Dritter Artikel.

[386] Von der Liebe der Witwen.


So, das wäre genug von den Mädchen geredet; nun müssen wir auch von den Witwen sprechen.

Die Liebe der Witwen ist gut, bequem und einträglich, denn sie genießen ihre volle Freiheit, sind nicht die Sklaven ihrer Väter, Mütter, Brüder, Verwandten und Gatten, und sind auch nicht, was mehr sagen will, der Justiz unterworfen. Wenn man mit einer Witwe der Liebe pflegt, so wird man nicht dafür bestraft wie bei den Mädchen und Frauen. Auch die Römer, von denen die Mehrzahl der Gesetze stammt, die wir besitzen, haben für sie in diesem Punkt keine Strafen, weder am Leibe noch am Vermögen aufgestellt Ich habe dies von einem großen Rechtsgelehrten, der mir dafür Papinian anführte, diesen ebenfalls großen Rechtsgelehrten. Nach römischem Recht ist eine Witwe nur dann strafbar, wenn sie sich während ihres Trauerjahrs wieder verheiratet, oder wenn sie, nicht wieder vermählt, nach dem elften Monat desselben ein Kind bekommt Das erste Jahr ihrer Witwenschaft soll eben der Ehre ihres ersten Bettes gewidmet bleiben. Auch Heliogabel stellte das Gesetz auf, daß die Witwe sich nicht in dem Jahre nach dem Tode ihres Gatten wieder verheirate, damit sie Muße habe, ihn ein Jahr lang zu betrauern und sorgfältig über die Wahl eines neuen Gatten nachzudenken. Was für ein Einfall! Das ist mir ein netter Rechtsspruch.

Hiernach müssen die römischen Damen gute Zeit zur Liebe gehabt haben, und man braucht sich nicht zu wundern,[386] wenn eine zur Zeit des Marc-Aurel beim Leichenbegängnis ihres Gatten mitten unter ihren Tränen und Klagen die Hand des Mannes, der sie führte, fest drückte, zum Zeichen, daß er sie nach Ablauf des Trauerjahres heiraten könne. Diese Dame sah sich also bei Zeiten vor.

Den römischen Witwen ging es, wie man sieht, gut, wie auch heute noch den französischen. Diese verlieren, wenn sich ihr Herz nach neuer Liebe sehnt, nichts von ihren Rechten, obwohl bei den Parlamenten manchmal darüber Prozesse geführt wurden. So kenne ich einen großen und reichen Herrn von Frankreich, der seine Schwägerin lange Zeit wegen ihrer Mitgift prozessieren ließ, indem er ihr ein ausschweifendes Leben vorwarf und ein noch größeres Vergehen dazu. Trotzdem gewann sie den Prozeß, und der Schwager mußte ihr eine sehr gute Mitgift geben und ihr auszahlen, was ihr gehörte. Nur die Verfügung über ihren Sohn und ihre Tochter war ihr verweigert, da die Richter und großen Senatoren des Parlaments den Witwen die Vormundschaft über ihre Kinder nicht gestatten. Und doch sah ich vor nicht langer Zeit vornehme Witwen die Vormundschaft über ihre unmündigen Töchter gegenüber ihren Schwägern und andern Verwandten behaupten; sie wurden aber sehr durch die Gunst des Fürsten unterstützt, der sie aushielt. Es gibt eben kein Gesetz, das ein schöner Cunnus nicht umstößt. Aber von diesem Gegenstand will ich nicht reden; es ist nicht meine Sache; ich überlasse das den großen Gesetzgebern.

Von unsern Witwen nun treten manche gern wieder in die Ehe, so wie die Seeleute, wenn sie auch mehrere Schiffbrüche durchgemacht haben, doch wieder aufs Meer zurückkehren, oder wie die verheirateten Frauen, die, wenn sie auch in den Geburtswehen sich verschwören, keinen Mann wieder zuzulassen, doch dem ersten Anstoß wieder unterliegen. So ließ eine spanische Dame in Kindesnöten der Madonna von Mont-Sarrat eine Kerze weihen, was eine große Hilfe bei der Geburt gewähren soll. Trotzdem hatte[387] sie große Schmerzen auszustehen und sie schwor, niemals wieder der Liebe zu unterliegen. Sie war aber kaum niedergekommen, als sie zu der Frau, die die brennende Kerze hielt, sagte: »Serra esto cabillo de candela para otra vez.« (»Hebe den Rest der Kerze für ein andermal auf.«)

Andre wollen nicht wieder heiraten, und von diesen gibt es manche, die, im besten Lebensalter zur Witwe geworden, Witwe bleiben. So blieb die Königin-Mutter, die im Alter von 37 bis 38 Jahren Witwe wurde, unvermählt, und trotz ihrer Schönheit und Liebenswürdigkeit dachte sie niemals an eine zweite Ehe. Man wird mir sagen können: Welcher Mann hätte auch dem großen König Heinrich, ihrem verstorbenen Gemahl, an Größe gleichen können. Dennoch aber macht die Liebe alles andre vergessen. Sie ist jedoch zu loben, und ihr Gedächtnis muß im Tempel des Ruhmes und der Unsterblichkeit aufbewahrt bleiben, da sie sich so beherrscht und überwunden hat, und es nicht so machte wie jene verwitwete Königin, die sich nicht halten konnte und ihren Hausmeister heiratete, der sich Herr von Rabaudange nannte. Dies fand ihr Sohn, der König, anfangs sehr unrecht; aber da sie seine Mutter war, so entschuldigte er den Herrn Rabaudange wegen dieser Heirat Am Tage und vor der Welt bediente er sie immer noch als Hausmeister, um ihre Größe und Majestät nicht zu verletzen; aber des Nachts diente er ihr, wie sie es begehrte. Denn eine Frau mag noch so groß sein, dem Recht der Natur muß sie doch unterliegen. Ich habe dies von dem großen Kardinal von Lothringen, der es zu Poissy dem König Franz II. erzählte, als er die achtzehn Ritter des Sankt Michel-Ordens ernannte, eine sehr große Zahl, wie man sie noch nie gesehen hatte.

Aber lassen wir diese Art Witwen und sprechen wir von klügeren.

Unsre Königin von Frankreich Donna Isabella von Austria, Gattin des Königs Karl IX., war eine der besten, sanftesten, klügsten und tugendhaftesten Königinnen, die je regierten. Ich darf das sagen, ohne andern Unrecht zu tun. Sie war[388] eine sehr schone Fürstin, und die Farbe ihres Antlitzes war so zart und reizend wie die irgend einer Hofdame. Auch ihre Figur war schön, wenn auch von mittlerer Größe. Sie war tugendhaft und gutmütig, so daß sie niemals jemanden mit einem Worte kränkte; dazu war sie sehr bedacht und redete nur wenig und stets in ihrer spanischen Muttersprache.

Sie war fromm, aber nicht bigott und zeigte ihre Frömmigkeit nicht durch äußerliche Handlungen und übertriebene Werktätigkeit, wie manche Paternosterheldinnen. Sie hielt ihre Gebetsstunde inne und erfüllte sie sehr gut, ohne noch andre Stunden dafür aufzuwenden. Von einigen ihrer Damen hörte ich freilich, daß sie öfter heimlich in ihrem Bett, hinter zugezogenen Vorhängen, im Hemd auf den Knien lag und eine Stunde und länger zu ihrem Gott betete und an ihre Brust schlug. Das hatte man aber erst bemerkt, als König Karl, ihr Gatte, tot war. Seitdem hielt sie es fast alle Abende so. Die Kammerfrau, die sie beobachtet hatte, und mit der sie sehr vertraut war, hielt ihr eines Tages vor, daß sie dadurch ihre Gesundheit schädige. Die Königin ward böse, daß man sie entdeckt hatte, wollte es in Abrede stellen und befahl, kein Wort davon verlauten zu lassen. Diesen Abend nahm sie Abstand davon, in der Nacht aber begann sie wieder damit, in der Meinung, unbeobachtet zu sein. Aber die Frau bemerkte es doch an dem Schatten des Lichts in ihrem Alkoven. In diesen Gebeten lag keine Scheinheiligkeit wie bei manchen andern, die vor der Welt als Heilige gelten wollen.

Man erzählte mir von guter Seite, daß eine ihrer vertrauteren Damen, in der Meinung sie zu trösten, einmal zu ihr sagte: »Wenn der König Ihnen, Madame, an Stelle einer Tochter wenigstens einen Sohn hinterlassen hätte, so wären Sie jetzt Königinmutter, und Ihre Herrschaft wäre gesichert« »O,« erwiderte sie, »sagen Sie mir nicht so etwas. Als ob Frankreich nicht bereits Unglück genug hätte und ich seinen Untergang vollenden sollte. Denn wenn ich einen Sohn besäße, würden über die Verwaltung und Vormundschaft[389] während seiner Kindheit und Minorität Spaltungen und Unruhen entstehen. Jeder würde dabei seinen Vorteil suchen und das arme Kind berauben, wie man bei meinem seligen Herrn Gemahl beabsichtigte, als er noch klein war, wenn nicht die Königin, seine Mutter und seine guten Diener sich dem widersetzt hätten. Wenn ich das Unglück gehabt hätte, einen Sohn zu besitzen, würde ich die Verwünschungen des Volkes auf mich geladen haben, dessen Stimme Gottes Stimme ist Deshalb preise ich Gott und freue mich der Frucht, die er mir gegeben, sei es nun zu meinem Heil oder Unheil.«

So gut meinte es diese Fürstin mit ihrem Lande. Ich hörte erzählen, daß sie bei dem Gemetzel von Saint-Barthélemy, wovon sie gar keine Ahnung hatte, sich in gewohnter Weise zur Ruhe legte. Morgens beim Erwachen erfuhr sie die schreckliche Nachricht »Um Gotteswillen,« rief sie, »weiß es mein Gemahl, der König?« – »Ja, Madame,« erhielt sie zur Antwort, »er hat es angestiftet« – »O, mein Gott!« rief sie aus, »was bedeutet das? Wer hat ihm diesen Rat gegeben? Vater im Himmel, vergib ihm, wenn auch diese Tat schwer zu verzeihen ist!« Und mit Tränen in den Augen wandte sie sich zum Gebet.

Man beachte die Güte und Weisheit dieser Königin, die diese Tat nicht guthieß, obgleich sie Grund hatte, den Tod des Herrn Admirals und die völlige Austilgung seiner Glaubensgenossen zu wünschen, die im Gegensatz zu ihrem Bekenntnis standen, das sie so hoch über alle Dinge der Welt schätzte. Anderseits sah sie, wie jene den Staat ihres Gemahls beunruhigten, und auch ihr Vater, der Kaiser, hatte ihr gesagt, als sie mit ihm nach Frankreich ging: »Meine Tochter, du wirst die Königin des schönsten und mächtigsten Reiches der Welt werden, und deshalb schätze ich dich glücklich. Aber noch glücklicher würdest du sein, wenn[390] du es ganz in dem blühenden Zustande von einst finden würdest; leider aber ist es innerlich zerrissen und geteilt, denn wenn auch der König, dein Gemahl, einen guten Teil davon in Händen hat, so haben andrerseits die Prinzen und die Herren der Reformation den andern Teil.« Und so, wie er gesagt, fand sie Frankreich in der Tat.

