XXXII. Von der [469] Chiromantia.

Die Chiromantia ist eine Weissagung oder Wahrsagung, welche aus Anschauung der Hand und darinnen befindlichen Linien genommen wird, und von der Menschen Natur, Wesen, Geschicklichkeit und Zufällen Bericht geben soll. Solche Wissenschafft ist bey den Vor-Alten in grossem Werth und Gebrauch gewesen, wovon viel ansehnliche gelehrte Männer geschrieben[469] haben: Heinrich Cornel. Agrippa de incert. & vanit. omn. scient. führet davon unterschiedliche sowohl alt- als neue Scribenten an; unter den alten spricht er, ist gewesen Hermes, Alchindus, Pythagoras, Pharaotes Indus, Zophyrus, Helenus, Ptolomæus, Aristoteles, Alphorabius: über dem Galenus, Avicenna, Rasis, Julianus, Maternus, Loxius, Phylemon, Palæmon, Constantinus, Africanus.1 Unter den Römischen Fürsten haben sich L. Sylla und der Dictator Cæsar sehr darauf geleget. Der neuen Scribenten sind auch nicht weniger, als: Petrus Apponensis, Albertus Teutonicus, Michaël Scotus, Bartholomæus Cocles, Michaël Zavonarola, Antonius Cermisonus, Petrus de Arca, Andreas Corvus, Tricassus Mantuanus, Joannes de Indagine, und viele andere berühmte Medici. Siehe auch Antonium Verderium lib. 8. variarum lectionum cap. 9. Joh. Rothmannum in Chiromantia Theoretico-Practica, Joh. Taisnier in epistol. dedicat. oper. Mathem. und Joh. Prætorium in Judicio Chiromantico. Dieser schreibt pag. 599: Man könne auch ohne die Wissenschafft der Chiromantiæ nicht reiten lernen. Und sage Johann Kayser in ιππικωμικη p. 189. also: Demnach gebühret dir der Zaumen in der lincken Hand zu fassen, dergestalt, daß du zwischen beyden Zeuglein allwege den kleinen Finger habest,[470] und die völlige Hand also führest, daß der Berg Veneris, sammt der Linea vitæ, das ist, die Linea des Lebens, den Sattel biegen, den Daumen aber auf beyden Zügeln gewandt, gegen der rechten Hand etc. Ferner saget gedachter Prætorius l.c.p. 601: Es könne niemand für einen grossen Mann gehalten werden, der diese Kunst nicht verstehe. Und p. 676. spricht er: Marcus Tullius Cicero ist auch ein Chiromante gewesen, denn Cicero bedeutet so viel als Kiecker / und Marcus so viel als Märcker /der die Hand ankiecket und bemercket.

Heutiges Tages findet sich allerhand liederliches Lumpen-Gesindel / Landstreicher, Quacksalber, verdorben Handwercks-Volck, alte Weiber, abgedanckte gebrechliche Soldaten, die sich auf solche Zeichendeuterey und Wahrsagen legen, und Einfältige zu betrügen suchen.2 Unter andern massen sich dieser vermeinten Kunst auch an zusammen verlauffen diebisches ruchloses Gesindel, welche bey uns insgemein Zigeuner genannt, werden, derer Weiber eigentlich davon Profession machen, und zugleich unter dem Wahrsagen den einfältigen Weiblein mit der andern Hand nach dem Sack fahren, und ihre Beutelschneiderey ausüben. Solche geben für, sie kämen aus Egypten, welches Land doch von allen keine gesehen hat.

Was Wolffg. Hildebrand in seinem Kunst- und Wunder-Buch [471] Part. III. p.m. 567. davon schreibet, bestehet in folgendem: Als Palma heist die Fläche einer starcken glatten aufgethanen Hand, Vola, die Höhle der Fläche, aus welcher Höhle entspringen fünff Finger, welche also nacheinander in Latein genannt werden, Pollex, der Daume / wird darum also genannt, daß er stärcker und mehr bevestiget ist, als die andern Finger. Digitus judex, der Zeig-Finger /damit wir gewöhnlich auf ein Ding zeigen, Digitus medicus, der dritte / weil er in der Mitte stehet, wird er der Mittel-Finger genannt. Digitus annularis, der Hertz- oder Prang-Finger / dieweil solcher gemeiniglich mit guldenen Ringen gezieret wird, vornehmlich in der lincken Hand, und solches daher, weil die Medici schreiben, daß ein kleines Aederlein von diesem Finger zum Hertzen gehe, und wann also dieser Finger mit Gold gezieret sey, so gebe das Gold aus eigener Art durch gemeldtes Aederlein dem Hertzen sonderliche Krafft und Stärckung, (so aber bessern Grund vonnöthen hat.) Digitus articularis, der Ohr-Finger / denn gemeiniglich wird solcher zu Aussäuberung der Ohren gebrauchet, und das aus sonderlich angenommener Gewohnheit.

