III. Von Nixen oder Wasser-Geistern.

[30] So wird unter den gemeinen Leuten viel Sagens und Mährlein von Wasser-Nixen erzehlet, welche solche einfältige Leute auch gantz gewiß glauben und andern wieder erzehlen; es ist aber meistens nur ein erdichtet Wesen, und kein Glaube zuzustellen, wiewohl auch nicht zu läugnen, daß sich böse Geister an- unter- und auf dem Wasser sehen lassen, welche auch Wasser-Männlein und Wasser-Weiblein genennet werden, diese sind es, so wir eigentlich den Nix, in Latein Nixas, heissen.1 Solche Nixen aber gehören eigentlich unter die verdammten Geister, dieweil solche daher nicht unter die Menschen zu zehlen; sintemahl GOtt dem menschlichen Geschlecht den Erdboden zu bewohnen gegeben: zu den guten Engeln kan man sie auch nicht rechnen, denn dieselbe thun den[30] Menschen kein Böses, und machen ihnen kein Schröcken: so find es auch keine Meer-Wunder, weil es denenselben an Verstand und Wissenschafft mangelt, wohl aber ist uns wissend, daß die bösen Geister in der Lufft, im Wasser, im Feuer und auf Erden, theils auch unter der Erden, ihren unruhigen Aufenthalt haben, da sie dann dem Menschen überall nachschleichen um selbigem an seiner Seel oder Leib zu schaden, oder zu ängstigen. Jedoch ist nicht zu schliessen, ob wäre einer sonderbaren Gattung Teuffel das Wasser zu ihrer Wohnung zugeeigenet, als zu einer ihrer Gefängniß. Nein, sondern die Teuffel beziehen alle Elementa, nachdem ihnen ungezweiffelt ihr Obrister Fürst Lucifer Ordre gibt. Daß nun solche Wasser-Gespenster, Leute in Lebens-Gefahr bringen, oder sonst Furcht und Schröcken einjagen, davon werde einige Exempel beybringen, wann vorher etwas von der gemeinen unwissenden Leutlein Fabel-Werck erinnert, damit sie selbst das Gute von dem Falschen unterscheiden können, als:

In Leipzig ist für dem Ranstädter Thor ein Wasser, so die Elster genannt, und allda in die Pleisse fället, in welches bey Sommer-Hitze viel junges Volck zu baden pfleget; solches Wasser aber hat einen betrüglichen Lauff, denn zuweilen hat es eine ungemeine Tieffe, zu Zeiten auch an einigen Orten Sand-Bäncke, sonderlich einen, welcher insgemein das Studenten-Baad[31] genennet wird, von diesem ist die gemeine Sage, daß solches alle Jahr einen Menschen haben müsse, wie dann auch die Wahrheit, daß fast alle Sommer ein Mensch darinn ertrincket, und wird davon geglaubt, als ob der Wasser-Nix einen hinunter drückte, daß er ersauffen müste: allein es hat damit eine gantz andere Beschaffenheit, und verhält sich, wie folget: Wenn junge Leute, welche den Leib vorher sehr erhitzt, sich jähling abkleiden und auf ihr Schwimmen sich verlassende, so schnell ins Wasser springen, so erstarren von des Wassers ungemeinen Kälte die allzuhefftig erhitzte Nerven, und verursachet einen Krampff, da sich dann auch die besten Schwimmer nicht mehr helffen, sondern untergehen und ertrincken müssen.2 Wovon unterschiedene Exempel von einigen angeführt werden könten, welche von ihren Cameraden errettet und wieder heraus gezogen worden, beym Leben erhalten, und hernach über solchen Krampff geklaget haben.