Als sie nun Witwe war, hegten manche der klarsehendsten Männer und Frauen am Hofe die Meinung, daß der König nach seiner Rückkehr von Polen sie heiraten würde, obgleich sie seine Schwägerin war. Mit Erlaubnis des Papstes hätte er es gekonnt, denn der Papst vermag in solchen Dingen viel, besonders mit Rücksicht auf die Großen im Interesse des öffentlichen Wohls. Es gab viele Gründe für diese Heirat, die ich bessern Rednern zu erörtern überlasse. Einer jedoch war, durch die Ehe die große Verpflichtung anzuerkennen, die der König dem Kaiser für seine Rückkehr aus Polen schuldete; denn wenn der Kaiser ihm ein Hindernis in den Weg gelegt hätte, so hätte er zweifellos Polen nie verlassen und in Sicherheit nach Frankreich kommen können. Die Polen wollten ihn zurückhalten, wenn er nicht ohne Abschied gegangen wäre. Denn die Deutschen lauerten von allen Seiten auf ihn (wie es dem tapfern König Richard von England bei seiner Rückkehr aus dem Heiligen Lande er ging, wie unsre Chroniken berichten), und sie würden ihn als Gefangenen zurückgehalten und Lösegeld gefordert haben. Denn die Deutschen zürnten ihm sehr wegen des Blutbades von St.-Barthélemy, wenigstens die protestantischen Fürsten. Ohne Umstände wendete er sich zu dem Bekenntnis des Kaisers, der ihn sehr liebenswürdig empfing und ihm viele Ehren und Vertraulichkeiten erwies, wie einem Bruder. Nachdem sie zwei Tage zusammen verbracht, gab er ihm sicherstes Geleite nach seinem Lande, so daß er über Kärnten und Venetien in sein Königreich gelangte.

Dadurch also war der König dem Kaiser verpflichtet und, wie gesagt, man hoffte durch jene Ehe eine noch[391] engere Verbindung. Aber als er sich nach Polen begab, sah er zu Blamont in Lothringen Fräulein von Vaudemont Louise von Lothringen, eine der schönsten und vollendetsten Prinzessinnen der Christenheit Auf sie hatte er sein Auge geworfen, und während seiner ganzen Reise nährte er die Leidenschaft zu ihr. Bei seiner Rückkehr sandte er daher zu Lyon Herrn du Gua, einen seiner größten Günstlinge (der es verdiente zu sein), nach Lothringen, wo dieser die Ehe zwischen den Brüdern leicht zum Abschluß brachte.

Um noch einmal zu unsrer kleinen Königin zurückzukehren: Der Aufenthalt in Frankreich wurde ihr verleidet, weil sie dort nicht nach Verdienst gewürdigt wurde, und so beschloß sie, den Rest ihrer schönen Tage bei ihren Eltern, dem Kaiser und der Kaiserin zu verbringen. Während sie sich hier aufhielt, wurde der katholische König Witwer von der Königin Anna von Österreich, der leiblichen Schwester unsrer Königin Elisabeth; diese wünschte er zu heiraten und er sandte an die Kaiserin, die eigene Schwester des katholischen Königs, die Bitte, die Werbung zu vermitteln. Sie aber wollte nichts davon hören, obwohl ihre Mutter, die Kaiserin, ihr dreimal davon sprach; sie entschuldigte sich mit dem Andenken an den verstorbenen König, ihren Gemahl, das sie durch eine zweite Ehe nicht verletzen wolle; auch wies sie auf die zu nahe Blutsverwandtschaft zwischen ihnen beiden hin. So beschlossen denn die Kaiserin und ihr Bruder der König, ihr durch einen sehr gelehrten und beredten Jesuiten zureden zu lassen, der auch sein Möglichstes tat und alle Bibelstellen zu Hilfe nahm, die seinem Zwecke dienen konnten. Sie aber widerlegte ihn durch ebenso viele Stellen, denn seit ihrer Witwenschaft hatte sie sich viel mit der Heiligen Schrift beschäftigt Ihr Entschluß stand so fest, das Andenken ihres Gatten durch keine zweite Ehe zu verletzen, daß der Herr Jesuit, durch Briefe des Königs von Spanien zur Eile gemahnt, unverrichteter Sache dorthin zurückkehrte, unbefriedigt von der entschiedenen Antwort der genannten[392] Prinzessin. Diese, die keine Zeit mit weiteren Antworten verlieren wollte, sagte ihm schließlich sehr strenge Worte und drohte ihm sogar, ihn in der Küche auspeitschen zu lassen. Ich weiß nicht, ob es wahr ist, aber als er zum drittenmal kam, soll säe von der Drohung zur Tat geschritten sein. Ich glaube es jedoch nicht, denn sie liebte die Leute vom heiligen Leben viel zu sehr.

Von solcher Standhaftigkeit war diese tugendhafte Königin; bis zum Ende ihrer Tage hat sie das Angedenken ihres Gatten geehrt, und als der Quell ihrer Tränen versiegt war, erlag sie dem Schmerz und starb schon im Alter von 35 Jahren, was ein unschätzbarer Verlust war, denn sie hätte den Frauen der gesamten Christenheit noch lange als Spiegel der Tugend dienen können.

Bewies sie nun solche Liebe und Treue ihrem Gemahl, so zeigte sie nicht mindere gegenüber der Königin von Navarra, ihrer Schwägerin. Sie wußte, daß diese in großem Mangel zurückgezogen in einem Schloß der Auvergne, fast von allen verlassen, lebte und teilte doch mit ihr wie mit einer Schwester die Hälfte ihres Leibgedings, das sie in Frankreich bezog; so daß man sagte, jene große Königin würde ohne die Güte ihrer Schwägerin sehr zu leiden gehabt haben. Sie war ihr auch sehr dankbar dafür, und ehrte und liebte sie so, daß sie ihren Tod kaum ertragen konnte und zwanzig Tage nach diesem das Bett hütete, sie beständig beweinend. Auch später noch hat die Königin sie betrauert und stets die schönsten Worte für ihr Andenken gehabt. Sie (Elisabeth) soll auch zwei Bücher veröffentlicht haben, das eine frommen Inhalts, das andre über die Ereignisse in Frankreich während ihres dortigen Aufenthalts. Ich weiß nicht, ob es wahr ist, aber man will das Buch in den Händen der Königin von Navarra gesehen haben, das sie ihr vor ihrem Tode zugesandt habe. Sie legte viel Wert darauf und nannte es etwas sehr Schönes. Da eine Frau wie die Königin es sagte, darf man es glauben.[393]

Das wollte ich im großen ganzen von unsrer guten Königin Elisabeth sagen, von ihrer Güte, ihrer Tugend und ihrer beständigen Liebe zu ihrem Gemahl. Von Herrn von Lansac, der in Spanien war, als sie starb, hörte ich, die Kaiserin habe gesagt: »El mejor de nosotros es muerto«. Es scheint, sie habe in ihren Tugenden ihre Mutter, ihre Großtanten und Tanten nachahmen wollen. Denn die Kaiserin, ihre Mutter, die schön war und in jungen Jahren Witwe wurde, wollte nie wieder heiraten. Nach dem Tode ihres Gatten verließ sie Österreich und Deutschland und suchte ihren Bruder in Spanien auf, der sie gebeten hatte, zu ihm zu kommen und ihm bei seinen Geschäften zu helfen; denn sie ist eine sehr kluge und begabte Fürstin. Später nahm sie ihren letzten Aufenthalt in einer Gesellschaft religiöser Frauen, die Descalzadas genannt wurden, weil sie keine Fußbekleidung trugen. Ihre Schwester, die Prinzessin von Spanien, hatte diesen Orden gegründet.

Diese Prinzessin von Spanien ist eine sehr schöne, majestätische Frau gewesen. Sie hätte auch sonst keine Spanierin sein müssen, denn besonders bei diesen ist die Majestät stets von Anmut begleitet. Ich genoß die Ehre, sie auf meiner Reise von Portugal nach Spanien zu sehen und vertraut mit ihr zu sprechen. Als ich das erste Mal unsrer Königin Elisabeth von Frankreich meine Aufwartung machte und mit ihr sprach, fragte sie mich nach Neuigkeiten aus Frankreich und Portugal, und man teilte der Königin mit, daß die Frau Prinzessin käme. Da sagte sie zu mir: »Bleiben Sie da, Herrn von Bourdeille, Sie werden eine schöne Fürstin sehen, die ihnen gefallen muß. Sie wird sich auch sehr freuen, Sie zu sehen und sich bei Ihnen nach ihrem Sohn, dem König erkundigen, da Sie ihn gesehen haben.« Darauf erschien die Frau Prinzessin und ich fand sie sehr schön; sie trug eine spanische Haube aus weißem[394] Crepe, tief ins Gesicht gerückt, ganz als Witwe nach spanischer Mode gekleidet, denn sie trug fast täglich Seide. Ich war ganz in ihren Anblick versunken, als die Königin mich anrief und sagte, die Frau Prinzessin wünsche von mir Nachrichten über ihren Sohn. Daraufhin näherte ich mich ihr und küßte nach spanischer Sitte ihr Kleid, und sie plauderte liebenswürdig und vertraulich mit mir über ihren Sohn. Es war damals die Rede von einer Heirat zwischen ihm und Margarete von Frankreich, Schwester des Königs, jetziger Königin von Navarra. Ich erzählte ihr viel, denn ich sprach damals Spanisch ebenso gut oder noch besser als mein Französisch. Unter anderm fragte sie mich, ob ihr Sohn schön sei und wem er gliche. Ich sagte ihr, er sei einer der schönsten Prinzen der Christenheit; was auch Tatsache war, und daß er in jeder Beziehung ihr ähnlich sei; er wäre das vollkommene Spiegelbild ihrer Schönheit Darüber errötete sie leicht, was bewies, daß ihr meine Worte gefallen hatten. Nachdem wir lange miteinander gesprochen, wurde die Königin zum Souper abgeholt und die Schwestern trennten sich. Da sagte mir die Königin (die zum Fenster hinausgesehen, uns aber zugehört hatte) lächelnd: »Sie haben ihr großes Vergnügen bereitet, indem Sie sagten, ihr Sohn sähe ihr ähnlich.« Dann fragte sie mich, ob sie nicht wirklich eine ganz reizende Frau sei. »Ich glaube,« sagte sie, »sie wünscht lebhaft, den König, meinen Bruder, zu heiraten, und mir wäre es recht.« Das teilte ich dann der Königinmutter mit, als ich wieder bei Hofe war, der sich damals zu Arles in der Provence aufhielt. Aber sie sagte mir, sie sei bereits zu sehr gealtert, und sie könne ihre Mutter sein. Ich teilte ihr ferner mit, was man mir in Spanien gesagt und daß ich es von guter Seite hätte: sie wäre ent schlossen, nie wieder zu heiraten, wenn nicht den König von Frankreich, oder sich ganz von der Welt zurückzuziehen. Und in der Tat, diese hohe Partie bildete sie sich so fest ein, daß sie dazu gelangen oder den Rest ihrer Tage in dem Kloster verbringen wollte,[395] an dem sie bereits bauen ließ. Sie lebte lange in dieser Hoffnung und ertrug ihre Witwenschaft, bis sie von der Heirat des Königs mit ihrer Nichte hörte. Da sie ihre Hoffnung gescheitert sah, sprach sie ungefähr folgende Worte: »Aunque la nieta sea por su verano mos moza, y menos cargada de años que la tia, la hermosura de la tia, ya en su estio, toda hecha y formada por sus gentiles y fructiferos años, vale mos que todos los frutos que su edad florescida da esperanza á venir; porque la menor desdicha humana los hará caer y perder ni mas ni menos que algunos arboles, los quales, en el verano, por sus lindos y blancos flores nos prometen linda fruta en el estio, y el menor viento que acade los lleva y abate, no quedando que las hojas. Ea! dunque pasase todo con la voluntad de Dios, con el qual desde agora me voy, no con otro, para siempre jamas, en casar:« »Obwohl die Nichte in ihrem Lenze jünger als die Tante ist, so ist doch die Schönheit der Tante, die in ihrem Sommer steht, der fruchtreiche Jahre verheißt, mehr wert als alle Früchte, die ihr Alter, das jetzt in Blüte steht, verspricht Denn das geringste menschliche Mißgeschick läßt sie abfallen, gleichwie bei manchen Bäumen im schönen Lenze, deren schöne weiße Blüten uns gute Früchte für den Sommer versprechen. Es braucht eben nur ein kleiner böser Wind zu kommen, der sie entführt, und es bleiben nur Blätter. Doch gehe alles nach dem Willen Gottes, dem allein und keinem andern ich von Stunde an mich vermähle.« Und wie sie gesagt, so tat sie. Sie führte ein so heiliges, weltfernes Leben, daß sie den Damen, großen wie kleinen, ein nachahmenswertes Beispiel gab.