Percussio manus, der Handschlag / wird sonst auch pugnus genannt, wann die Hand beschlossen und zugethan ist, mit[472] eingeschlagenen Fingern, alsdann machet sie eine Faust, derer Ober-Theil ist bey dem Daumen das Unter-Theil herunter. Restricta ist der Ausgang der Hand / da sie sich mit dem Arm vereiniget, und daselbst wird die Hand dem Arm angestrickt. Incisuræ, werden die Linien in der Hand also genannt, wie dieselbe nebst der Planeten Sitz ausgetheilet werden.

Eine förmliche Hand bedeutet eine Geschicklichkeit zu aller Handthierung oder Handwerck, was einer fürnimmet. Wann einer die Hand oder Finger von Natur kan hinter sich legen, bedeutet eine schwache Natur und räuberischen Menschen.

Was die fürnehmste Linien in der Hand betrifft, sind solche Linea vitæ, Linea cerebralis, Linea Veneris; so dieser dreyen Linien eine nicht fürhanden wäre, bedeutete es grosse Fälle und plötzlichen Tod.

Linea vitæ, dieselbe ist die fürnehmste Linia, wann solche ihren rechten Anfang hat, fein gleich und wohlgestalt ist, bedeutet ein starck Hertz und gute Natur, wird der Sonnen zugeeignet.

Linea cerebralis nimmet ihren Anfang aus der Linien des Lebens, auf Hypothenar, wird dem Hirn und Monden zugeeignet, so dieselbe fein gleich ist und unterschnitten, judiciret man daraus ein gesund und gut Gehirn, da sie aber gleich, als wäre sie von Haaren geflochten, erscheinet,[473] zeiget sie an ein flach und flüßig Haupt, ist sie zerspalten, bedeutet, daß einer soll einen Schaden am Bein bekommen, dadurch einer möchte hinckend werden.

Linea Veneris hat ihren Anfang von Thenar, und streicht auf Hypothenar, wird den Nieren, denen Geburths-Gliedern und Veneri zugeeignet, so dieselbe fein gleich und nicht zerschnitten oder gespalten ist, zeiget und bedeutet sie einen fruchtbaren Menschen.

Linea Saturnina soll mit der Vitali ihren Anfang haben, und die Veneream nicht gar erreichen, wird dem Saturno zugeschrieben, da dieselbe fein gleich und unzerschnitten ist, bedeutet einen gesunden und harten Menschen, deßgleichen weit und glückselige Reisen: & econtra. Linea Epatica hat ihren Anfang von vitali, und soll mit der Cerebrali und Vitali einen feinen gleichen Triangulum machen, wird dem Mercurio, Lunæ und Soli zugeeignet, da dieselbe fein gleich und scheinbarlich, bedeutet eine gute Leber und Dauung, auch einen verständigen Menschen. Er econtra. Via Lactea ist Soror Epatica, da dieselbe fein scheinbar zu sehen ist, bedeutet groß Glück, ist in der Epatica zu sehen.


Von den Lineis in genere wird prognosticiret:


Viel kleiner Linien in den Kindern und[474] kleinen Knaben, sollen künfftige Dinge bedeuten; in den Alten aber sollen viel dunckele flache Linien, geschehene Dinge bedeuten, so sie aber nicht tieff sind, sondern gleich, als wann sie vergehen wolten, sollen sie vergangene Dinge bedeuten.3 Subtile Linien aber etwas neues und zukünfftiges; zerbrochene und zerschnittene, die doch auf einander gehen, bedeuten grosse Fälle; unterschiedene Linien aber bedeuten Hinderniß, die aber nicht vorhanden, oder doch nicht auf einander gehen, bedeuten Schwachheit und Mangel desjenigen Vermögens, so durch dieselben Linien angezeiget wird. Ungleiche und schlimme Linien bedeuten zwar nicht eine Schwäche, sondern eine Temperatur und eine unartige Wärme, daß in Gliedern nicht zugehet, wie es soll. Bleiche Linien, bedeuten einen fernen Effect, und werden fürnehmlich auf vergangene Dinge gezogen. Wann breite Linien allein und ohne Sorores stehen, bedeutet wohl Starck, aber keine Hülffe, so einem in Nöthen möchte gethan werden. Wann unter den fürnehmen Linien eine mangelt, ausgenommen die Epatica, oder zusammen gehen ohne Ursach, nehmlich wann die Linea Veneris mit der Cerebrali zusammen kommet, oder allzuweit von einan der stehen, bedeutet nicht geringe Fälle und plötzlichen Tod. Wann Vitalis mit Cerebrali oben nicht zusammen gehet, bedeutet Ungleichheit des [475] Temperaments, sonderlich so Cerebralis auf Thenar streichet, bedeutet es nach des Thenars Art überley Hitz und Truckenheit, Bangigkeit, Abnehmung der Feuchtigkeit des Gehirns und der halben Schwachheit des Haupts, und was für Kranckheiten daraus erfolgen. Wann die Saturnina in mensa manus unglücklich ist, oder zerspalten, oder wann 2. Linien aus der Höhle der Hand schlimm, gegen die mensalis aufsteigen, bedeutet es morbum Gallicum, oder ja solche Verderbung der Feuchtigkeiten, wann sie aber gleich durchstreicht, bis auf die Wurtzel des Fingers, achtet man dafür, daß sie Mühe und Arbeit, Elend und Armuth bedeutet. Wann eine Soror cerebralis fürhanden, und sonderlich, da sie nicht wohl geartet, bedeutet Schwachheit des Haupts, und ferner ob sie schon für eine Linea der Erbschafft gehalten wird, achten doch etliche dafür, daß, so die befunden, sie vielmehr Schwachheit bedeutet, sonderlich, so sie nicht wohl geartet, da auch bey der Linea des Hirns, sonst eine in der Höhle der Hand, oder so sich die Finger erhaben, gefunden wird, achtet man, daß es mondsüchtige Leute bedeuten soll. Wann Cerebralis etwas länger in der lincken Seiten zerbrochen, und auf Hypothenar streicht, soll sie eine Anzeigung seyn, daß einer aus steten Flüssen Beschwerung haben soll, wo sie aber zerspalten, achtet man es dafür, daß der[476] Mensch werde hinckend werden. Wann Venerea zerschnitten, und scheinet, gleich wie sie von Haaren geflochten wäre, soll sie gewisse Kranckheit dräuen. Daß auch einer, da er 34. Jahr alt worden, und ihme die andern Linien ziemlich wohl gestanden, nur derselben wegen, 23. Kranckheiten gehabt, und saget derowegen, daß er die Sororem cerebralem nicht gesehen. Wann das cingulum Veneris durch der Saturninæ Spatium streicht, soll es gantz unartige Menschen bedeuten, welche mit Knaben zuhalten, oder mit Vieh zu thun haben, tölpische Köpffe, und die keine Lust zu freyen Künsten und ehrlicher Tugend haben.

Es pfleget auch eine von der Linien des Gehirns oder Cerebrali, bis zum Anfang des Mittel-Fingers zu streichen, so von etlichen für die Saturnina gehalten wird; dieselbe soll Arbeit, Armuth, Elend, Verfolgung, Verweisung u. Gefängniß bedeuten.4

Aus Martia, Cingulo Veneris & Sorore cerebrali judicirt man unmäßige Affecten, fürnehmlich Uneinigkeit, Unzucht, auch einen hefftigen Sinn und Betrübniß, besonders aber aus dem Cingulo Veneris schändliche unmäßige Brunst und Unzucht. Wann Linea vitæ mit der Cerebrali eine lange Figur voller Creutzlein machet, saget man, es soll einen Spiegel bedeuten. Via combusta Solis soll Feuers-Noth und Gefahr bedeuten, auch sonst groß Jammer und Elend. Nimmet ihren Anfang von[477] der Linea des Lebens, und streicht auf Thenar. Cingulum Orionis, soll eine Anzeigungen seyn, überflüßiger Feuchtigkeit und Gefahr der Wasser, daß einer ertrincken möchte, nimmet ihren Anfang von der Linien des Lebens, und streicht unterwärts auf Hypothenar zu. Thenar bedeutet Schaden von Feuer: wenn eine Linie von der Vitali auf denselben Ort gehet, bedeutet es Schaden von Feuer, so aber ein X. darinnen stehet, bedeutet es einen hertzhafften Menschen und Muth. Wo man sonst ein Creutzel in der Hand findet, bedeutet es überaus groß Unglück, desgleichen zerbrochene Circul, Röste, Fackeln und solche ungewöhnliche Zeichen, fürnehmlich da sie unterwärts steigen.