Nun ist wohl nicht zu zweifflen, daß der Satan auch die Menschen durch seine List und Tücke zu fällen suchet, wie an einem Exempel bey meinem Gedencken geschehen, daß Kinder miteinander gespielet, und sie nahe am Wasser bedunckt, als wären viel schöne bunte Läpplein am Ufer aufgehencket, welche denn die Kinder gern erlangen wollen, unter welchen sich eines Messerschmidts Töchterlein von 6. Jahren gewaget, mit[32] einem Stöcklein solche Läpplein zu sich zu ziehen, ist aber geglitschet, und in den Strohm kommen, und hat in Gegenwart noch anderer 6. Kinder, seiner Gespielen, zu der Eltern Leid-Wesen jämmerlich ertrincken müssen: dieweil nun die gesammte Kinder einhellig gesaget, wie so schöne Läpplein solches von mancherley Farben gewesen, so sind solche doch, so bald das Kind in den Strohm gefallen, nicht mehr zu sehen gefunden worden. Ungezweiffelt hat der abgesagte Menschen-Feind diese Kinder dergestalt verblendet, und also gereitzet, bis eines durch seine List verunglückt worden.

Ein anderes, wiewohl abergläubiges Histörigen wird von einem solchen Nix-Weibel erzehlt, welche unweit Leipzig offt auf der Strasse gesehen wurde, dieselbe gehe unter andern Bauers-Weibern auf den Wochen-Marckt mit einem Trag-Korb, und kauffete allerhand Victualien, gienge auch mit den Marckt-Leuten wieder zurück, redete aber mit niemand ein eintziges Wort, grüssete und danckete auch niemand auf der Strasse, aber wo sie etwas kauffete, konte sie so genau, wie andere Weiber dingen und handlen.3 Einsmahl giengen ihr 2. Weiber auf dem Fuß nach, und sahen, wie sie an einem kleinen Wasserlein ihren Trag-Korb niedersetzete, im Augenblick aber seye Korb und Wasser-Weiblein verschwunden und nichts mehr zu sehen gewesen: In ihrer Kleidung war zwischen ihr und andern[33] Bauers-Weibern kein Unterscheid gewesen, ausser, daß derselben Nieder-Kleider 2. zwerch Hand hoch gantz naß gesehen hatten: Weil nun solches bloß allein von gemeinem Volck und niemand glaubwürdiges erwiesen worden, so muß man solches vielmehr für ein Mährlein als Geschicht halten, welchem nachfolgende fast zu vergleichen ist.

Nahe bey der Elbe, allwo ein kleines Wässerlein in selbige fället, so zuvor von Köten gen Barby rinnet und sich mit der Saale vermenget, wird erzehlet, daß ein Mann in Gestalt eines Bauers in ein nahe gelegenes Dorff kommen, und die daselbstige Wehmutter aufs demüthigste gebeten mit ihm zu gehen, und seiner Frauen, um gute Belohnung, in ihren Kindes-Nöthen an handen zu stehen: Die Hebamme war willig und gehet getrost mit dem Mann seines Weges; als er aber von der Strasse abwiche, wurde die Hebamme besorgende und fraget, wo er sie hinführete, und wo er wohnete, sie wisse ja Weg und Steg so gut, als ein Mensch im Lande; der Mann aber tröstete sie gar freundlich, bis sie zwischen Tag- und Nacht-Scheid an das Wässerlein kamen: allda sagete er, Wehmutter, fürchte dich nicht, es geschiehet dir kein Leid, folge mir nur getrost nach; damit schluge er mit seinem Stecken in das Wasser, welches sich voneinander theilete, und die Hebamme bedunckete, sie gehe unterwärts, wie in einen[34] Keller: kame endlich mit dem Mann in eine schlechte Bauern-Stube, worinnen eine Lampe und ein ander Licht brennete, und fande niemand mehr, als ein schlecht Bauers-Weiblein auf einem Pausch Stroh liegen, welche in Kinds-Geburt arbeitete; die Hebamme voller Angst, konte nun nicht anders, als ihr Amt verrichten, und der Bauer, ihr Führer, that alle Handreichung, bis endlich ein Mägdlein hervor kame, das einen grossen dicken Kopff, eingebogene Nase und aufgewurstete Lippen hatte: Nachdem nun alles verrichtet, und solch Kind in grobe Windeln eingewickelt worden, begehrte die Hebamme, ungeachtet es Nacht war, der Mann solte sie nun wieder auf die Straß bringen, allein er sagete, du kanst nicht eher gehen, bis daß du zuvor deinen Lohn hast, und brachte einen leinen Sack voller Geld, allerhand groß und kleiner Sorten an Gold und Silber, und schüttete einen ziemlichen Hauffen auf den Tisch, sagete: Allhier Frau, nehm zum Lohn, was dir gefällig, aber die furchtsame Hebamme nahm nicht mehr als ein 4. Groschen-Stück, und sagete, so viel gehöret mir, gleichwie andere Bauers-Weiber geben: dieses war der Mann zufrieden, und brachte sie mit einem gar duncklen Licht wieder an das Ufer, und sagete: Hiemit gehe hin; es hat dir ein guter Geist gesaget, daß du nicht mehr nehmen solst, sonst würdest du deine Wohnung nimmer gesehen haben, und schenckt ihr damit[35] noch ein Stücklein Geld, so 4. Lothschwer an Silber, aber kein Gepräge darauf mehr zu erkennen gewesen.4 Womit diese erschrockene Frau bey 3. Viertel-Stund weit in finstrer Nacht wieder nach ihrem Dorff geeilet, und glücklich nacher Hause kommen. Und als sie solches ihren Nachbarn erzehlet, haben selbige bejahet, wie sie eine geraume Zeit um selbige Gegend ein schwanger Weib gesehen, sie aber nicht gekennet hätten. Daß diese Geschicht mehr einem Mährlein gleichet, will fast jedermann Beyfall geben, wenn nicht das Stücklein alt Silber-Geld von der Hebamme jedermann gezeiget worden. Es fallen über solche vielerley Gedancken, einige halten es für ein teufflisches Blendwerck und Gauckeley, andere glauben es für eine wahrhaffte Geschicht, und wollen damit behaupten, daß solches die Kiehlkröpffe oder Wechselbälge wären: was aber davon zu glauben, kan in folgendem ersehen werden.