Ihre Tante, die Königin Marie von Ungarn, tat desgleichen, aber in hohem Alter: sie zog sich von der Well zurück und half dem Kaiser, ihrem Bruder, Gott zu dienen. Ihr Gatte, König Ludwig, starb jung in einer Schlacht gegen die Türken. Er hatte sie hauptsächlich infolge der hartnäckigen Zureden eines Kardinals unternommen, der ihn[396] sehr beherrschte und ihm sagte: er dürfe weder der Macht Gottes noch der Gerechtigkeit seiner Sache mißtrauen; denn wenn er sozusagen nur zehntausend Ungarn habe, die gute Christen und Streiter Gottes wären, so würde er hunderttausend Türken schlagen. Auf diese Weise trieb und hetzte er ihn an, bis er die Schlacht verlor. Auf seinem Rückzuge geriet er in einen Sumpf und erstickte.

Ähnlich erging es dem letzten Könige von Portugal Sebastian, der sich mit zu geringen Streitkräften gegen die Mauren wagte, die dreimal stärker waren als er, und zwar auf Antreiben seitens der Jesuiten, die ihm sagten, der allmächtige Gott könne mit einem Blick seines Auges die ganze Welt zerschmettern, was ja ein sehr wahres Wort ist Aber man soll die Größe Gottes nicht versuchen, denn er hat Geheimnisse, die wir nicht kennen. Manche sagen, die gedachten Jesuiten hätten aus Überzeugung gesprochen, was man wohl glauben darf; andre aber behaupten, sie wären vom König von Spanien angestiftet worden, um so den jungen, feurigen und mutigen König ins Verderben zu führen. Sicher ist, daß so etwas Leuten passiert, die die Waffen führen wollen, aber das Handwerk nicht verstehen.

Deshalb sagte auch der große Herzog von Guise, als er von seiner italienischen Unternehmung sehr enttäuscht zurückkahm: »Ich liebe zwar gewiß die Kirche Gottes, aber ich werde niemals einen Eroberungszug unternehmen auf das Wort eines Priesters hin.« Damit meinte er den Papst Caraffa, genannt Paul der Vierte, der seine Versprechungen nicht gehalten hatte, oder auch den Herrn Kardinal, seinen Bruder, der in Vermittlerrolle nach Rom gegangen war und dann seinen Bruder in leichtfertiger Weise zu dem Zuge angetrieben hatte. – Ich habe diese Abschweifung gemacht, weil der Gegenstand sie darbot.

Aber kehren wir zu unsrer Königin Marie zurück. Nach soviel Unglück ihres Gemahls blieb sie in jungen Jahren Witwe und war sehr schön, wie auch ihre Bilder, die ich sah, nichts Häßliches zeigen, höchstens daß ihr[397] Mund, nach österreichischer Art, etwas groß und vorstehend war, doch soll dies nicht ein Erbteil des Hauses Österreich, sondern vielmehr Burgunds sein. So hörte ich von einer Hofdame der damaligen Zeit erzählen, daß einst die Königin Alienor durch Dijon kam und in dem Kloster der Chartreusen die Grabmäler ihrer Ahnen, der Herzöge von Burgund, besuchte und sie öffnen ließ, wie das manche Könige mit den Grabmälern ihrer Vorfahren getan. Einige der Leichname waren gut erhalten, so daß sie unter andern Gesichtszugen auch die Form des Mundes erkennen konnte. Da rief sie aus: »Ah, ich dachte, wir hätten unsern Mund aus dem Hause Österreich, aber wie ich sehe, stammt er von Marie von Burgund, unsrer Ahnfrau, und andern burgundischen Herzögen. Wenn ich meinen Bruder den Kaiser sehe, will ich es ihm mitteilen.« Die betreffende Dame, die das hörte, sagte, der gedachten Königin hätte dies Freude gemacht, und mit Recht; denn das Haus Burgund galt sicher so viel wie das Haus Österreich, denn es stammte von einem Sohn Frankreichs, Philipp dem Kühnen.

Unsre Königin Marie von Ungarn war also sehr hübsch und liebenswürdig, wenngleich ein wenig männlich; aber für die Liebe und für den Krieg, der ihre Hauptbeschäftigung war, zeigte sie nicht wenig Geschick. Ihrem Bruder, dem Kaiser half sie bei seinen Regierungsgeschäften. Freilich besaß er ja seinen Bruder, den König Ferdinand von Rom, aber dieser hatte genug mit dem Sultan Soliman zu tun. Dem Kaiser lagen auch die Angelegenheiten in Italien ob, das damals in großer Aufregung war; mit Deutschland stand es auch nicht besser, wegen der Türken, ebenso mit Ungarn, mit Spanien (als der Aufstand unter Herrn de Chièvres ausbrach); ferner hatte er zu tun mit Indien, den Niederlanden, der Berberei, mit Frankreich, und dies war die größte Last von allen; kurz, er war mit der halben Welt beschäftigt. Seine Schwester, die er über alles liebte, machte[398] er zur Hauptverwalterin von ganz Niederland, das sie dreiundzwanzig Jahre verwaltete, und ich weiß nicht, was ohne sie aus den Niederlanden geworden wäre. Während der Kaiser selbst in Flandern war, vertraute er ihr alle Geschäfte in seinen dortigen Besitzungen. Der Rat wurde unter ihrer Leitung abgehalten, und sie erstattete ihm Bericht, wenn er dort nicht anwesend war. Sie war in den Kriegen oft persönlich tätig, stets zu Pferde wie eine edle Amazone.

Sie war es auch, die zuerst die großen Feuersbrünste in unserm Frankreich entzündete und schöne Häuser und Schlösser in Asche legte, wie das von Follambray, das reizende Jagdschloß unsrer Könige. Darüber war der König so erbittert, daß er nach einiger Zeit an ihrem schönen Hause zu Bains Rache nahm, das als ein Wunderwerk geschätzt wurde und mit den sieben Weltwundern des Altertums wetteifern konnte. Dort gab sie dem Kaiser Karl und seinem Hofe glänzende Feste, als sein Sohn König Philipp, von Spanien nach Flandern reiste, um ihn zu besuchen. Die Pracht dieser Feste war so groß, daß man damals nur von den fiestas de Bains sprach, wie die Spanier sagten. Man hatte niemals etwas Schöneres und Großartigeres gesehen, selbst die prachtvollen Kampfspiele der Römer mit ihren Gladiatoren und wilden Tieren wurden dadurch übertroffen; denn die Feste von Bains waren schöner, lustiger und abwechslungsreicher.

Ich möchte sie gern hier beschreiben, wie ich sie in einem spanischen Buche fand, aber man könnte mir zu werte Abschweifung vorwerfen. Ich will nur das Eine erwähnen: Es war eine große Festung aus Ziegeln gebaut worden, die von sechstausend Mann Fußvolk belagert und verteidigt wurde. Es wurde bei Angriff und Verteidigung aus dreißig Kanonen gefeuert, ganz in kriegerischer Weise, und die Belagerung dauerte drei und einen halben Tag. Es fanden Kämpfe zwischen Kavallerie und Infanterie statt, geleitet vom Fürsten von Piemont, kurz, alles wurde wie[399] im Kriege gehandhabt, und es machte dem Kaiser großes Vergnügen.

Er rühmte sehr die Pracht und den Aufwand, besonders auch den in seinem Zimmer. Dort befand sich ein Tapetenwerk, das in großem Maßstabe, und alles in Gold, Silber und Seide die großen Kriegstaten darstellte, die er vollbracht, nicht zu vergessen die Verjagung Solimans vor Wien und die Gefangennahme des Königs Franz. Kurz, hier war alles köstlich und auserlesen.

Aber leider schwand bald darauf all die Pracht dieses Hauses dahin, denn es wurde »von Grund aus zerstört und geplündert Ich hörte, daß seine Herrin, als sie von diesem Zerstörungswerk vernahm, in lange nicht zu beschwichtigenden Zorn geriet Und eines Tages, als sie in die Gegend kam, betrachtete sie die Ruinen mit Tränen im Auge und schwor, ganz Frankreich solle es bereuen und sie würde nicht eher froh, als bis das schöne Fontainebleau, das so hoch gerühmt wurde, dem Erdboden gleichgemacht sei. Und in der Tat, sie ließ die arme Pikardie ihre Wut und Rache durch Feuerflammen fühlen. Ich glaube, wenn der Waffenstillstand nicht eingetreten wäre, so wäre ihre Rache fürchterlich geworden; denn sie hatte ein starkes und hartes Herz, und man hielt sie für gar zu grausam. Aber es ist die Natur der Frauen« besonders der großen, eine Beleidigung schnell zu rächen. Vom Kaiser wurde sie dafür desto mehr geliebt.

Nachdem die Königin von Ungarn ihre Verwaltung niedergelegt, blieb bei dem König Philipp keine große Prinzessin außer der Herzogin von Lothringen, Christiane von Dänemark, seine leibliche Cousine, später Ihre Hoheit genannt, die ihm gute Gesellschaft leistete. Sie gehörte nach meiner Meinung zu den schönsten und vollendetsten Fürstinnen, die ich gesehen. Ihr Gesicht war hübsch und liebenswürdig, ihre Figur groß, ihre Rede sehr schön und ihre Kleidung ganz vorzüglich. Hierin gab sie damals den Damen von Frankreich ein Muster. Haartracht, Kopfputz und Schleier wurden nach ihr à la Lorraine (nach lothringischer[400] Mode) benannt. Besonders besaß sie wunderschöne Hände. Sie hielt sich sehr gut und anmutig zu Pferde. – Als sie verheiratet war, besuchte sie oftmals Flandern, wie ich von Frau von Fontaines hörte. Als sie Witwe geworden und sie auch ihren Sohn verloren, verließ sie Lothringen mit Schmerz und nahm bei ihrem Onkel, dem Kaiser, und ihren Tanten, den Königinnen, Aufenthalt. –

Ich will noch ein paar Worte über die schönen Witwen sagen, nämlich von der Madame Blanche von Montferrat, aus einem der ältesten Häuser Italiens, die Herzogin von Savoyen war. Sie war es, die den kleinen König Karl VIII. so ehrenvoll empfing, als er sein Königreich Neapel betrat; besonders in Turin bereitete sie ihm einen prächtigen Empfang. Sie trug eine herrliche Goldrobe, besetzt mit großen Diamanten, Rubinen, Saphiren, Smaragden etc., dazu ein Halsband von großen orientalischen Perlen und ebensolche Armbänder. Sie ritt einen schönen weißen, prachtvoll geharnischten Zelter, geführt von sechs goldgewandeten Lakaien. Sie war begleitet von einer großen Schar Damen, reich und reizend nach piemontesischer Mode gekleidet; ihnen folgte ein großer Trupp Ritter und Edelleute des Landes. So trat sie in die Stadt ein und hinter ihr König Karl unter einem kostbaren Baldachin, und führte ihn zu dem Schlosse, wo er wohnte. Dort stellte Frau von Savoyen ihm am Schloßtor ihren jungen Sohn vor und hielt ihm eine schöne Ansprache, wofür der König von Herzen dankte. Überall in der Stadt sah man das Wappen von Frankreich und von Savoyen, durch ein Band der Liebe vereinigt, das die Worte trug: Sanguinus arctus amor. So liest man in der Chronik von Savoyen.[401]

Ich horte von manchen, die sie gesehen, und auch von der Madame Seneschall von Poitou, meiner Großmutter, die damals Hofdame war, daß man zu der Zeit nur von der Schönheit und Klugkeit dieser Fürstin sprach; besonders der König war entzückt von ihr.