Es sind der Auslegung- und Bedeutungen so vielerley aus den Hand-Linien angemerckt, daß man endlich einen Eckel darob empfindet, und damit die Gedult, solche zu lesen, bey verständigen Leuten mißbrauchet, weswegen solchen Uberfluß allhier übergehe; weil aber viele eine aberglaubige Meynung vom Bedeuten der Zeichen auf den Nägeln der Finger und Zehen haben, will ich aus obgedachtem Autore noch etwas davon mit anfügen:

Man findet (schreibt er) auch Zeichen auf den Zehen / also auch auf den Nägeln / welche, da sie weiß seyn, werden sie wohl für ein gut Zeichen geachtet; da[478] sie aber allzu viel erscheinen, sollen sie offtmahl vergebliche Hoffnung und Furcht bedeuten, die grossen grosse, und kleinen kleine Hoffnung, ein Glantz-Auge scheinbarliche, ein heller Glantz etwas mehr dann man gehoffet oder gefürchtet hätte.5

Am Anfang des Nagels ein zukünfftiges, mitten, ein gegenwärtiges, oben, das nunmehr verschwinden oder vergehen will, tieffe weisse Punct an dem Daumen des Nagels, Ehre, Wollust, Reisen; am Zeicher, Gewinst und Reichthum; am Mittel-Finger, Gedancken und mühselige Studia; am Gold-Finger, Erfindung und Würdigkeit; am Ohr-Finger, Speculirung, Befleißigung freyer Künste, und daß einer mit kleinen Sachen zu thun. Ein grosser und scheinbarer Stern soll ein Zeichen seyn, daß etwas grosses vorhanden und zu erwarten. Schwärtzliche, dunckele und Bley-farbige Zeichen sollen nicht so offt, als die weissen, vergeblich erscheinen, sondern Furcht, Schaden, Jammer und Hinterlist bedeuten.

Auch saget man, daß die fürnehmsten Linien derjenigen, so bald sterben werden, nicht allein bleich, sondern schwartz werden, und ungleiche Farben bekommen sollen, daß auch sonst der Linien und Zeichen böser Zustand sich ereigenen, pflegen auch etliche übernatürliche Linien und Zeichen ausdrücklich und kräfftiglich zu erscheinen.6 NB. Wann die Soror vitalis fein scheinbarlich[479] ist, bedeutet es hefftigen und hitzigen Muth, kühn und streitbar. Item: Wann die Vitalis, Cerebralis und Venerea sich miteinander vereinigen, und zusammen schliessen, bedeutet es einen Menschen harter Natur und guter Gesundheit.

Es mögen nun, wie Eingangs gedacht, noch zehenmahl so viel alte und neue Autores von Bedeutung solcher Hand-Linien geschrieben haben, so wird mich doch niemand bereden können, etwas Wahrhafftes von solchem aberglaubigen Fabelwerck zu schliessen.7 Und urtheile ich mit Herrn Simon Heinrich Reuter / was derselbe in seinem unumschränckten Reich des Teuffels p.m. 430. davon geschrieben, da er saget: Daß die Hand-Wahrsagung nichtig und vergeblich sey, und daß man aus den Zeichen, Hübelgen und Linien in den Händen, als da ist unter andern, Linea martis, cingulum Veneris, und so weiter, nicht von dem Glück und Unglück, Gesundheiten und Kranckheiten, Ehestand und Ehrenstand, wie auch vom Leben und Art des Todes gewisses weissagen könne. Denn erstlich / solche Zeichen, Hübelgen und Linien haben in dem Menschen ja keinen Zwang, und handeln mit ihm und seiner Natur nicht, daß sie ihn zu diesem oder jenem unvermeidlich solten ziehen und zwingen, wie solte man denn daraus etwas gutes oder böses wissen und andern[480] sagen können. Und händeln wärlich gantz vermessentlich, die von des Menschen Lebens-Zeit und Länge aus seinen Händen unfehlbar weissagen wollen. Dann das heisset GOtt dem HErrn in seinen geheimen Rathstuhl steigen, und ihm in sein Buch schauen, darin er eines jeden Menschen Tage geschrieben hat, ehe denn sie noch waren, Psalm 139, 16. und wir finden nirgend in der Schrifft, daß von einem Menschen gesaget werde, daß seine Zeit in seinen Händen stehe, sondern David saget zu GOtt: Psalm 31. 16. Meine Zeit stehet in deinen Händen.

