XXVII. Vom wütenden Heer.

[373] Was von dem wütenden Heer vor alten Zeiten gesaget worden, und was solches vor eine teufflische Spückniß, davon ist, GOtt lob! unter dem gemeinen Volck nicht vielmehr bekannt, und hat solches seine Endschafft erreichet, sobald die Evangelisch-Lutherische Lehre ihren Anfang genommen. Dessen Erscheinung ist vormahl in folgender Gestalt bemercket worden: Gemeiniglich zu heiligen Zeiten, sonderlich vor dem heiligen Christ-Fest / hat sich auf dem Land in unterschiedenen Bauer-Höfen ein groß Getümmel mit Trommeln und Pfeiffen um die Mitternacht-Stunde hören lassen, da ist dann, im Angesicht vieler Leute, eine gantze Schaar Geister anmarchiret kommen, welche durch den Bauren-Hof gezogen, aber niemand einiges Leid zugefüget, und hat mir in Sachsen-Land noch ein alter Bauer erzehlet, daß, da solches Heer ankommen, sein Knecht[373] aber nicht entfliehen können, habe er sich unter eine grosse Bütte gesteckt, solche aber sey ihm über den Kopff gestürtzt worden, und hätte ihm anders nichts geschadet, als daß er davon einen grossen Schröcken ausgestanden. In der Eydgenoßschafft lieget in der Grafschafft Sarganz die Herrschafft Warthau, welche allesammt in eine Kirche, reformirter Religion, gehen, auch alle Todte auf derselben Kirchhoff begraben, daselbst geschiehet es noch zum öfftern, daß sich ein solches wütend Heer mercken lässet, und denen Leuten bey heiterm Tage, sonderlich um die Mittags-Stunde, auf dem Kirchwege, in einer holen Strasse, eine solche Procession, jedoch in aller Stille, begegnet, welche öffters einen bedeckten mit Ochsen bespanneten Wagen vor sich her treiben, der mit einem schwartzen Tuch bekleidet ist, in eben solcher Form, als wie die Leute dieses Ortes ihre Todten zu Grab begleiten. Wann solches hernach bis an die Kirchhoffs-Mauer kommet, so verschwindet alles im Augenblick, und diese Geister-Procession lässet sich gemeiniglich sehen, wann ein Mann in der Herrschafft, so ein wenig in Consideration ist, sterben soll. Obzwar die Reformirten von solchen Geistern und derer sichtbaren Erscheinung, wenig glauben wollen, so hat es dannoch die Erfahrung in gedachter Herrschafft vielen belernet, und also glaubend gemachet, daß sie solches andern Leuten[374] als eine pure Wahrheit aufbürden. Wir wollen allhier mit anführen, was Frasm. Francisci in seinem höllischen Proteo von dieser Materie berichtet in folgendem: Das wütende Heer (schreibt er) wird von manchen für den gespenstischen Aufzug des sogenannten treuen Eckards verstanden; insgemein aber meynet man heutiges Tages damit das Jagd-Geschrey und Gebelle der Hunde, so der Teuffel manchesmahl bey der Nacht in den Wäldern anrichtet, und von Reisenden vielfältig gehöret wird. Und in dieser letzten Bedeutung ist es zu nehmen, was ich itzo erzehle.

Aus gutem Grund wird der böse Feind in heiliger Schrifft einem Jäger und Vogelbeytzer verglichen, der dem Wind und Geflügel Strick und Garn leget. Seine Versuchungen sind Netze und Lock-Körner, womit er die unfürsichtige Seelen zu fahen bemühet ist, und wie ein unverdrossener Jäger weder Hitze noch Kälte scheuet, sondern Tag und Nacht dem Wilde nachstellet, auch, ob er gleich etlichmahl mit ledigem Garn heimkehren muß, dennoch bald wieder kommet, dem Fange oblieget und lauschet: also, wann gleich der geistische Jäger bisweilen mit seinen Pfeilen einen Blossen schießt, und fehl zielet, und seine aufgespannete Strick nichts als leeren Wind fahen, wird doch seine Unverdrossenheit dadurch nicht abgeschröcket, sondern vielmehr ermuntert: seine gefährliche[375] Jagd-Lust und Fang-Begierde nicht abgekühlet, sondern allererst heisser entzündet. Die Lufftstreiche sind seines Hirschfängers Wetzsteine, darauf sie nur geschärfft werden. Dahero der Mensch, die gejagete Hindin, immerdar auf alle ihre Tritte sehen muß, daß er den Schlichen dieses unermüdeten Jagers nicht zum Raub werde, und dem Zeitlichen nicht so sehr nachjagen, damit er nicht erjaget noch gefangen werde, der die Sicheren am meisten berucket.