Auch ohne ihre Schönheit hatte er Grund, sie zu lieben, denn sie unterstützte ihn mit allen Mitteln und entäußerte sich all ihrer Edelsteine, Perlen und Kleinodien, um ihm gefällig zu sein, was große Anerkennung verdient; denn die Damen geben meistens lieber eine Kostbarkeit ihres Körpers hin, als ihre Kleinodien, Ringe und Juwelen. Ich meine einige, nicht alle. Ohne diese Aufmerksamkeit und die der Marquise von Montferrat, einer ebenfalls sehr achtbaren und schönen Dame, wäre es ihm auf einer Reise, die er ohne Geld unternahm, schlecht ergangen, noch schlimmer als einem gewissen Bischof von Frankreich, der zum Konzil von Trient ging ohne Geld und ohne Latein. Das heißt wahrlich, sich ohne Proviant einschiffen!

Bei jener Einzugsfeier trug sich diese Fürstin für eine Witwe wohl etwas zu prächtig gekleidet. Damals genossen die Witwen aber solche Freiheiten, während es heute verboten ist, und sie nur Schwarz und Weiß tragen dürfen; ihre Unterröcke und Strümpfe dürfen grau, lohfarbig, violett und blau sein. Manche sah ich auch, die sich unterfingen, rot, rosa und chamois zu tragen, wie in vergangenen Zeiten: denn bei der Unterkleidung durften sie alle Farben verwenden, nur nicht bei der Robe.

Diese Herzogin durfte wohl jenes Gewand aus Goldstoff tragen, denn es war das Abzeichen ihrer Herzogswürde. Aber lassen wir jetzt diese ausländische Witwe und sprechen wir von unsrer Königin-Witwe Loyse von Lothringen, der Gemahlin des jüngst verstorbenen Königs Heinrich.

Diese Fürstin verdient hohes Lob; denn in ihrer Ehe mit dem König benahm sie sich gesetzt, keusch und tadellos, obgleich ihr Gemahl, nach Art der Großen, manchmal die[402] Abwechslung suchte. Ja, gleich im Anfang ihrer Ehe, das heißt schon zehn Tage nach der Hochzeit, kränkte er sie, indem er ihr alle ihre Kammermädchen und Fräuleins nahm, die sie schon als junges Mädchen bei sich gehabt hatte. Das tat ihr sehr leid, besonders wegen des Fräuleins von Changy, einer schönen und achtbaren jungen Dame. Es ist ja auch schmerzlich, eine gute Freundin und Vertraute zu verlieren. – Eine ihrer vertrauteren Damen war eines Tages so anmaßend, ihr lachend und im Scherz zu raten, sich, da sie vom König aus gewissen Gründen keine Kinder bekommen konnte, andrer geheimer Hilfe zu bedienen. Aber das nahm sie sehr übel auf, denn sie wollte ihre Macht lieber auf ihre Tugend und Keuschheit als auf eine dem Laster entsprungene Nachkommenschaft gründen. Dieser Rat wäre jedoch, nach der Auffassung der Welt und der Lehre Machiavellis, nicht zu verwerfen gewesen.

Man sagt, daß die Königin Maria von England, dritte Gemahlin König Ludwigs XII., andrer Meinung war. Denn unzufrieden mit der Schwäche ihres Gatten, nahm sie den Grafen von Angoulême zu Hilfe, der später König Franz wurde. Diese Fürstin befolgte das spanische Sprichwort: »nunca mujer aguda murió sin herederos« – »Eine geschickte Frau stirbt nie ohne Erben.« –

Madame von Guise, Katharine von Cleve, eine der drei Töchter von Nevers, hat stets das Andenken an ihren Gatten geehrt. Aber was für ein Mann war das auch! Er war einfach unvergleichlich. So nannte sie ihn auch in Briefen an einige vertraute Damen und zeigte durch ihre Worte, von welcher Trauer ihre Seele erfüllt war.

Ihre Schwägerin, Madame von Montpensier, betrauerte ebenfalls tief ihren Gatten, und obwohl sie noch sehr jung und an Leib und Seele schön und liebenswürdig war, dachte sie nie daran, sich wieder zu vermählen.

Manche Damen und Herren wunderten sich oft darüber, daß die Prinzessin von Condé aus dem Hause von Longueville nicht wieder heiraten wollte, da sie doch eine der[403] schönsten Frauen Frankreichs war und in jungen Jahren Witwe wurde.

Ihre Mutter, die Marquise von Rothelin, handelte ebenso und starb, so schön sie auch gewesen war, als Witwe. Sicher, die Mutter wie die Tochter konnten mit ihren schönen Augen ein ganzes Königreich in Flammen setzen. Bei Hofe und im Lande galten ihre Augen als entzückend. Viele haben sich wohl an ihrer Glut entzündet, aber sich diesen Frauen mit einer Ehewerbung nähern, davon konnte keine Rede sein. Beide hielten ihren verstorbenen Gatten Treue und heirateten nicht wieder.

Ich käme nie zu Ende, wenn ich alle Fürstinnen unsrer Höfe unter diesem Gesichtspunkt anführen wollte; deshalb wende ich mich nun zu einigen Damen, die, wenn sie auch keine Fürstinnen, doch ebenfalls von vornehmer Abstammung waren und eine ebenso edle Seele besaßen, wie jene.

Frau von Randan, genannt Fulvia Mirandola, aus dem Hause Admiranda, war sehr schön und ward in der Blüte ihrer Jahre Witwe. Sie betrauerte ihren Verlust so tief, daß sie nie wieder in den Spiegel sah und dein glänzenden Kristall ihr schönes Antlitz, das er so sehr zu sehen begehrte, vorenthielt. Sie konnte nicht sagen, wie jene Dame, die ihren Spiegel zerbrach und ihn der Venus weihte, mit den lateinischen Versen:


Dico tibi Veneri speculum, quia cernere talem

Qualis sum nolo, qualis eram nequeo.


»Dir, Venus, weihe ich meinen Spiegel, denn so wie ich bin, mag ich mich nicht mehr sehen; und so, wie ich einst war, kann ich mich nicht mehr sehen.«

Madame von Randan verschmähte ihren Spiegel nicht aus diesem Grunde, denn sie war sehr schön, sondern wegen eines Gelübdes, das sie dem Schatten ihres Gemahls geleistet, der zu den vollendetsten Edelleuten Frankreichs gehörte, und um dessenwillen sie aller Weltlichkeit entsagte. Stets trug sie streng ihren Witwenschleier und ließ nie ihr Haar sehen. Herr von Guise nannte sie stets die Nonne,[404] aber er sagte es lachend und wenn er mit ihr scherzte; denn er liebte und ehrte sie hoch, wie sie denn auch ihm und seinem Hause sehr zugetan war.

Madame von Carnavalet weigerte sich, zum zweiten Mal Witwe, eine dritte Ehe zu schließen, und zwar mit Herrn von Espernon, damals genannt Herr de la Vallette der Jüngere; er war in die schöne Witwe so verliebt, daß er drei- oder viermal den König zu seinem Fürsprecher machte. Aber sie lehnte ab. Ihr erster Gatte war der Graf von Montravel, ihr zweiter Herr von Carnavalet gewesen. Und als ihre vertrauteste Freundin, und auch ich, der ich sie sehr verehrte, ihren Fehler vorhielt, eine so große Partie auszuschlagen, da La Vallette ein großer Günstling des Königs war, der ihn wie sein andres Selbst behandelte, erwiderte sie: Ihr Glück läge nicht in all den hohen Vorteilen dieser Verbindung, sondern in ihrem Entschluß und ihrer vollen Freiheit, sowie in dem Angedenken ihrer beiden Gatten, deren Zahl ihr genügt habe.

Madame de Bourdeille, aus dem alten und berühmten Hause von Montbron und den Grafschaften von Périgord und Aunay, wurde im Alter von 37–38 Jahren Witwe. Sie war sehr schön (und ich glaube, daß in Guyenne, woher sie stammte, sie zu ihrer Zeit von niemand an Schönheit und Anmut übertroffen wurde; denn sie besaß eine prächtige Gestalt und war schön an Leib und Seele). Da sie als Witwe in noch so schönem Alter stand, wurde sie von drei reichen Herren zur Gattin begehrt, aber sie antwortete allen: »Ich will nicht, wie viele andre Damen, mich verschwören, nie wieder zu heiraten, aber ich sage, wenn Gott mir keine andern Wünsche eingibt, als wie ich jetzt hege, so will ich mich nur mit Gott vermählen.« – Darauf erwiderte man ihr: »Aber, Madame, wollen Sie denn in der Blüte Ihrer Jahre sich im Feuer verzehren?« – »Ich weiß nicht, wie Sie das meinen,« entgegnete sie, »aber bis jetzt ist es mir noch nicht möglich gewesen, mich allein in meinem kalten Ehebett zu erhitzen. Freilich will ich nicht[405] leugnen, daß ich mit einem zweiten Gatten wieder brennen könnte, wie Sie sagen. Da aber die Kälte leichter zu ertragen ist als die Hitze, so bin ich entschlossen, einer zweiten Ehe zu entsagen.« Und wie sie versprochen, so hat sie es gehalten: sie ist als Witwe gestorben.

Einer ihrer Bewerber war Herr d'Estrozze, aber so hoch er auch bei der Königin-Mutter in Gunst stand, sie lehnte ihn doch in ehrenvoller Weise ab. Immerhin, welch eine Laune, als schöne und reiche Erbin den Rest der Tage auf dem einsamen Pfühl des Witwenbettes zu verbringen! Wie wenige Frauen gleichen einer solchen, aber es gibt auch andre, die ihr ähneln. Wenn ich alle anführen wollte, käme ich nicht zu Ende, und wollte ich den christlichen Frauen heidnische anreihen, so würde ich an jene schöne Römerin Martia erinnern, die ältere Tochter Catos von Utica, Schwester der Portia. Als man diese, die beständig um ihren Gatten trauerte, befragte, wann der letzte Tag ihrer Trauer gekommen sei, antwortete sie: »Wenn der letzte Tag meines Lebens gekommen ist.« Da sie sehr reich war, fragte man sie, wann sie sich wieder vermählen würde. Darauf entgegnete sie: »Dann, wenn ich einen Mann finde, der mich nicht wegen meiner Güter, sondern um meiner Tugenden willen begehrt.« Und wahrlich, sie mußte tugendhaft sein, sonst wäre sie nicht die Tochter Catos und die Schwester der Portia gewesen.

