Wir andern alle aber haben ihm darzu Rath und Anschläge gegeben /und werden itzo / um solcher Ungerechtigkeit willen / hart gestrafft / so lange es GOtt wird gefallen. Dieses ist dir / deiner guten Meriten wegen /[333] geoffenbahret / damit du für solchen und dergleichen Dingen dich hüten und dein Leben bessern mögest. Siehe / das ist der Weg / welcher dich wieder durch den Wald an deinen vorigen Ort bringet: doch kanst du zuvor noch einst wieder zurück kehren / auf daß du sehest / in was für Elend und Jammer sich daselbst die vorige Glückseligkeit verkehrt habe. Diß gesaget, ist der Geist verschwunden.


Hierauf kehrete Graf Albrecht noch einmahl zurück, nach dem Schloß, da ihn der Geist hinein geführet hätte; Siehe! da war alles mit einander zu Feuer, Pech und Schwefel worden, davon ihm der Gestanck gar starck in die Nase gieng: daneben hörete er ein jämmerliches Geschrey, Weheklagen und Lamentiren; worüber er sich dermassen entsetzete, daß ihm die Haar empor stiegen; Derohalben wendete er sein Pferdt, und ritte des Weges zu Hertzog Friederich, und dem Grafen Erhinger, denen er verändert und verstellet vorkame, daß sie ihn so bald nicht erkennen konten: denn ob er gleich noch jung von Jahren, hatte ihm doch der grosse Schröcken und Bestürtzung die Gestalt eines eißgrauen alten Mannes angebildet: im Ansehen ihme sein Haar und Bart Schneeweiß geworden. Sie verwunderten sich[334] darüber höchlichen, noch vielmehr als er ihnen alles, was ihm begegnet, erzehlete: nemlich die Erblickung des grossen Hirschens, die Erscheinung des Geistes und Schlosses: und wie sie alle darüber erschracken, so kehreten sie wiederum nach Magenheim.

Hierauf bate Herr Albrecht den Graf Erhinger, daß er ihm möge erlauben, in seinem Gebiet, an dem Ort, da solches geschehen, eine Kirche zu bauen: welches ihm gern verstattet wurde, die ihm auch mit Rath und Beysteuer an Handen gangen, und also an solchem Ort ein Frauen-Kloster aufgerichtet, und GOtt stets daselbst gedienet worden. Zu welchem Bau auch Hertzog Friedrich Hülffe verheissen, damit solcher Bau je eher je besser seinen Fortgang gewinnen möchte, welches auch erfüllet, und gewisse Gefälle darzu verordnet worden. Angeführter Speidelius schreibt: Man saget, diese Geschicht soll sich unter Regierung Kayser Lotharii des II. im Jahr Christi 1134. begeben haben. Der Ritter Conrad von Moßbach, Groß-Hofmeister des Landgrafen Wilhelms und andere haben sie in einem alten Buch gelesen. Man lässet den Urheber oder Verfasser dieses Gesichts für die Gewißheit desselben stehen; und so es eine wahrhaffte Geschicht seyn solte, den geneigten Leser darüber urtheilen.[335]

Unter dergleichen Geister-Bancketen fället nachbeschriebene etwas wahrscheinlicher zu seyn.2 Als Fridericus III. König in Dännemarck und Norwegen /eine öffentliche Zusammenkunfft nach Flenßburg ausgeschrieben, welcher auch der nunmehro selig-ruhende König durch seine Gegenwart einen Glantz gegeben. Als nun unter andern Edel-Leuten auch einer dahin reisete, welchen man schier unter die Ruchlosen zehlete, der weder Teuffel noch Gespenst glaubete: dergleichen Leute es itzo noch viel gibt, die ein Gespött daraus treiben. Dieser Edelmann langete so spät an, daß er kein bequem Logiament mehr für sich ledig finden konte. Endlich kame er in ein Hauß, da ihm der Wirth aufrichtig bedeutete, wie alle seine Zimmer besetzt wären, ausser ein eintziges, darinnen er ihm aber zu logiren selbst nicht rathen möchte, weil ein Ungeheuer in solchem gewaltig rumorete, und ihn leicht, durch überkommenden Schröcken, ein Unheil anwandeln möchte. Der Edelmann aber gab seinen unerschrockenen Muth lächlend zu verstehen, wie er für dergleichen Mährlein keine Furcht hätte; sondern begehrte nur ein Licht, welches er auf den Tisch stellete, und gantz allein da sitzen blieb, um sich dessen desto gewisser mit wachenden Augen zu versichern, daß er nichts gesehen hatte, oder, im Fall sich ja etwas sehen liesse, er beym Licht erkennen könte, ob es nicht[336] etwa ein gemacht, oder ertichtetes Gespenst wäre, und dasselbe fein beleuchten möchte.