Ausser solcher unsicheren Jägerey aber, stellet der böse Geist auch manchesmahl eine sichtbare Jägerey, oder vielmehr ein Affen-Spiel der Jagd an, den Leuten entweder zum Spott oder Schröcken; oder auch, daß er sie, zumahl wann er sich in eines Verstorbenen Gestalt darbey sehen läßt, mit falscher Einbildung, es seye der Verstorbene selbst, der also in den Wäldern herum gehe und jage, betrüge. Wie dann vor diesem die Dännemarcker geglaubt, der Geist ihres ruchlosen Königs Abel ritte in den Wildnissen und einiger anderer Orten, auf der Jagd sichtbarlich herum, da es doch ein pur-lauterer Aufzug des Teuffels gewesen. Man versichert, daß er auch wohl manchmahl etlicher annoch lebenden Personen Gestalt und Wesen zu jagen gar lebhafft vorstelle.

In meiner Jugend ward solches, in einem gewissen Lande, von einem hochbegüterten alten Cavallier /der seinen[376] Unterthanen sehr übel, unchristlich und tyrannisch, mitzufahren pflag, gar starck geredet: nemlich, daß man, da er noch lebete, gar offt in den Wäldern sein Ebenbild erblicket, darneben auch seine Stimme gantz känntlich schreyen hörete.1 Ob der blosse und allgemeine Haß seiner Wüte, oder die Wahrheit solches Gerücht ihm erwecket habe, kan ich nicht wissen: so viel aber ist meinem Gedächtniß noch bekannt, daß er über die masse gern zu jagen, und die armen leibeigene Leut damit genug abzumatten pflegete. Wann sie aber aus Ungedult, davon in andere Länder fliehen wolten, und durch seine Nachsetzung wieder erhaschet worden, wurden solche von ihm übel tractiret.

Es sey nun gleich solche gespensterische Erscheinung seiner Person auf der Jagd ein Geschicht oder Geticht, so glaubet man doch gar gern, daß GOtt dergleichen Fürstellung dem Satan offtmahl zulasse, solchen Leuten zu Spott, die ihr Hertze mit dem Jäger-Netze gantz verstrickt, hingegen das Band der Liebe, gegen ihren geplagten Unterthanen, gäntzlich zerrissen; den Wald mehr als den Himmel verlanget, ein Wild höher als GOtt und sein Wort geschätzt haben. Von einem dergleichen Jagd-ergebenen Edelmann erzehlet Johann Rist mit folgendem:

Ein Edelmann / welcher bey guten gesunden Tagen der Jägerey, mit gröster[377] Beschwerde seiner armen Unterthanen, ergeben gewesen, kame endlich durch grosse Kranckheit so weit, daß jederman an seiner Aufkunfft und fernerem Leben zweifflete.2 Als er aber fast an seinem Ende von seinem Seelsorger ermahnet worden, sich mit dem geistlichen Zehr-Pfennig des Heil. Nachmahls zu versehen, und sich GOtt durch ein bußfertiges Gebet zu empfehlen, hat er auf sein gut Hollsteinisch geantwortet: Ja / ja / dat kümt noch wol! (Es sey noch gute Zeit damit) hingegen hat man ihm noch alle seine Jagd-Hunde in das Zimmer hohlen müssen; und nachdem dieselbe ihrer Weise nach, ein grosses Jagd-Geheul und Gebell angefangen, hat er mit gefaltenen Händen, seines Theils gar beweglich, an Seiten der Umstehenden aber gantz lächerlich, gesprochen: O du lewe GOtt! welck ein arm verlaten Hüpken hinterlat ick! (Ach du lieber GOtt! welch ein arm verlassenes Häufflein hinterlaß ich!) und also mehr für seine Hunde, als für seine arme Seel, Weib und Kinder gesorget. Von dergleichen Jagd-ergebenen ruchlosen Personen, ist die Rechnung leicht zu machen, daß der Teuffel nach ihrem Tod, ihr Gedächtniß in den Wäldern offt begehe; ihre Gestalt und Jagd-Manier nachäffe, und die Leut dadurch erschröcke.