Christoph Hundhagen in Disput. de potestate Dæmon. cap. ult. §. 5. schreibt, daß ungefehr für 80. Jahren in dem Meißnischen Städtlein Delitsch bey Nacht ein Gespenst eine Kindbetterin mit der Stimme ihres Mannes heraus geruffen und geschryen, das Hauß brennete.5 Sobald sie hervorgangen, ist sie augenblicklich aufgehoben, durch die Lufft geführet, und an den nächsten Fluß niedergesetzt worden: darinnen sie ohngezweiffelt[36] auch ersäufft wäre, wenn sie nicht gebetet hätte, und GOtt um Hülffe angeruffen.

So berichtet auch Stiefflerus, daß sich in der Stadt Meissen begeben habe, und noch bey Mannes-Gedencken: Wie etliche Becken-Knechte am andern Tage des Heil. Pfingst-Fests unter der Mittags-Predigt, oberhalb der Ziegel-Scheuren, gleich dem Baumgarten über in der Elbe gebadet, und einer unter ihnen, der sich auf seine Fertigkeit im Schwimmen verlassen, zu seinen Cammeraden gesaget: dafern sie ihm einen Thaler aufsetzten, wolte er dreymahl nacheinander unausgeruhet dieses Wasser hin und wieder beschwimmen. Den andern beyden kam solches unglaublich für, und willigten in solch Versprechen: Nachdem solches der verwegene Mensch zweymahl geendet, und nunmehr zum drittenmahl nach dem Sieben-Eychen-Schloß zu hinüber schwimmen wolte: siehe, da springt ein grosser Fisch, wie ein Lachs, vor ihm in die Höhe, und schläget ihn mit sich ins Wasser hinab, also, daß er jämmerlich zu Grunde gehen und ertrincken müssen. Worauf den Häschern von der Obrigkeit anbefohlen worden, solchen noch selbiges Tages zu suchen, die ihn auch oberhalb der Brücken gefunden, und hat man an seinem gantzen Leibe gezwickte Mähler gesehen, so mit Blut unterlauffen waren: da man gar leicht die Narben erkennen konte, welche ihm[37] von dem Nix oder Wasser-Geist gemachet worden. Pag. 460. in seinem Historien-Schatz, ex Francisci höllischem Proteo p. 414.