Der Wirth willfahrete ihm, ließ ihm Licht genug, und wünschete ihm bey seiner Vermessenheit eine geruhige Nacht, in Meynung, dieser freche und kühne Gast müsse gewiß ein Schweiß-Baad vonnöthen haben, welches er in diesem Zimmer gewiß gar wohlfeil erhalten könnte. Es fehlete auch nicht, und war die Nacht noch nicht gar halb passirt; als sich nach und nach etwas im Saal anfing immer stärcker zu rühren, und ein Getöse über das ander hören ließ: welches aber sein gefasseter Muth zu überhärten, und wider den anschaurenden Schröcken sich männlich zu halten bestrebete. Unterdessen vergrösserte sich das Geräusche, und machete ihm gleichfalls auch mit der Zeit, vor Furcht, seine Haut gleichsam rauschen, wie ein Aspen-Laub, wie sehr er auch sich selbst zu stärcken bemühet war. Nach einem ziemlich langen Vorspiel, Gepolter und Getümmel, kam durch den Camin, welches im Zimmer war, bald ein Bein, bald ein Arm, hernach der Bauch, Brust, und endlich der Kopf herab, und wurde aus solchen Theilen geschwind ein gantzer menschlicher Cörper, in Gestalt eines Laquayens zusammen gesetzt. Hernach fielen immer mehr und mehr nach einander herab, welches alles[337] der Edelmann mit erstarreten Augen anschauete. Bis zuletzt die Thür des Zimmers aufgehet und der helle Hauffen einer völligen Königlichen Hofstatt hereingehet.


So bald hatte derselbe sich nicht zu dem Tisch genahet, als unser zitterender Edelmann sich von seinem Ort wegmachete, und mit aller seiner Resolution hinter den Ofen retirirte: weil er von denen im Weg stehenden menschlich-gelarvten Gespenstern zur Thür nicht hinaus konte. Er sahe, wie man im Augenblick die Taffel deckete, und voller Königliche Tractamenten anhäuffete, auch mit vielen silber- und güldenen Trinck-Geschirren besetzete.


Wiewohl er nun, unter diesen verdächtigen Geistern, ein Gast mit zu seyn, schlechten Appetit hatte, kame doch bald einer, und begehrte an ihn, er solte, als ein Gast und Frembdling mit zur Taffel sitzen und vorlieb nehmen. Weil er aber sich weigerte, ward ihm ein grosser silberner Becher dargereichet, um denselben auf Gesundheit resolut Bescheid zu thun: der gute Edelmann, welcher nunmehr starck glaubete, daß es Gespenster gebe, und vor grosser Bestürtzung und Grausen nicht wuste, was er thun solte, nahme zwar das Trinck-Geschirr an, zumahlen, weil es schien, als ob man ihn nöthigen würde, weil ihm aber,[338] ehe denn er ansetzete, ein erschröcklich Grausen ankame, fing er an in solcher Angst und Furcht GOtt um Schutz und Schirm anzuruffen. Sobald er aber solches Gebet kaum verrichtet, war im Augenblick aller Pracht, Geplärr und das gantze Bancket, mit allen herrlich-scheinenden und stoltzen Geistern verschwunden.

Ob nun gleich aus seinen Augen die gantze Hofstatt und alle Speisen im Augenblick entrissen waren, verbliebe doch dem Edelmann der ihm gereichete silberne Becher in der Hand, nebst allem andern Silber-Geschirr, so auf die Taffel kommen war, benebst dem einigen Licht, welches ihm der Wirth aufgestellet hatte: Der Edelmann bildete ihm ein, daß nunmehr alles solch Silber-Geschirr ihm zugehörete, und nahm es auch zu Handen, in Meinung, es für sich zu behalten, der Wirth aber wolte ihm solches nicht gestatten, da indessen der Verlauff für den König kam, derselbe aber liesse alles zu seinen Handen nehmen, unter dem Titul: daß es solche Sachen, so der höchsten Landes-Obrigkeit heimgefallen wären. Ob wohl der Edelmann einen rechtlichen Anspruch darauf zu haben vermeinete, als einen solchen Hund, den GOTT ihm, für seine ausgestandene Todes-Angst und Lebens-Gefahr,[339] hätte zu Theil werden lassen; Liesse doch der König die Frage deßwegen an unterschiedene Juristen-Facultäten gelangen, von welchen es aber einhelliglich dem König allein zugesprochen worden.