Es lieget ein paar Meilen von hiesiger Stadt ein grosses Dorff, und allernächst[378] daran ein Wald, daselbst muste ich einsmahls auf der Reise im Wirths-Hause übernachten, als ich nun nach dem Abend-Essen, mich ungefehr um halb zehen Uhr, schier zur Ruhe legen wolte, und mit meinem Reise-Gespan am Fenster stunde, erhub sich in dem Walde ein überaus lautes Jagd-Geschrey, Gebell der Hunde und anders Getümmel, nicht anders als ob man im vollen Hetzen begriffen wäre:3 und solcher Jagd-Lermen währete schier eine halbe Stunde; schallete bald lauter, bald gelinder, bald näher, bald weiter; bis er sich endlich tieff in den Wald hinein zu ziehen und zu verliehren schien. Ob es hernach, da ich allbereit schlieff, nicht wieder angefangen, kan ich nicht wissen. Des Morgens berichtete uns der Wirth, daß es um den Neu-Mond, der damahls eben im Eintritt war, allzeit sich also hören liesse. Diesemnach glaub ich seit dem nun so viel desto leichter, was der Theologus D. Müller /in seinem Informatorio gedenckt: Daß ein Fürstl. Mecklenburgischer Secretarius ihm erzehlt, er hätte sich einsmahls im Wald dergestalt verirret, daß ihn die Nacht daselbst befallen, und sich bald hernach ein grosses grauerisches Geräusch und erschröckliches Getümmel, als gleichsam eine starcke Jagd von weitem hören lassen, weswegen er eilends abgestiegen, sein Pferd an einen Baum gebunden,[379] unter dem nechst darbey stehenden Baum sich auf die Erde geleget, und in seinen Reise-Mantel gewickelt: da dann endlich das sogenannte wütende Heer, näher gekommen, mit einem entsetzlichen Jagd-Getöse, Gehetze und Geheule, hart neben ihm vorbey getrabet, ohne einige Berührung und Verletzung seiner Person.


Allhier wollen wir noch einige Jagd-Geschicht anführen:4 König Heinrich der Vierdte / welcher ein grosser Liebhaber des Jagens war, zuweilen aber die Masse darinn zu weit überschritte, daß ihm endlich diese Abentheuer begegnete. Er hatte einsmahls in dem Forst bey Fontaineblau, eine Jagd angestellet; als er einen Hauffen Hunde bellen, auch darbey das Jäger-Horn schallen, viel Leute ruffen und schreyen hörete; Allerdings, wie es zugehet, wann man dem aufgetriebenen Wilde nachsetztet: Solches lautete zwar Anfangs, als obs noch ziemlich ferne und ungefehr eine halbe Frantzösische Meile weit, von ihm wäre, es kame aber in einer Minuten gar nahe. Dieses begunte den König zu verdriessen, daß sich jemand erkühnen dürffte, ihm seine Lust zu zerstöhren, in einer solchen Gegend, die den Königen in Franckreich allein zu ihrer Ergötzlichkeit vorbehalten wird; schickete derohalber den Grafen von Soisson hin, nebst etlichen andern, um solche kühne Jäger[380] aufzusuchen; derselbe ritte mit seinen Gefährden fort, konten aber nichts antreffen: Sie höreten zwar alle das Geschrey, und das Getöse, bekommen aber weder Menschen noch Hund ins Gesicht, können auch keinen gewissen Ort finden, da das Geschrey sich hören lassen. Nachdem sie also eine gute Weile sich vergebens bemühet hatten, tritt aus dicken und finstern Hecken, ein langer schwartzer Mann hervor, und redet sie an; was er sagete, konten sie, vor Bestürtzung eigentlich nicht verstehen; Etlichen dauchte, als ob er spräche: M'attendez vous? Wartet ihr auf mich? etlichen, als sagete er: M'entendez vous? Verstehet ihr mich / oder wisset ihr / wer ich sey / und was ich hiemit sagen wolle? Andern aber kame es, und zwar am glaublichsten vor, als spräche er: Amendez vous! bessert euch! Weil, nach solcher redenden Stimme, das Gespenst gleich verschwand, fanden sie nicht rathsam, weiter fortzureisen. Nachmahls befragete man die Schäffer, Köhler und andere Arbeits-Leute, welche sich in diesem Wald gemeiniglich aufhielten, und vernahm von ihnen so viel Bericht, daß sie offt einen schwartzen Mann gesehen, der mit Hunden aufgezogen käme, gleich ob er jagen wolte, doch ihnen gleichwohl kein Leyd thäte; und von ihnen[381] der grosse oder lange Jäger genannt würde.