Der heilige Hieronymus spendet in einem Kapitel über eine gewisse Principia, eine Jungfrau, einer römischen Dame seiner Zeit Namens Marcella hohes Lob. Sie wurde, aus gutem Hause stammend, in sehr jungem Alter Witwe, und sowohl wegen ihrer Jugend wie wegen der Ehrwürdigkeit ihres Hauses stark umworben, nicht minder aber wegen ihrer schönen Gestalt, die ganz besonders den Wunsch der Männer erregte (mit diesen Worten drückt sich der heilige Hieronymus aus. Man beachte, was er bemerkt!) Unter den Freiern befand sich einer Namens Cerealis, ein großer und reicher Römer, ebenfalls aus Konsulsstamme. Da er[406] schon etwas im Alter vorgeschritten war, versprach er ihr zum voraus große Güter und Geschenke. Auch ihre Mutter, die Albina hieß, redete ihr zu, aber sie entgegnete: »Wenn ich Lust hätte, mich wieder in den See zu stürzen, und wieder die Bande einer Ehe auf mich zu nehmen, statt mich einer zweiten Keuschheit zu weihen, würde ich lieber einen Gatten nehmen als eine Erbschaft.« Da der Liebhaber glaubte, sie sage das seines hohen Alters wegen, antwortete er ihr: Die Alten könnten lange leben und die Jungen bald sterben. Sie aber entgegnete: »Ja, gewiß, ein Junger kann bald sterben; aber ein Greis kann nicht lange leben.« Dieses Wortes halber gab er sie auf. Ich finde den Ausspruch dieser Frau sehr klug, ebenso wie ihren Entschluß und den der Martia, und schätze diese höher als ihre Schwester Portia, die nach dem Tode ihres Gatten nicht länger leben wollte und sich den Tod gab. Als man alle Gegenstände beseitigt hatte, womit sie sich töten konnte, verschlang sie glühende Kohlen und verbrannte sich damit die Eingeweide, indem sie sagte, einer mutigen Frau könne es nicht an Mitteln fehlen, sich den Tod zu geben. Martial spricht davon in einem sehr schönen Epigramme. Diese Frau habe (nach einigen Philosophen und auch nach Aristoteles, wo er in seiner Ästhetik vom Mut und der Stärke spricht) in jener Tat weder Mut noch Seelengröße gezeigt, ebensowenig wie andre, die Gleiches getan, wie ihr Gatte. Denn um einem großen Übel zu entrinnen, stürzen solche sich in ein geringeres. So viel ist sicher, jene Frau hätte besser getan ihre Tage auf die Trauer um ihren Gatten anzuwenden und seinen Tod zu rächen, statt sich selbst den Tod zu geben, der zu garnichts dient. So hörte ich diese Frau von manchen tadeln. Was mich betrifft, so kann ich sie jedoch nur loben, wie alle Witwen, die ihre Gatten im Leben und im Tode lieben. Auch der heilige Paulus spendet solchen Witwen im Sinne seines großen Lehrers hohes Lob. Freilich sagen manche, daß die schönen und jungen Witwen zu grausam gegen sich und die Natur sind, wenn sie nicht wieder von[407] der süßen Frucht einer zweiten Ehe kosten wollen, die das göttliche und menschliche Gesetz ihnen gestatten, und wenn sie sich enthalten, wegen eines eigensinnigen Gelübdes, das sie dem Schatten ihres Gemahls abgelegt, der auf den Elyseischen Gefilden herumirrend, sich nicht mehr darum kümmert, ja, vielleicht ihrer spottet. Sie sollten sich die schönen Vorhaltungen zu Herzen nehmen, die Anna ihrer Schwester Dido im vierten Buch der Aneïde sagt, und sich nicht zu sehr dem Gelübde der Witwenschaft unterwerfen.

Doch genug von den enthaltsamen Witwen. Sprechen wir jetzt von den andern, die sich wieder nach dem sanften und heitern Gotte Hymen sehnen. Unter diesen gibt es manche, die schon bei Lebzeiten ihres Gatten so heiß in ihre Anbeter verliebt sind, daß sie sich mit ihnen schon zum voraus ins Einverständnis setzen. »Ach,« sagen sie, »wenn mein Gatte tot wäre, dann wollten wir dies und jenes treiben. O, dann wollten wir ein Leben führen. Wir gingen nach Paris, an den Hof. Wir würden uns schon so einrichten, daß uns nichts schaden kann: Sie würden dieser den Hof machen und ich jenem. Wir würden dies und jenes vom Könige haben. Wir würden unsern Kindern Vormünder verschaffen. Und an Geld und Mitteln würde es uns auch nicht fehlen. Kurz, wer könnte glücklicher sein als wir?«

So beschließen diese verheirateten Frauen mit ihren Liebhabern vor der Zeit. Manche von ihnen wünschen den Gatten den Tod nur in Gedanken, andre aber helfen ihnen nach, das Jenseits zu gewinnen, worüber ja genug Prozesse an unsern Gerichtshöfen vorkommen. Aber das Beste ist, daß sie es nicht machen wie jene spanische Dame, die, von ihrem Gatten mißhandelt, ihn tötete und darauf sich selbst. Auf dem Tisch ihres Zimmers fand man folgende von ihrer Hand geschriebenen Zeilen:


Aqui yaze qui a buscado una muger,

Y con ella casado, no l'ha podido hazer muger.

A las otras, no a mi, cerca mi, dava contentamiento.[408]

Y por este, y su flaqueza y atrevimiento,

Yo lo he matado,

Por le dar pena de su pecado:

Ya my tan bien, por falta de my juyzio,

Y por dar fin á la mal-adventura qu'yo avió.


»Hier ruht Jener, der ein Weib suchte, sie aber nicht zur Frau machen konnte. Andern, aber nicht mir, gab er Befriedigung, und deshalb und wegen seiner Schwächlichkeit habe ich ihn getötet, um ihn für seine Sünde zu strafen. Auch mir habe ich den Tod gegeben, um meinem Mißgeschick ein Ende zu setzen.«


Diese Dame hieß Madalena de Soria, und sie tat ganz gut daran, ihren Gatten zu töten, war aber sehr töricht, sich selbst umzubringen. Sie hätte danach ein lustiges Leben führen sollen, aber freilich hatte sie die Justiz zu fürchten.

Andre Witwen sind vernünftiger und tugendhafter und lieben ihre Gatten mehr. Sie beweinen und beklagen sie so überschwänglich, daß man glauben sollte, sie würden in einer Stunde nicht mehr leben. – Aber oft ist ihr Schmerz nicht von langer Dauer.

Ich kannte eine sehr schöne Dame, die durch den Tod ihres Gatten in solche Verzweiflung gestürzt wurde, daß sie sich das Haar ausraufte und sich Gesicht und Brust zerschlug. Als man ihr vorwarf, welches Unrecht sie ihrem schönen Antlitz zugefügt, versetzte sie: »Ach Gott, was sagen Sie mir? Was soll ich denn mit meinem Gesicht machen? Für wen soll ich es denn schonen, da mein Gatte nicht mehr ist?« Acht Monate später schminkte sie sich mit spanischem Rot und Weiß und puderte ihr Haar. Das war eine große Änderung.

Hierfür könnte ich noch ein gutes Beispiel anführen, und zwar von der schönen Frau von Ephesus. Sie hatte ihren Gatten verloren, und es war ihren Verwandten und Freunden unmöglich, einen Trost für sie zu finden. Bei der Beerdigung ihres Mannes, die sie mit lauten Klagen und Tränen begleitete, warf sie sich über den Sarg und verschwor, hier im Grabgewölbe bei der Leiche ihres Gatten[409] sterben und ihn niemals verlassen zu wollen. In der Tat blieb sie zwei oder drei Tage in der Gruft Nun begab es sich, daß ein Mann aus der Stadt wegen eines Verbrechens gehenkt worden war und sein Leichnam am Galgen außerhalb der Stadt einige Tage lang sorgfältig von einigen Soldaten bewacht wurde, um als warnendes Beispiel zu dienen. Einer der wachhabenden Soldaten hörte nun in der Nähe eine wehklagende Stimme. Er ging darauf zu und entdeckte, daß sie aus der Totenhalle hervordrang; er ging hinein und gewahrte diese Dame, schön wie der Tag und ganz in Jammer aufgelöst. Er näherte sich ihr und fragte nach der Ursache ihrer Verzweiflung, die sie ihm in gütiger Weise erklärte. Er versuchte sie zu trösten, aber da es ihm das erste Mal nicht gelang, so kam er zwei- ja dreimal wieder. Nun half es; sie beruhigte sich nach und nach und trocknete ihre Tränen. Und da er nun den Grund ihres Kummers wußte, genoß er sie zweimal, und zwar auf dem Sarge ihres Gatten. Darauf versprachen sie einander die Ehe. Nachdem der Soldat diese Sache glücklich zustande gebracht, kehrte er zu seinem Gehängten zurück, den er bei Lebensstrafe nicht verlassen durfte. So glücklich nun dieses Unternehmen verlaufen war, so unglücklich gestaltete es sich für ihn, daß inzwischen, wo er sich mit der Dame ergötzte, die Verwandten des Gehängten gekommen waren in der Absicht, den Leichnam zu entwenden, falls sie keine Wache finden würden. Da die Wache nun wirklich abwesend war, schnitten sie den Körper sofort ab und machten sich schleunigst davon, um ihm ein ehrliches Begräbnis zu geben. Als der Soldat nun kam und den Leichnam vermißte, lief er verzweifelt zu seiner Dame und klagte ihr sein Mißgeschick. Er wäre nun verloren, denn ein Soldat, der auf Wache schläft oder den Leichnam des Verbrechers entwenden läßt, wird an dessen Stelle gehenkt, und das würde sein Los werden. Die Dame, die vorher von ihm getröstet worden war, glaubte nun auch ihm Trost zu schulden und sprach daher: »Beruhige dich, mein Lieber,[410] und hilf mir nur, meinen Gatten aus dem Grabe zu holen. Wir wollen ihn an die Stelle des andern hängen, und man wird glauben, es sei der Richtige.« Gesagt, getan! Nun war aber dem Verbrecher auch noch ein Ohr abgeschnitten worden, und so nahm die Frau an dem Gatten diese Verstümmelung ebenfalls vor, damit die Täuschung vollkommen sei. Am nächsten Tage kam das Gericht und fand nichts auszusetzen. So rettete die Frau ihren Liebhaber durch eine häßliche und schändliche Handlung an ihrem Gatten, sie, sage ich, nach deren verzweifelter Trauer man einen so schmählichen Ausgang nicht erwartet hätte.

Ich hörte diese Geschichte zum erstenmal von Herrn von Aurat, der sie dem wackern Herrn Du Gua und einigen andern, die wir bei ihm speisten, erzählte. Er merkte sich eine gute Geschichte sehr wohl und wußte sie hübsch anzuwenden. Als wir später das Gemach der Königin betraten, sah er eine schöne junge, eben erst verwitwete Frau, die, tief in den Witwenschleier gehüllt eine sehr trostlose Miene zur Schau trug. Sogleich sagte Herr Du Gua zu mir: »Siehst du die da? Bevor ein Jahr zu Ende ist, wird sie es machen wie die Frau von Ephesus.« Und so geschah es auch; freilich nicht in so schändlicher Weise, aber sie heiratete einen ganz geringen Mann, wie Herr Du Gua prophezeit hatte. Dasselbe erzählte mir Herr von Beau-Joyeux, ein Kammerherr der Königin-Mutter und der beste Geigenspieler der Christenheit. Er war nicht nur vollendet in seiner Kunst, sondern auch ein feiner Geist und wußte viele hübsche Geschichten, die er denn auch reichlich zum Besten gab. Er hatte manches schöne Liebesabenteuer gehabt, denn mit seiner vortrefflichen Kunst und seinem kühnen Geist, – zwei gute Werkzeuge für die Liebe – konnte er viel ausrichten. Der Marschall von Brissac hatte ihn mit seiner vorzüglichen vollständigen Violinkapelle von Piemont aus der regierenden Königin-Mutter gesandt. Damals hieß er Baltazarin; später änderte er seinen Namen. Er war es, der die schönen Ballets komponierte, die stets bei Hofe[411] getanzt wurden. Er war mit Herrn Du Gua und mir sehr befreundet und wir plauderten viel zusammen. Dabei erzählte er gern eine hübsche Geschichte, besonders von den Liebschaften und Listen der Damen, unter andern auch die von der Frau von Ephesus. Später las ich sie in den »Funérailles«, einem sehr schönen Buch, das dem Herrn von Savoyen gewidmet war.