Zweytens / wann sie schon einen Zwang über uns hätten, so könte man doch nicht einem einen unvermeidentlichen Zufall vorher sagen. Und gestehen die Verständigsten unter den Chiromanten selbst, daß, ob gleich ein böses Zeichen in der Hand gefunden würde, so könnte doch, wegen unterschiedener Zufälle, die Erfüllung des Zeichens verhindert werden. Drittens /wann diese Kunst probat und gültig wäre, und man alle Thaten aus der Hand sehen könnte, so hätte man niemahl nöthig eine Tortur anzustellen, man dörffte auch nicht in Erforschung der begangenen Ubelthat viel Wesens machen, sondern die Leute, in derer Händen man lasterhaffte Zeichen findet, könten alsobald zur gerechten Straff gezogen werden. [481] Viertens / kan ich nicht begreiffen, wie diejenigen Leute, welche gantz unterschiedene Linien in der Hand haben, dennoch, als im Kriege, einerley Zufälle erfahren müssen. Fünfftens kommen die Chiromanten in der Kunst gar nicht mit einander überein; einige, als Albertus M. Bartholomæus Cocles, Johannes Taisnier, Tricassus, Andreas Corvus und Joh. Rothmannus, theilen die Berge in der Hand also aus: Der Berg des Daumens wird der Veneri, der Berg des Zeigers dem Jupiter, der Berg des Mittel-Fingers dem Saturno, der Berg des Gold-Fingers der Sonnen, der Berg des kleinen oder Ohr-Fingers dem Mercurio, der Raum von dem Anfange der Tisch-Linie bis zu der Restricta dem Monden, und der Platz in der hohlen Hand dem Marti zugeeignet. Andere hingegen, als Balthasar Sommerus cap. 2. de digitorum montibus, und ein Anonymus in Chiroscopia beym Prætorio l. c p. 309. 310. eigenen den Berg des Ohren-Fingers der Veneri, und den Triangel in der Hand oder den Raum in der hohlen Hand dem Mercurio zu. Alchindus, ein alter Chiromante, setzte den Berg Saturni unter den Daumen; andere machen nur 6. Berge in der Hand, und stossen die Venerem gantz und gar aus: Johannes ab Indagine bringet[482] den Mond und Martem in die hohle Hand. Siehe den Autorem des wohl-informirten Redners in der 43. Frage. Dieser schreibt ferner davon also: D. Summerus spricht, de manus Physiognomia conclus. 8. Es waren einige, die wolten nur an gewissen Tagen, und zu gewissen Zeiten des Jahrs aus den Händen wahrsagen; dann sie sprachen, man müste eines Mannes rechte Hand im Frühling und Sommer, am Sonn- oder Donnerstage, einer Frauen lincke Hand aber im Herbst und Winter, am Freytage, ansehen. Andere meineten, man solle bey Männern und Weibern die rechte Hand sehen, und zwar wann sie noch Kinder wären, weil sich alsdann die Zeichen gantz deutlich sehen liessen, und selbige noch nicht durch Arbeit, Kälte und Kranckheit ausgelöschet hätten. Noch andere sagen: man dörffte einem Kinde vor dem viert- oder sechsten Jahr seines Alters nicht in die Hand sehen, weil allererst bey solchem Alter der Mond seine Würckung hätte: Wie Picciolus lib. 2. c. 2. p. 26. berichtet. Cocles aber und viel andere widersprechen diesem Vorgeben gantz und gar, und wollen, daß man auch in des kleinesten Kindes Händen die Linien bemercken könnte; woraus dann lauter Unrichtigkeit erhellet. Johannes ab Indagine sagt l.c.p. 14. Die Lebens-natürliche Mittel- und Tisch-Linie stünden[483] allzeit in aller Menschen Händen, und gleichwohl spricht er kurtz darauf: Es würden diese Linien in den Händen der Bauren, wegen der stetigen Arbeit gar nicht gefunden, welches beydes ziemlich wider einander laufft, und widerspricht dem letzten Stück Joh. Prætorius l.c.p. 724. Die klügesten Heyden haben Sechstens hievon besser wissen zu urtheilen: denn sie schreiben alle Erkänntniß zukünfftiger Dinge den Göttern zu, und wolten sich nicht unterstehen, zu erforschen, wenn ein Mensch sterben, oder was für Glück er haben würde, weil GOtt solches dem Menschen nicht offenbahren wollen. Siehe unter andern von der Nichtigkeit der Chiromantiæ Caspar. Schottum, lib. 8. thaumaturg. Physic. Syntagm. 2. cap. 1. und den Autorem des wohl-informirten Redners / in der 43. Frage.