Von einem vormahligen Marggrafen zu Brandenburg / schreibt man:5 Daß er der Jagd allzusehr nachgejaget, und mehr einen Jägermeister als einen Regenten abgegeben; als er aber einmahls einem wilden Schwein sehr inständig und eifrig nachgeeilet, habe er sich darüber in dem Wald verirret, also, daß er sich von seinen Jagd-Leuten und Dienern verlohren; und als er des Nachts über in der Wildniß sein Quartier nehmen müssen, je weiter er nun geritten, je finsterer ist es ihm für den Augen worden; weil nun bey solcher finstern Nacht sehr übel fortzukommen, und in solchem Wald leichtlich mit dem Pferd hätte stürtzen können, und also seine gesunde Glieder, oder gar das Leben in Gefahr setzen müssen, ist er abgestiegen, und hat sich unter einen Baum niedergesetzet.

Wie graußlich bey solcher Entfernung von allen Menschen einem solchen Herrn, der sonst mit so viel Dienern umgeben, ihme der Ort bey so häßlich-schwartzer und unleutseliger Nacht vorgekommen, ist leicht zu ermessen. Noch gleichwohl wäre dieser Herr damahls lieber in seiner Einsamkeit allein gewesen, als sich von einer höchst-verdrießlichen und unmenschlichen Gesellschafft umschränckt gesehen. Dann[382] es hatte nicht lange angestanden, da hatte der höllische Nacht-Affe, der Teuffel, für seinen Ohren gleichfalls ein Jagd-Gehetze angestellet, und ist also der arme Marggraff, von allerley teufflischen Gespenstern gantz grausamlich angefochten und geplaget worden: darum, daß er die armen Unterthanen, mit seiner unmäßigen Jägerey, gar zu unbarmhertzig mitgenommen, und zu schanden gebracht: Daher er dann daselbst auch ein ziemlich Schweiß-Bad ausstehen müssen, daß Fürsten und Herrn, wann sie in ihrem Beruff stehen, auch lernen müssen, in solchem, als Göttlichen Statthaltern gemäß, zu wandeln; damit solche der Satan selbst scheuen und fürchten müsse. Es hat aber dieser Fürst, nachdem er solche Jäger- und Schröck-Geister um sich gehabt, ihme solches zu einer guten Correction dienen lassen, und sich die Jagd-Sucht nechsthin nicht mehr so sehr einnehmen lassen.