Wo solch Silber-Werck eigentlich herkommen, hat man nicht erfahren können, dieweil auf solchen nichts, wie sonst gewöhnlich, von Wappen oder Nahmen gestochen gewesen. Indessen hat der Edelmann glauben lernen, daß gewiß Teuffel und Gespenster seyn. Hat auch sich mit dem rechtlichen Ausspruch vergnügen lassen müssen, daß solches der König zu seinen Handen nehmen lassen, vermuthlich ist solches ein vergrabener Schatz gewesen, und hat solchen der Edelmann im Schweiß seines Angesichts nicht gegraben, ist auch von ihm nur ohngefehr erblickt, darzu nicht in seinem, sondern in dem Wirths-Hause gefunden worden. Vid. Francisc. Höllischen Protheus pag. m. 426.


Daß nun solche gefundene Schätze der hohen Lands-Obrigkeit heimfallen und zugesprochen werden, hat ein Teutscher armer von aller zeitlichen Hülff entblösseter frommer Studiosus juris zu seinem Vortheil gar fleißig beobachtet:3[340] Denn als selbiger nach geendetem 30. jährigen Kriege gen Straßburg reisen und daselbst famuliren oder andere Dienste zu seinem Unterhalt suchen wollen: übereilet ihn im Elsas ein starckes Donner-Wetter, welchem es nicht entfliehen können, als daß er ein alt zerstöhrt Schloß auf einer ziemlichen Höhe erblicket, weil er aber vermeynet, daß etwa neben solchem sich Leute aufhalten möchten, eilet er, dem Wetter zu entgehen, nach solchem zu, findet aber nichts, da er sich für dem Regen ins Trockne salviren können, als in dem alten Gemäuer einen verfallenen Saal, welcher noch an einem Ort bedecket, worunter er für dem Regen geschirmet ware, dahin setzete er sich, von Kälte, Hunger und Durst geplaget und ließ das lang anhaltende Donnern und Blitzen, sammt grausamen Regnen, um sich herum spielen: dieweil aber inzwischen die Nacht heran ruckete, muste er sich entschliessen, seine Nachtherberge in diesem alten Gemäuer auf den Steinhauffen aufzuschlagen, und daselbst den morgenden Tag zu erwarten: als es nun finster zu werden beginnet, überfiel diesen armen Reisenden, wegen ohnedem grosser Müdigkeit, ein angenehmer natürlicher Schlaff, der etwa bis um Mitternacht angehalten hatte: und als solcher eine weile gewachet, siehet er 3. wohlgekleidete[341] Herrn-Diener in rother Lieberey mit Schnüren kommen, welche in den alten Saal, der eine 2. brennende Lichter von weissem Wachs, und die andern zwey eine Tafel getragen brachten, und dieselbe in die Mitte des Saals stelleten: zween giengen ihres Weges, der dritt aber kam zu dem voller Schröcken, Zittern und Angst befallenen armen Studenten, und sagte zu ihm: Fürchte dich nicht / es wird dir kein Leyds widerfahren / aber, wann du siehest die Herrschafft in den Saal treten, so bleibe allhier an deinem Ort still stehen, und wer dich auch fragen wird, was du allhier machest; oder wer du bist, so gib kein einiges Wort zur Antwort, und schweige Mause-stille: so es vonnöthen seyn wird, will ich schon für dich die Antwort ertheile: Mitlerweile kommen die vorige beyde Diener wieder, und tragen einen grossen Korb mit Tafel-Geschirr, decken den Tisch, besetzen solchen mit dem schönsten Servis von Silber, mit doppelten Teilern, Handvassel oder Lavor und Saltz-Büchslein, samt schönen Leuchtern und zwar keine Servietten: Uber eine kleine Weile vernimmet der beängstigte Student, wie er ein paar Heer-Paucken schlagen hörete, darauf tritt ein ansehnlicher Herr in Gold und Sammet bekleidet in den Saal, deme folgeten noch 18. fürnehme Krieges-Officirer in schönster[342] Monture.4 Diesen folgeten so viel Laquayen und Bediente, daß der gantze Saal damit angefüllet worden. Endlichen wurden auch Speisen aufgetragen, und bedünckte den Studenten, als ob solche tapffer essen und trincken möchten. Endlich siehet sich der Fürnehmste im Saal umher, und ersiehet den Frembden, ruffet ihm, er soll näher herbey tretten: welchen dann der erst-gedachte Diener herzu hohlete, und an des Studenten Stelle seinem Herrn alles Fragen, als wer und was er wäre, wie er an den Ort kommen, und wohin er wolle, beantwortete, darauf hieß er ihn wieder an seinen Ort gehen: Und als beynahe eine Stund