Einige unter denen Christen, welche dieser Chiromantischen Kunst zugethan seyn, wollen sie behaupten aus dem Spruch Elihu bey Hiob cap. 37. 7. Es thut aber, was allda gefunden wird, nichts zur Sache, schreibt Balduinus Cas. Consc. lib. 3. cap. 6. cas. 6. der Verstand nach der Hebräischen Wahrheit ist, daß alle Menschen in der Hand GOttes seyen, welche aus dem Ungewitter die Wercke und die Macht GOttes erkennen können. Und wird also nichts gemeldet von den Zeichen[484] und Linien in den Händen, woraus die Hand-Wahrsager weissagen wollen. Dieser Meinung scheinet auch Lutherus gewesen zu seyn, wann er es also übersetzt: Alle Menschen hat er in der Hand /als verschlossen, daß die Leute lernen, was er thun kan. Die Nieder-Teutsche Ubersetzung gibt den Worten diesen Verstand: Er siegelt die Hand eines jeden Menschen zu / auf daß er kenne / alle Leute seines Wercks / als wolte Elihu sagen: Durch Ungewitter schliesset GOtt die Hand der Hauß-Leute auf dem Lande, daß sie nicht können arbeiten, und also kennet dieser Land-HErr alle Arbeiter.

Man darff nicht fragen, worzu dann die Linien in den Händen nutzeten, wann man daraus nicht prophezeyhen könnte. Dann auf diese Weise könnte man denn wieder fragen, worzu doch die Ehe-Linien in den Händen derjenigen nutzeten, die niemahls an das Heyrathen gedencken, wie auch, was die Linien in den Händen der Kinder bedeuteten, welche in der zarten Jugend sterben. Wann bisweilen solche Weissagungen eintreffen, so sind sie doch mehrentheils falsch, und die Exempel, die offtmahl darzu angeführet werden, sind verfluchte Fabeln. Manchmahl sind die Weissagungen gantz general, als: Der Mensch habe in der Jugend viel Unglück ausgestanden, er habe viel Feinde und[485] Verfolger; er werde nicht ohne grosse Mühe zu Ehren kommen; es stünde ihm eine schwere Kranckheit vor, und dergleichen mehr: allein solche Zufälle begegnen den meisten Menschen.

M. Joh. Hollstein / D. Lutheri Tisch-Gänger / sagete einmahl zu Hn. D. Luther, wie aus dessen Tisch-Reden / cap. 37. fol. 383. zu ersehen, man sehe es einem an den Händen an, wann einer milde, Kost-frey und gutthätig wäre, und vermeinte, daß mans aus der Chiromantia urtheilen könnte. Darauf antwortete D. Luther, und sprach: Das ist freylich wahr, an der Hand kan mans sehen, wann einer milde ist, denn man muß mit der Hand ausgeben, mit den Füssen gibt man nicht.

Wollen wir Achtung geben auf unsere Hände, so laßt uns dieselbe zu GOtt in dem Himmel Thren. 3, 41. und zu seinen Geboten Ps. 119. 8. 1. Tim. 2. . 8. aufheben und ihn hertzlich bitten und anruffen, daß er uns für allem Ubel, beydes am Leibe und an der Seele, ingleichem für Schanden und Lastern gnädiglich behüten wolle. Laßt uns dieselbe nicht ausstrecken zur Ungerechtigkeit, Psalm 125. 3. sondern in Unschuld waschen, daß wir nicht sündigen. Psalm 73. Ein jeder arbeite fleißig, dann eine läßige Hand machet arm, aber der fleißige Arm machet reich. Prov. 10.[486] 4. Und schaffe also mit den Händen etwas gutes, auf daß er habe zu geben den Dürfftigen. Ephes. 4. 28.

Marginalien

1 Wer von der Chiromantia geschrieben.


2 Allerhand Gesindel will sich dieser Kunst bedienen.


3 Von den Lineis in genere.


4 Ex linea vitæ, veneris & Epatis judicatur de valetudine.


5 Von Zeichen auf den Nägeln und Zehen.


6 Von den tödtlichen Zeichen.


7 Alles solchen Hand-Linien-Judicium ist lauter Fabelwerck.


Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 469-487.
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