Hildebrand in seiner Magia naturali beschreibet pag. 33. eine wunderbarliche Historie, welche Doctor Antonius, aus dem Vincentio Belluacensi im 26. Buch seiner Historien p. 2. sum. Histor. tit. 16. cap. 7. §. 4. von der Veneris Bildniß, aus welchem Kornmann dieselbe gezogen, welche einem wüthenden Heer fast gleich, als nemlichen:6 Zu den Zeiten Kayser Heinrichs des Dritten / ward[383] zu Rom ein adelicher und reicher Jüngling, so da neulicher Zeit ein Weib genommen, der empfing seine gute Gesellen mit einem stattlichen Hochzeit-Mahl: nach dem Mittags-Essen sind sie aufgestanden, hinaus gangen mit dem Ballen, um sich zu erlustigen, der Bräutigam, als Führer des Spiels, fordert einen Ballen, und damit ihm sein Trau- und Braut-Ring nicht ausfiele, hat er ihm, dem Bild Veneris, so nicht weit von dannen stunde, an den Finger gesteckt.

Als sie nun allda auf den Bräutigam zugeworffen, ist er bald ermüdet, von dem Spiel abgestanden, und zu dem Bildniß gegangen, seinen Ring allda wieder zu nehmen. Was geschicht: Er findet den Finger, der sonst gantz strack und gerade gestanden, in die Hand eingekrümmet, und wie sehr er sich auch unternommen, den Ring wieder zu nehmen, hat er doch den Finger nicht biegen, und den Ring mit Gewalt abziehen können; kehret aber wieder zu seinen Gesellen, und saget ihnen nichts davon. Gegen Mitternacht ist er mit seinen Dienern zu dem Bildniß gegangen, und findet an demselben, wie am Anfang, den Finger wieder gerad ausgestreckt, aber ohne dem Ring: und als er seinen Verlust andern erzehlet, fügete er sich nach Hause zu seiner Braut; als er aber das Braut-Bett beschritten, und sich seiner Braut nahen wollen, verspührete er eine[384] Verhinderung, und fühlet, daß etwas nebelichtes und dickers, zwischen ihm und dem Leibe seiner Braut sich wältzete, konte aber nichts sehen, wurde aber durch diese Verhinderniß von der Braut in ehelichen Verrichtungen abgehalten; hörete auch eine Stimme, sagende: Schlaff bey mir / weil du dich heut mit mir vermählet hast. Ich bin die Venus, der du heut deinen Ring an ihren Finger gesteckt hast, und ich will dir denselben nicht wiedergeben. Durch solch Wunderwerck ist der Jüngling erschrocken, daß er kein Wort zu reden vermocht: bringet also diese Nacht ohne Schlaff mit tausenderley Sorgen zu, und sinnet dieser Sache nach; aber, so offt er sich zu seiner Liebsten nahen wolte, so ware ihm obgedachte Hinderniß im Wege, und dieses währete lange Zeit, ungeachtet ihme doch an Kräfften und seiner Mannheit nicht das wenigste benommen ware; endlich ist er durch des jungen Weibs Bitte ermahnet worden, daß er solches Unheil seinen Eltern entdecket hat. Als solche dessen benachrichtiget, gehen sie, nach gepflogenem Rath, zu einem Priester in der Vorstadt, mit Nahmen Palumbo, und wolten sich dessen Hülff bedienen, dann er war ein erfahrner und in bösen Sachen wohlgeübter Schwartz-Künstler. Nachdeme er nun durch gute Geschencke gereitzet, hat er dem Jüngling einen Brief gegeben, und gesaget: Gehe zu der Stund[385] des Nachts auf einen Wegscheid, da vier Wege zusammen gehen, und stehe still, allda werden fürüber gehen Gestalten von beyderley Geschlecht Menschen, allerley Alters und Standes, zu Roß und Fuß, einige frölich, einige traurig, und was du auch hören wirst, solt du dannoch kein Wort sagen oder reden; es wird dem Hauffen ein langer Mann von Statur nachfolgen, dick und feist von Leib, auf einem Wagen sitzende; diesem geb stillschweigend den Brief zu lesen, so wirst du alsbald deiner Bitt gewähret seyn. Der Jüngling thät alles, was er gelehret ward, und hat unter andern allda gesehen ein hurisches Weib, an Tracht und Kleidung, auf einem Maul-Esel reitend, deren Haar am Rucken hinten herab hangende, mit einer güldenen Hauben, und in der Hand eine güldene Ruthe führend, damit sie den Maul-Esel regierete, wegen Zartheit und Durchsichtigkeit der Kleider aber gantz nacket, seine unzüchtige Geberden damit anzeigende. Zuletzt kame der Herr des Hauffens, sahe den Jüngling erschrecklich an, fragete, was er allda für seinem prächtigen Wagen machete, welcher von Smaragden und Perlen herrlich gezieret war; der Jüngling aber gab nicht die geringste Antwort, und reichete ihme mit ausgestreckten Armen den Brief dar. Der Teuffel, so das Siegel wohl kante, und also nicht verachten konte, lase den Brief, und mit aufgehabenen Händen[386] gen Himmel sagende: O! du allmächtiger GOtt / wie lang wilt du zugeben der Boßheit des Priesters Palumbi. Und ohne Verzug schickte er seine Trabanten, so da den Ring von der Venere wieder forderten, worzu die Venus zwar lange nicht willigen wolte, dennoch aber ihn endlich wieder gegeben hat. Also ist der Jüngling seiner Bitt gewähret worden, und hat hernach ohne Hinderniß seiner lang gewünschten Vergnügung, der begehrten Liebe, bey seiner Geliebten theilhafftig werden können. Palumbus, der Priester, aber, nachdem er des Teuffels Schreyen an GOtt vernommen, hat er dadurch verstanden, daß ihm damit sein Ende des Lebens angedeutet worden, und hat ihm derowegen alle Gliedmassen des Leibs selbst abgehauen, und ist also erbärmlich und elendiglich gestorben, nachdem er unerhörte Bubenstück dem Römischen Volck gebeichtet hatte.