Man könnte mir sagen: ich hätte diese Abschweifung nicht zu machen brauchen, aber ich wollte gern von meinem Freunde sprechen, der öfter, wenn er eine unsrer verzweifelten Witwen sah, zu sagen pflegte: »Die da wird eines Tages die Rolle der Frau von Ephesus spielen oder hat sie schon gespielt.« Ja, sicher, es war eine seltsame Tragikomödie, den Tod ihres Gatten so unmenschlich zu entweihen.

Anders verfuhr eine Dame unsrer Zeit Sie schnitt, als ihr Gatte gestorben war, ihm die mittleren Teile ab, die sie einst so sehr geliebt, balsamierte sie mit wohlriechenden Stoffen ein und barg sie dann in einer vergoldeten Silberbüchse, die sie wie ein Heiligtum hegte. Man kann sich denken, daß sie oft diese Büchse öffnete und sich dabei der schönen Zeiten von einst erinnerte. Ich weiß nicht, ob die Geschichte wahr ist, aber sie wurde dem König erzählt, und ich habe sie von ihm selbst gehört.

Bei dem Blutbade von Saint-Barthélemy wurde der Herr Pleuviau getötet, der seinerzeit in den Kriegen von Toscana unter Herrn von Soubise, sowie in den Bürgerkriegen ein tapferer Soldat gewesen war. In der Schlacht von Jarnac hatte er sich als Kommandant eines Regiments ausgezeichnet, ebenso bei der Belagerung von Niort. Einige Zeit danach sagte der Soldat, der ihn getötet hatte, zu dei schönen und reichen Witwe, die ganz in Tränen aufgelöst war, er würde auch sie töten, wenn sie ihn nicht heiraten wolle; denn zu jener Zeit regierten eben Mord und Totschlag. Die arme Frau war gezwungen, um ihr Leben zu retten, Hochzeit und Beerdigung zu gleicher Zeit zu halten. Und[412] dennoch ist sie entschuldbar; denn was hätte ein schwaches Weib anderes beginnen sollen, wenn sie sich nicht selbst den Tod geben oder ihre schöne Brust dem Degen des Mörders darbieten wollte? Aber


Le temps n'est plus, belle bergeronnette;


solche Törinnen wie einst gibt es nicht mehr, und zudem verbietet unser christliche Glaube den Selbstmord.

Bei demselben Gemetzel von Saint-Barthelémy verlor eine andre Frau ihren Gatten, und ihr Schmerz um ihn war so groß, daß sie, wenn sie zufällig einen armen Katholiken sah, der vielleicht garnicht einmal an dem Blutbade beteiligt gewesen, sie ihn nur mit Entsetzen und Abscheu sehen konnte. Auch von Paris wollte sie nichts sehen, – was sag' ich, – nicht einmal davon hören! Nach Verlauf von zwei Jahren beschloß sie aber, die gute Stadt dennoch zu besuchen. Als sie in ihrem Wagen durch die Rue de la Huchette kam, wo ihr Gatte getötet worden war, da hätte sie sich lieber ins Feuer gestürzt, statt durch diese Straße zu fahren; so wie die Schlange, die den Schatten der Esche so sehr verabscheut, sich lieber in das helle Feuer stürzt, wie Plinius sagt, statt in dem Schatten dieses Baumes zu weilen. Nach einiger Zeit hatte sie sich so gut an Paris gewöhnt, daß sie es nach allen Richtungen durchstreifte, und als ich eines Tages nach achtmonatlicher Abwesenheit von einer Reise an den Hof zurückkehrte und dem König meine Aufwartung machte, sah ich in den Saal des Louvre jene Wittwe treten, schön geschmückt und herausgeputzt, in Begleitung ihrer Verwandten und Freundinnen, um vor dem ganzen Hofe die ersten Weihen der Ehe, also die Verlobung, aus den Händen des Bischofs von Digne zu empfangen, des Groß-Almosenpflegers der Königin von Navarra. Mein Erstaunen war nicht gering, aber auch nicht minder das ihre, wie sie mir später sagte, mich unvermutet hier zu sehen. Denn ich mußte mich ihrer Schwüre und Versicherungen von einst erinnern, da ich um sie geworben hatte. Sie dachte, ich wäre absichtlich dort erschienen, um[413] als Zeuge und Richter aufzutreten, und sie sagte, sie hätte lieber zehntausend Taler hingegeben, als mich dort zu sehen.

Ich kannte eine hochgeborene Gräfin, die, verwitwet, und als überzeugte Hugenottin ein Eheversprechen mit einem achtbaren katholischen Edelmann einging. Zum Unglück aber wurde sie vor Abschluß der Ehe zu Paris von einem ansteckenden Fieber ergriffen, das ihren Tod herbeiführte. Voll Kummer und Verzweiflung rief sie aus: »Ach, gibt es denn in einer so großen Stadt, wo die Wissenschaft blüht, keinen Arzt, der mich heilt? Am Gelde soll es nicht fehlen; ich werde ihn reichlich bezahlen. Wenn doch wenigstens mein Tod nach unserer Vermählung erfolgt wäre, damit mein Gatte hätte erkennen können, wie sehr ich ihn liebe und ehre!« (Sophonisbe sprach anders, denn sie bereute, geheiratet zu haben, bevor sie das Gift trank.) Mit diesen und ähnlichen Worten verschied die Gräfin. Das nenne ich Liebesglut, sich mitten auf dem stygischen Fluß der Vergessenheit der Liebesfrüchte zu erinnern, und sie noch einmal kosten zu wollen, bevor man den Garten verläßt! –

Ich las in einem kleinen spanischen Buche, daß Vittoria Colonna, Tochter des großen Fabrizio Colonna und Gattin des großen Marchese von Pescara, dieses Musterbildes seiner Zeit, über den Tod ihres Gemahls so in Schmerz und Verzweiflung geriet, daß niemand sie trösten konnte. Sie sagte nur: »Worüber wollt ihr mich trösten? Über den Tod meines Gatten? Ihr täuscht euch; er ist nicht tot, denn er lebt in meiner Seele. Tag und Nacht fühle ich, wie er in mir aufs neue zum Leben kommt.« Diese Worte wären ja sehr schön gewesen, wenn sie nicht einige Zeit, nachdem er den Acheron überschritten, sich mit dem Abt von Farfa wiedervermählt hätte, der sicher dem großen Pescara nicht ebenbürtig war. Ich will nicht sagen, der Abstammung nach, denn er war aus dem edlen Hause der Ursino, das ebensoviel oder mehr gilt als das Haus Avalos. Aber in den Eigenschaften konnten sie einander nicht die Wage halten, denn diejenigen Pescaras waren unvergleichlich und[414] sein Wert unschätzbar. Freilich legte der genannte Abbé auch Zeugnis von dem Wert seiner Person im Dienste des Königs Franz ab, aber das waren doch Kleinigkeiten im Vergleich zu den ausgezeichneten Leistungen Pescaras. Auch mußte ja das Waffenhandwerk, das dieser seit seiner Jugend täglich geübt, dasjenige eines Kirchenmannes weit übertreffen, der sich diesem erst spät zugewandt Nicht daß ich damit das Verdienst solchen Männern absprechen wollte, die sich Gott und seiner Kirche widmeten und dann ihr Gelübde brachen, um die Waffen zu ergreifen; damit würde ich vielen großen Feldherren Unrecht tun, die ebenfalls früher Geistliche waren.

War noch Cesare Borgia, Herzog von Valentinois früher Kardinal gewesen und später ein so großer Feldherr geworden, daß Machiavelli, dieser verehrungswürdige Lehrer der Fürsten und Großen, ihn als ein nachahmenswertes Beispiel und einen Spiegel für andre seines Gleichen aufstellt. Wir hatten ferner den Herrn Marschall von Foix, der der Kirche angehörte und sich früher Protonotar von Foix nannte: er ist ein sehr großer Feldherr gewesen. Der Herr Marschall d'Estrozze hatte sich der Kirche geweiht, und er verließ wegen eines roten Hutes, der ihm verweigert wurde, sein geistliches Gewand und nahm die Waffen. Herr von Salvoison trug in seinem ersten Beruf die lange Robe, und doch – was für ein Feldherr ist er gewesen! Er wäre ein unvergleichlicher Held geworden, wenn er länger gelebt hätte. Und hat der Marschall von Bellegarde nicht das Priesterbarett getragen, als er lange Zeit der Propst von Ours hieß? Der verstorbene Herr von Anguien, der in der Schlacht bei Saint-Quintin fiel, war Bischof gewesen;[415] ebenfalls der Ritter von Bonnivet Auch der tapfre Herr von Martigues war Geistlicher gewesen; kurz, eine Menge andre, die ich hier nicht alle aufzählen kann. Auch muß ich meine eignen Verwandten erwähnen, und zwar mit gutem Grunde. Der Hauptmann Bourdeille, mein Bruder, einst in jeder Beziehung der Rodomonte von Piémont, war gleichfalls ein Mann der Kirche; aber da er hierin nicht seinen eigentlichen Beruf erkannte, vertauschte er sein langes Kleid mit dem kurzen und machte sich im Handumdrehen zu einem der wackersten Kapitäne von Piemont Er hätte es weit gebracht, wenn er nicht leider schon im Alter von 25 Jahren gestorben wäre.

Zu unsrer Zeit und an unserm Hofe haben wir ähnliche Männer gehabt, u.a. den kleinen Herrn von Clermont-Tallard, den ich als Abt von Bon-Port kannte; später gab er seine Abtei auf und wir sahen ihn in unsern Feldzügen und bei Hofe als einen der tapfersten und ehrenwertesten Männer, die wir je gehabt Als solcher erwies er sich auch bei seinem Tode, der ihn so glorreich bei La Roch eile ereilte, als wir das erste Mal den Festungsgraben betraten, ich könnte Tausende anführen, aber dann käme ich nicht zu Ende. Herr von Souillelas, genannt der junge Oraison, war Bischof von Riays gewesen; später führte er ein Regiment und diente treu und tapfer seinem Könige in Guienne, unter dem Marschall von Matignon.[416]

Kurz, ich käme nicht zu Ende, wenn ich alle diese Leute nennen wollte; so schweige ich denn der Kürze halber und damit man mir nicht den Vorwurf gar zu großer Abschweifungen mache. Diese jedoch bot sich dar, wo ich von Vittoria Colonna sprach, die jenen Abt geheiratet hat. Hätte sie sich nicht mit diesem vermählt, so würde sie den Namen Victoria besser verdient haben, da sie dann Siegerin über sich selbst geblieben wäre. Und da sie einen zweiten Mann, der ihrem ersten geglichen, nicht finden konnte, hätte sie sich genügen lassen sollen.

Ich kannte viele Damen, die dieser Frau nachahmten. Die Frau eines meiner Oheime, der einer der tapfersten und wertvollsten Männer seiner Zeit war, heiratete nach seinem Tode einen andern, der jenem glich, wie der Esel einem spanischen Roß.