verflossen, stehet der Herr wieder von der Taffel auf, samt aller Gesellschafft; und gesamte Diener waren so geschwind als ein Blitz alle zum Zimmer hinaus, dann folgeten die übrige, so an der Tafel gespeiset hatten, und zuletzt gieng auch der Fürnehmste, allwo der Studiosus abermahl die Heer-Paucken schlagen hörete: worauf im momento alles stockfinster in dem alten Gemäuer worden, und der Himmel oder die Wolcken waren auch so dick vom vorigen Regen, daß nicht das geringste zu erkennen war. Inmittelst befahl sich der arme Mensch in den Schirm GOttes, und fiel abermahl auf seinem harten Stein-Hauffen in einen angenehmen Schlaff, erwachete[343] auch nicht wieder, bis die Sonne das alte Gemäuer gantz erleuchtet hatte: als er nun den Schlaff aus seinen Augen gewischet, und sich umsahe, fande er alles in der Nacht auf die Tafel gestellete Silber- Geschirr auf der Erde hin und wieder zerstreuet liegen. Furcht, Schröcken und Freude aber wolten ihn keine Entschliessung, was er allda machen solte, fassen lassen, doch gehet er zum Gemäuer hinaus, siehet aber nichts um und bey sich als alte Gemäuer, und Dorn-Hecken, welche herum gewachsen waren: Endlich entschliesset er sich allhier gute Beute zu machen, wohl wissende, wann er von solchem hinterlassenen Silber-Schatz jemand etwas offenbarete, daß er wenig oder nichts davon bekommen würde: derowegen suchete er alles, so viel möglich, zu verbergen, und verstecket alles Silber-Geschirr unter den Stein-Hauffen, daß niemand davon etwas gewahr werden konte, nimmet aber die 2. ledige Saltz-Fässer zu sich, und gehet damit in die näheste Stadt, verkauffet solche an einen Goldschmied, und als er Geld in Handen bekommen, kaufft er sich einen alten Mantel, sammt einem Zwerch-Sack, und dinget ihm in dem Städtlein eine Kammer bey einer armen Wittib, und gibt vor, wie er Kinder informiren wolte, zahlet ihr auch das Mieth-Geld für Bett und Kammer voraus, und nimmet den Schlüssel zu sich; nachgehends[344] gehet er wieder in aller Stille nach dem alten Schloß, und findet solch Silber-Geschirr unverruckt, steckt so viel zu sich, als er vermeynet, daß er in der Stille fortbringen könne, bis er 4. Dutzend silberne Teller, 18. silberne Schüsseln, 4. Gesteck verguldte silberne Becher, 3. schöne Leuchter, sammt Löffeln und Messern, alles nach und nach in seine Cammer practicirt, welches er hernach in einen ziemlichen Couffre eingepacket nach Straßburg führen lassen, und mit grosser Klugheit und Nutzen zu baarem Gelde machen können. Als er nun dergestalten aus seinen gefundenen Silber-Schätzen bey 2000. Reichs-Thaler baar Geld in guten Ducaten zusammen bracht, gehet er gen Hagenau, und lebet sehr sparsam damit, wohl wissende, daß ihm dergleichen Fund nicht mehr unter Handen kommen werde. Nach Verlauff einiger Zeit verheyrathet er sich an eine schöne, junge, wohlhabige Wittib, welche sich der Wirthschafft bedienet, und lebet mit derselben in vergnügtem Wohlstand. Endlich aber reiset ein fürnehmer Fürstlicher Rath, und begibt sich, daß solcher eben zu Hagenau in seinem Wirths-Hauß einkehret: und da solcher des Wirths Nahmen nennen höret, forschet er auch, wo dessen Heymath sey, und wie er wäre in diese Stadt kommen; als er von allem benachrichtiget, gibt er sich zu erkennen, daß er vor diesem mit ihm studirt, in einer Stadt[345] zu Hause, und nahe Verwandte miteinander wären: solchem hat der Wirth sich vertrauet, ihme den gantzen Handel erzehlet, wie er zu solchen Mitteln gekommen, welcher es hernach, gleich es allhier beschrieben, bekandt gemachet, und dabey erinnert, daß solch Königlich Servies Silber 233. Marck an Gewicht, und die Marck zu 16. fl. ge rechnet, 4728. fl. an Geld ertragen hätte, welches alles dieser arme Student durch seine Klugheit conservirt und ruhig in Besitz erhalten hat.

Marginalien

1 I. Geschicht.


2 II. Geschicht.


3 III. Geschicht.


4 Ein armer Student siehet ein groß Bancket der Geister / und wird reich davon.


Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 329-346.
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