Obbedeuteter Hildebrand in seinem Kunst- und Wunder-Buch P. II. p. 132. gibt seine Meinung vom wütenden Heer in folgendem: Nun lasset uns declariren, was da sey das wütende Heer; das ist eine Versammlung aller derer, oder vieler Hexen, Unholden, Hängsten, Zauberern, die zusammen kommen in einem Rath, ihr Geschäfft zu handlen, richten aus, was sie in ihren Häusern nicht[387] mögen zuweg bringen, zu capituliren, zu unterrichten, zu lernen, zu ertragen, zu conspiriren, einzuschreiben, zu bezeichnen, zu huldigen, Gelübniß geben, und was ihre Bündnus in sich hält, aufzurichten, einander zu befehlen, was Unraths sie stifften wollen, auch was ein jeglicher für sich selber auszurichten habe, und also ihr Laster und Hexen-Werck vollenden. etc. Mit dem wütenden Heer, kommen allzusammen, von allen Nationen, führet sie der Teuffel über Stock und Stöcke, Dörffer, Städte, Land, Leute, Berg und Thal, mit grossem Geschrey, erschröcklichem Greuel, führet ihn der Ascendens-Teuffel vor und nach, bis sie kommen auf den Platz, den sie verordnet haben, da genesen sie ihre Kinder, und richten alle ihre Handlung aus. Wiewohl von dem Fahren kein Zweiffel ist; dennoch ist ein anderer Fall, darinn die Weiber betrogen werden: dann es begibt sich offt, daß eine Hexe von ihrem Ascendenten zu fahren begehret, dieweil aber nicht Platz noch Convocation zu derselbigen Zeit fürhanden ist, verstopfft der Ascendent der Hexen Schläffe, hefft ihre Organa auf, senckt einen tieffen Schlaff in sie, lässet ihr das Fahren im Traum fürkommen, daß sie nicht anders wehnet, denn sie fahre dahin, zabelt, schreyet und wütet, wie sie in allen Freuden der Hexen sey. Es ist aber diesem Autori in seiner Meynung nicht[388] allerdings beyzufallen, welches an einem andern Ort mit mehrerm erwartet werden soll.

Marginalien

1 Cavallier jaget noch nach seinem Tode.


2 I. Geschicht.


3 II. Geschicht.


4 III. Geschicht.


5 IV. Geschicht.


6 V. Geschicht.


Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 373-389.
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