Eine Witwe habe ich gekannt, die den Tod ihres Mannes in der verzweifeltsten Weise beklagte, so daß man glaubte, sie würde dem Jammer unterliegen. Nach Verlauf eines Jahres, als sie die große Trauer ablegen und die kleine tragen konnte, sagte sie zu einer ihrer Frauen: »Hebt mir diesen Trauerschleier gut auf, denn möglicherweise kann ich ihn noch einmal brauchen.« Aber gleich darauf verbesserte sie sich: »Was habe ich gesagt?« fragte sie. »Ich träumte wohl. Ich will ja lieber sterben, als den Schleier noch einmal anlegen.« Nach Ablauf der Trauerzeit heiratete sie wieder, und zwar einen ihrem ersten Gatten ganz unebenbürtigen Mann. »Aber,« sagten die Frauen, »er ist aus einem ebenso guten Hause.« »Ja, das gebe ich zu, aber wo ist sein Wert und seine Tugenden? Sind die nicht schätzbarer als alles andre?«

Valeria, eine Römerin, hatte ihren Gatten verloren, und als einige Freundinnen sie trösteten, sagte sie: »Er ist nur für euch tot; in mir aber lebt er ewig.« Ein ähnliches Wort, wie die erwähnte Marquise äußerte. Die Aussprüche dieser ehrenwerten Dame stehen aber im Widerspruch zu dem verleumderischen spanischen Sprichwort:[417] »que la Jornada de la biudez d'una muger es d'un dia.« »Die Witwenschaft einer Frau dauert nur einen Tag.« Die Gattin des Königsleutnants de Monnains, der zu Bordeaux umgebracht wurde, rief aus, als man ihr die Botschaft von seinem Tode brachte: »Oh! mein Diamant! Was ist daraus geworden?« Sie hatte ihn ihm bei der Vermählung gegeben, und er war damals zehn- bis zwölftausend Taler wert, und er trug ihn stets am Finger. Es war also klar, was sie mehr betrauerte: den Verlust ihres Gatten oder den des Diamantringes.

Madame d'Estampes, die vom König Franz sehr begünstigt, um deswillen aber von ihrem Gatten wenig geliebt wurde, sagte, wenn eine Witwe sie besuchte und Mitleid mit ihrem Witwenstand begehrte: »Ach, meine Liebe, seien Sie froh, daß Sie in diesem Stande sind, denn man ist nur Witwe, wenn man will.« Womit sie zeigte, daß sie es selbst gern wäre. Das mag für einige gelten, aber nicht für alle.

Aber was sollen wir von solchen verwitweten Frauen sagen, die ihre Ehe geheim halten? Ich kannte eine, die sieben oder acht Jahre lang ihre Ehe verschwieg. Man sagte, aus Furcht vor ihrem jungen Sohne, der ein tapfrer Mann war und wohl ihr und dem Gatten sehr gezürnt haben würde, obwohl letzterer zu den Großen gehörte. Sobald der Sohn aber in einer kriegerischen Tat, die ihn mit Ruhm bedeckte, gestorben war, veröffentlichte sie sofort ihre Vermählungsanzeige.

Ich hörte von einer verwitweten großen Dame, die seit 15 Jahren mit einem sehr großen Prinzen und Herrn vermählt ist; aber die Welt wußte nichts davon. Man sagte, daß der Herr seine Schwiegermutter fürchtete, die sehr herrschsüchtig war und nicht wollte, daß er sich wieder vermähle, seiner kleinen Kinder wegen.

Ich hörte von einer sehr vornehmen Dame erzählen, daß der Kardinal von Belay, als Bischof und Kardinal, Madame von Chastillon geheiratet hat und als verheirateter Mann gestorben ist Sie sagte es auf ein Gespräch hin,[418] das sie mit Herrn de Manne, einem Provenzalen aus dem Hause Senjal hatte, der Bischof von Frejus war und während eines Zeitraums von 15 Jahren dem genannten Kardinal am römischen Hofe gefolgt war und einer seiner vertrautesten Protonotare gewesen war. Auf den Kardinal zu sprechen kommend, fragte sie ihn, ob ihm der Kardinal nicht anvertraut habe, daß er verheiratet gewesen. Herr de Manne war nicht wenig erstaunt über diese Frage und sagte, er habe nie davon gehört »Nun, dann sage ich es Ihnen,« versetzte sie; »er ist tatsächlich mit der Frau von Chastillon vermählt gewesen.« Ich war zugegen und habe über das erstaunte Gesicht des Herrn de Manne gelacht, der sehr fromm und gewissenhaft war und alle Geheimnisse seines Herrn zu kennen meinte; in diesem Punkte aber war er genasführt; auch war dies Geheimnis skandalös angesichts des heiligen Ranges, den er einnahm.

Aber sprechen wir nicht mehr von diesen Standespersonen, um der Verehrung willen, die wir ihrem Kleide schulden. Wir müssen jetzt ein wenig unsre alten Witwen betrachten, die keine sechs Zähne mehr im Munde haben und sich wieder verheiraten. Vor nicht langer Zeit heiratete eine Frau in Guyenne im Alter von achtzig Jahren zum viertenmal. Ich weiß nicht, warum sie es tat, denn sie war sehr reich, weshalb der Edelmann sich wohl um sie bewarb; vielleicht wollte sie noch einmal »fringuer sur les lauriers«, wie Fräulein Sevin, die Hofnärrin der Königin von Navarra sagte.

Ich kannte auch eine große Dame, die im Alter von 76 Jahren sich wieder vermählte, und zwar mit einem Herrn, der sich mit ihrem ersten Gatten nicht vergleichen konnte. Sie wurde hundert Jahre alt und bewahrte sich doch ihre Schönheit.[419]

Diese Frauen müssen viel Hitze gehabt haben. Auch hörte ich von Sachverständigen sagen, daß ein alter Ofen schneller heiß wird als ein neuer, und einmal geheizt, die Wärme länger hält und besseres Brot liefert.

Ich weiß nicht, was die Gatten und Liebhaber Schmackhaftes an ihnen finden, aber ich habe viele tüchtige Edelleute in alte Damen, oft mehr als in junge, verliebt gesehen. Man sagt wohl, es geschähe um materieller Vorteile willen. Manche sah ich in heißer Liebe für alte Frauen entbrennen, die nichts aus deren Geldbörse ziehen wollten, sondern nur aus jener kleinen Börse ihres Schoßes. So sahen wir einst einen großen regierenden Fürsten, der eine vornehme betagte Witwe so leidenschaftlich liebte, daß er seine Gemahlin und alle andern noch so schönen und jungen Frauen aufgab, um mit ihr der Liebe zu pflegen. Aber bei dieser Frau war es begreiflich, denn sie war eine der schönsten und liebenswürdigsten Damen, die man je gesehen hatte, und ihr Winter wog sicherlich den Frühling, Sommer und Herbst der andern auf. Unter denen, die sich mit den Courtisanen Italiens abgegeben, wählten manche die berühmtesten und ältesten und am längsten in der Sache geübten, weil sie ihnen für Körper und Geist größere Genüsse boten. Deshalb war jene reizende Kleopatra, als Marcus Antonius um sie warb, ihrer Sache sicher, da sie es verstanden hatte, Julius Cäsar und Cnejus Pompejus, den Sohn des großen Pomp ejus, schon zu fesseln, als sie noch ein junges Mädchen war und nichts von der Welt und der Liebe wußte. Um wie viel mehr konnte sie nun, da sie älter und erfahrener geworden, jenen Mann beherrschen, der den etwas plumpen Soldaten nie zu verleugnen vermochte. Denn in der Tat, wenn manche Männer nur durch die Jugend zu fesseln sind, so werden andre mehr durch das reife, erfahrenere und gewandtere Alter beherrscht.[420]

Ich sah eine alte Witwe, eine vornehme Dame, die in weniger als vier Jahren drei Ehemänner und einen jungen Liebhaber ins Grab brachte, nicht durch Totschlag oder Gift, sondern durch Entziehung des Spermas. Wenn man diese Dame sah, hätte man ihr das nicht zugetraut, denn vor den Leuten tat sie sehr fromm und züchtig. Ja, sie wechselte sogar vor den Augen ihrer Kammerfrauen nicht das Hemd, damit diese sie nicht nackend sähen. Eine ihr verwandte Dame sagte aber, sie mache diese Umstände nur ihren Frauen, nicht aber ihren Gatten und Liebhabern gegenüber.

Aber wie? Ist denn eine Frau, die in ihrem Leben mehrere Männer gehabt hat, wie viele deren drei, vier und fünf hatten, tadelnswerter, als eine andre, die nur einen Gatten und einen Geliebten gehabt oder auch zwei und drei, womit ich einige wirklich sich begnügen sah?

Darüber hörte ich eine große Dame sagen, sie mache keinen Unterschied zwischen einer Dame, die mehrere Gatten besessen und einer, die neben ihrem Gemahl nur einen oder zwei Liebhaber gehabt, denn der Eheschleier decke alles zu. Was aber die Sinnlichkeit betrifft, so besteht gar kein Unterschied, darin befolgen die Frauen das spanische Wort, daß algunas mageres son de natura de anguilas en retenir, y de lobas en escoger (»manche Frauen besitzen im Festhalten die Natur des Aals, und im Auswählen die der Wölfin«); denn der Aal ist sehr schlüpfrig und schwer festzuhalten, und die Wölfin wählt stets den häßlichsten Wolf.

Einst war zu Rom eine Dame, die zweiundzwanzig Gatten nacheinander besessen hatte, sowie auch ein Mann, der einundzwanzig Frauen gehabt. Diese beiden beschlossen, einander zu heiraten. Dieser Gatte überlebte seine Frau noch; deswegen wurde er in Rom vom Volke so hoch geachtet[421] und geehrt, daß er wie ein Sieger, auf dem Triumphwagen, lorbeergekrönt und die Palme in der Hand, herumgeführt wurde. Welch ein Sieg, und welch ein Triumph!

Zur Zeit Heinrichs II. war an seinem Hofe der Herr von Barbezan, genannt Saint-Amant, der sich dreimal nacheinander vermählte. Seine dritte Frau war Dame der Madame von Monchy, Hofmeisterin der Madame von Lothringen. Diese trug den Sieg über die beiden ersten Frauen davon, denn unter ihr starb der Gatte. Als man bei Hofe seinen Tod beklagte und auch sie sich untröstlich zeigte, sagte Herr von Montpesat, ein wortgewandter Mann: statt sie wegen dieses Verlustes zu beklagen, sollte man sie vielmehr preisen wegen ihres Sieges über ihren Mann, von dem es hieß, daß er seine beiden ersten Frauen durch die Stärke seiner Natur ins Grab gebracht. Daß sie über einen so starken Kämpen triumphierte, gereichte ihr bei Hofe zur hohen Ehren. Welch ein Ruhm!