Herr Baron Valvasor in seiner historisch-topographischen Beschreibung des Hertzogthums Crain meldet unter anderen, daß in dem Fluß Laybach, bey der gleich also benahmsten Stadt Laybach, ein Gespenst wohnete, welches man daselbst den Nix oder Wassermann nennet, derselbe habe sich sowohl bey Nachts-Zeit den Fischern und Schiff-Leuten, als auch andern bey Tage, so bekannt gemachet, daß fast jedermann davon zu erzehlen wisse, solches steige aus dem Wasser hervor, und lasse sich in menschlicher Gestalt blicken. Insonderheit hat sich derselbe Wasser-Teuffel Anno 1547. bey einem Reigen in der Stadt Laybach eingefunden, und als sich daselbst die gantze Nachbarschafft unter einer Linde zu erlustigen, beysammen gefunden, und nach gehaltenem Mahl einen Tantz gethan, ist ein schöner wohl gekleideter Jüngling endlich darzu kommen, der die gantze Versammlung gantz höfflich gegrüsset, auch allen Anwesenden freundlich die Hand geboten, welche gantz weich und kalt gewesen, und allen, von denen sie berühret, eine ungewöhnliche Empfindung erreget hat. Solcher hat hernach eine zwar wohlgestallte, aber frisch und freche Junfrau, Nahmens Ursula Schäfferin, aufgezogen und zum Tantz geführet, die sich auch nach[38] seiner Weise meisterlich bequemen und in alle lustige Possen zu schicken gewust; allein diese beede haben sich allgemach von dem Nix-Tantz-Platz entfernet, bis sie an den Fluß Laybach gekommen, allda sie beyde in den Strohm gesprungen, in Gegenwart vieler Schiff-Leute, und den Zusehern Augenblicks aus den Augen verschwunden, auch hernach niemahls mehr gesehen worden.6

Eben dieser Autor berichtet, daß das Gespenst nunmehr besser Ruhe gebe, welches man dem öfftern Sagen und Weite des Flusses zurechnete: jedoch füget er herzu, er habe gleichwohl, als er zu Laybach, ohngefehr vor 34. Jahren studirt, selber gesehen, daß, als einsmahl ein Burger, mit Nahmen Schmiedler, bey heller klarer Nacht von einer Hochzeit heimgehen wollen, und gantz allein die sogenannte Brod-Kammer vorbey gangen, ein Mann in einem schwartzen langen Rock von dem Wasser herauf gestiegen, sich zu diesem Mann genahet, denselben zum Wasser geführt, und hinein gestossen, da er denn ohne Zweiffel hätte, weil das Wasser eben groß war, ertrincken müssen, wann er sich nicht hätte an die Schüpffen, allwo man die Becker, so das Brod zu klein backen, ins Wasser schüpfft, so lang gehalten, bis die Wacht herzu geeilet, und ihn wieder aus dem Wasser gezogen, worauf das Gespenst sich geschwind ins Wasser gestürtzt, vermuthlich aus Unmuth,[39] daß man ihm den damahls übel bezechten Schmiedler wieder entrissen.7

Hildebrand in seiner entdeckten Zauberey nennet solche Wasser-Teuffel auch Nixen, der die Menschen zu ihm hinein ins Wasser zeucht, als Jungfrauen und Mägde, mit welchen er hernach zuhält und Teuffels-Kinder zeuget. Denn sonst Kinderzeugen allein ein göttlich Werck ist, und da muß unser HErr GOtt Schöpffer seyn. Denn wir nennen ihn ja allzeit Vater, und muß auch die Conceptio per constituta media & per homines in einem Momento geschehen. Denn er gebrauchet zur Schöpffung der Menschen, als ein Mittel, und durch dieselbe würckt er alleine, und nicht durch den Teuffel. Darum so müssen es gestohlene Kinder seyn, wie denn der Teuffel wohl Kinder stehlen kan: wie denn bisweilen Kinder von 6. Wochen verlohren werden. Oder müssen Suppositii seyn, Wechsel-Kinder, die die Sachsen Kiehlkröpff nennen.

Marginalien

1 Was die Nixen sind.


2 Warum offt die Leut ertrincken.


3 Nix-Weiblein gehet mit andern zu Marckte.


4 Wasser-Nix hohlet eine Hebamme zu seinem Weib. Will solcher den Lohn geben.


5 Gespenst führet eine Kindbetterin ans Wasser.


6 Wasser-Nix führet eine Jungfer vom Tantz weg.


7 Teuffel stösset einen Mann ins Wasser.


Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 30-40.
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