Ich wundere mich, daß die Frauen, die so heiß sind und darauf brennen, sich wieder zu vermählen, nicht um ihrer Ehre willen, kühlende Mittel anwenden, um ihre Glut zu dämpfen. Aber lieber wenden sie gerade gegenteilige Mittel an und sagen, die erkältenden Tränke verdürben ihnen den Magen. Ich habe einmal ein kleines, ziemlich albernes italienisches Buch gelesen, das zweiundzwanzig Mittel gegen die Wollust angibt; aber sie sind so dumm, daß ich es den Frauen nicht rate, sie anzuwenden. Ich teile sie deshalb auch nicht mit Plinius erwähnt ein solches Mittel, dessen sich einst die Vestalinnen bedienten; auch die Frauen von Athen gebrauchten es während der Feste der Göttin Ceres, die Tesmophoria hießen, um die Liebeslust zu dämpfen und die Feier in größerer Keuschheit zu begehen. Das Mittel wurde aus den Blättern eines Baumes, genannt agnus castus, bereitet. – Nach der Feier werden sie das Mittel wohl wieder beiseite gelegt haben.[422]

Ich habe einen ähnlichen Baum zu Guyenne im Hause einer schönen, vornehmen und achtbaren Dame gesehen, die ihn als eine große Sehenswürdigkeit ihren Besuchern zeigte und seine Eigenschaft erklärte. Aber der Teufel soll mich holen, wenn ich jemals gesehen oder gehört, daß eine Frau auch nur den kleinsten Zweig von diesem Baum gebrochen hätte. Ebensowenig tat es die Besitzerin des Baumes, die doch nach Gefallen darüber verfügen konnte. Ihr Gatte wäre auch nicht damit einverstanden gewesen, denn sie war schön und liebenswert und hatte auch in der Tat eine hübsche Nachkommenschaft.

Ja, derartige abkühlende Mittel wollen wir auch lieber den armen Nonnen überlassen, die, so sehr sie ihren Leib auch kasteien, doch oft noch von den Versuchungen des Fleisches heimgesucht werden, die Ärmsten! Manche trachten denn auch danach, sich zu ergötzen, wenn sie einmal die Freiheit haben, wie ich darüber eine lustige Geschichte von einer römischen Buhlerin weiß. Diese hatte sich dem Schleier geweiht, aber bevor sie ins Kloster ging, bat sie ihren Freund, einen französischen Edelmann, noch einmal um Liebe, indem sie sagte: »Fate dunque presto; ch'adesso mi verranno cercar per far mi monaca, e menare al monasterio. Auf diese Weise wollte sie Abschied nehmen und sagen: Tandem haec olim meminisse juvabit.« (»Es tut mir wohl, mich dessen zum letztenmal zu erinnern.«) Das war ein hübscher Eintritt in den Nonnenstand! Und sind sie einmal im Kloster, so glaube ich, daß sie, wenigstens die hübschen, alle möglichen Freiheiten suchen, um sich für ihre Entbehrung zu entschädigen. Denn bei uns werden sie nicht so grausam behandelt, wie bei den alten Römern die Vestalinnen, wenn sie sich vergangen hatten. Das war häßlich und abscheulich; aber dafür waren die Römer auch Heiden, während wir Christen, der milden Lehre unsers[423] Meisters folgend, verzeihen, wie er verziehen hat. Wie die Römer die Vestalinnen behandelten, will ich hier nicht beschreiben; meine Feder schaudert davor.

Aber lassen wir nun die armen Nonnen, die in ihrer Abgeschlossenheit wahrlich viel zu leiden haben. So sagte auch einst eine spanische Dame, als sie sah, wie ein schönes, achtbares Fräulein dem Kloster geweiht wurde: »O tristezilla, y en que pecasteis, que tan presto vienes á penitencia, ó seys metida en sepultura viva!« »O, du Ärmste, was hast du denn so sehr gesündigt, daß du so schnell büßen mußt und lebendig begraben wirst?« Und da sie sah, daß die Nonnen sie mit der größten Freundlichkeit und Ehre aufnahmen, sagte sie: »que todo le hedia, hasta el encíenso de la yglesia« – (hier) hätte alles für sie einen üblen Geruch, selbst der Weihrauch der Kirche.

Über diese Jungfrauengelübde erließ Heliogabel ein Gesetz: Keine römische Jungfrau, selbst die Vestalin nicht, sei zur Wahrung der Jungfrauschaft verpflichtet; denn die Frauen seien ein zu schwaches Geschlecht, um sich zu etwas zu verpflichten, was sie doch nicht halten könnten. Deshalb haben auch die Leute, die Hospitäler zur Pflege, Erziehung und Verheiratung armer Mädchen eingeführt haben, ein sehr gutes Werk gestiftet, indem sie ihnen die süße Frucht der Ehe verschaffen, und sie vor der Liederlichkeit bewahren. Auch Panurga bei Rabelais wendete viel Geld zur Stiftung solcher Ehen auf, und besonders für alte und häßliche Frauen, denn um diese anzubringen, bedurfte es mehr Geld als für die hübschen.

Eine Frage möchte ich noch von einer Dame, die die Sache kennt, ganz ehrlich beantwortet haben, nämlich wie die wiedervermählten Frauen sich zu dem Andenken an ihren ersten Gatten verhalten. Ein Spruch sagt, daß die letzten Freundschaften und Feindschaften die ersten vergessen machen; so wird auch die zweite Ehe die erste in Vergessenheit bringen. Darüber fällt mir ein heiteres Beispiel ein. Eine große Dame aus Poitou fragte einst eine[424] Bäuerin, wieviel Männer sie gehabt habe und wie sie sich dabei befunden. Die Frau machte ihre Verbeugung und antwortete kaltblütig: »Gott sei Dank, Madame, ich habe zwei Gatten gehabt. Der erste hieß Wilhelm, der zweite Collas. Wilhelm war ein guter Mann, vermögend und behandelte mich gut. Aber Gott vergebe dem Collas, denn Collas machte es mir gut.« Aber sie wandte dabei ein Wort an, welches ich vermeide. –

Wir lesen bei Plutarch, daß Kleomenes die schöne Agiatis, Frau des Agis, nach dessen Tode geheiratet hatte; denn er war verliebt in ihre große Schönheit. Er bemerkte bei ihr die große Trauer, die sie um ihren ersten Gatten hegte, und hatte so großes Mitleid mit ihr, daß er, ihr liebevolles Gedächtnis ehrend, öfter mit ihr von jenem sprach und sie über manche Einzelheiten ihres früheren Liebesgenusses fragte. Sie wurde ihm aber bald durch den Tod entrissen, und er betrauerte sie tief. Manche Gatten haben ebenso gehandelt mit ihrer schönen Frau in zweiter Ehe.

Aber nun scheint es mir doch Zeit zu schließen; ich komme sonst überhaupt nicht zu Ende.

Manche Damen behaupten auch, ihren letzten Gatten mehr als den ersten geliebt zu haben »Denn,« sagen sie, »den ersten müssen wir oftsmals auf Befehl des Königs oder der Königin nehmen oder unter dem Zwange von Eltern, Vormündern usw., während wir als Witwe unsre Wahl nach eigenem Belieben treffen können.« Gewiß, das kann sehr zutreffend sein, wenn nicht oftmals das alte Sprichwort zur Anwendung käme: »Die Liebe, die mit dem Ring beginnt, endigt mit dem Messer,« wovon wir oft vor den Gerichtshöfen Beispiele sehen.

Auf der Insel Chios, der schönsten und reizendsten Insel der Levante, die einst im Besitze der Genuesen und dann in dem der Türken war, herrschte, wie mir genuesische Kaufleute sagten, folgender Gebrauch: Wenn eine Frau Witwe bleiben will, so wird sie von der Signoria gezwungen, eine gewisse Geldsteuer zu zahlen, die argomoniatiquo genannt[425] wird, das bedeutet (mit Respekt vor den Damen) c.. reposé est inutille. (So bestand auch einst in Sparta, wie Plutarch im Leben des Lysander berichtet, eine Strafe für Frauen, die gar nicht oder zu spät heirateten, oder sich schlecht vermählten.) Ich erkundigte mich auch bei Leuten von der Insel Chios, worauf sich dieser Gebrauch gründe; man antwortete mir, es geschehe, um die Insel mehr zu bevölkern. Unser Frankreich, das versichere ich euch, wird durch die Enthaltsamkeit unsrer Witwen nicht unfruchtbar und entvölkert; denn ich denke, es verheiraten sich mehr wieder als ledig bleiben; und sie brauchen auch nicht die Steuer für den unbenutzten C ..... zu bezahlen. Und wenn sie ihn nicht in der Ehe zur Verwendung bringen, so lassen sie ihn anderweitig bearbeiten und fruchtbar machen. Auch manche unsrer Mädchen in Frankreich brauchten den Tribut von Chios nicht zu entrichten, denn, seien sie aus der Stadt oder vom Lande, sie verlieren ihre Jungfrauschaft bereits vor der Ehe, und wenn sie das Gewerbe weiter betreiben wollen, so müssen sie für einmal dem Hauptmann der Nachtwache einen Dukaten geben (was sehr billig ist, da sie es dann ihr ganzes Lebenlang treiben dürfen); sie können es dann ohne Furcht und Gefahr ausüben. Dies bildet für den freundlichen Hauptmann die größte und sicherste Einnahme seines Amtes.

Anders waren die Frauen und Mädchen jener Insel in alten Zeiten geartet. Damals waren sie, wie Plutarch in seinen »Opuscula« berichtet, während eines Zeitraums von sieben Jahren so keusch, daß niemals währenddessen ein Ehebruch oder eine Entjungferung vorgekommen war. Welch ein Wunder! Heute ist das anders geworden!

Die Griechen haben stets besondere Erfindungen bezüglich der Wollust gehabt. Wir lesen aus alter Zeit von dem Gebrauch auf der Insel Cypern, den die gute Frau Venus, ihre Schutzherrin, dort eingeführt haben soll. Die dortigen[426] Mädchen gingen nämlich am Meeresufer spazieren und boten ihren Leib den Seereisenden dar, die oft um dieses Genusses willen ihren Kompaß dorthin richteten. Sie bezahlten sie gut und fuhren weiter, oft gewiß mit Bedauern, soviel Schönheit zurücklassen zu müssen. Dadurch gewannen die Mädchen ihr Heiratsgut, je nach ihren Reizen, mehr oder weniger.

Heutzutage setzen sich manche Mädchen unsrer christlichen Nationen nicht mehr umherwandelnd der Sonne und dem Mond, der Hitze und der Kälte aus, um Heiratsgut zu erwerben; denn die Mühe ist zu groß und sie verderben damit ihren zarten Teint; statt dessen lassen sie sich in reichen Pavillons und hinter prächtigen Gardinen besuchen und erwerben dort ihr Heiratsgut, ohne Tribut zu zahlen. Ich rede nicht von den Buhlerinnen Roms, die ihn bezahlen, sondern von viel vornehmeren als sie. Ja, die Eltern einiger haben es oft gar nicht nötig, sie mit Geld auszustatten, um sie zu verheiraten; im Gegenteil, häufig genug geben die Töchter den Eltern Geld ab und fördern sie an Gütern und Würden, wie ich mehrfach gesehen habe. Auch Lykurgus befahl, daß die Jungfrauen ohne Heiratsgut vermählt würden, damit die Männer sie um ihrer Tugend willen und nicht aus Habsucht nähmen. Aber was war das für eine Tugend? Bei den feierlichen Festen sangen und tanzten sie öffentlich ganz nackend mit den Knaben, ja, führten Kampfspiele mit ihnen auf; jedoch alles in Zucht und Ehren, wie die Geschichte sagt. Ich frage aber, wo da die Zucht steckt, diese schönen Mädchen öffentlich nackt zu sehen. Züchtigkeit war wohl nicht viel dabei, sondern höchstens eine schöne Augenweide, wenn sie tanzten und kämpften und dann, wie der Lateiner sagt illa sub, ille super; ille sub et illa super fielen (»sie unten und er oben, er unten und sie oben«). Und das soll bei den spartanischen Mädchen Züchtigkeit gewesen sein? Ich glaube, daß es keine Keuschheit gibt, die nicht erschüttert werden kann, und daß diesen öffentlichen Spielen am Tage des Nachts und im Verborgenen die großen Spiele folgten.[427] Das konnte ohne Zweifel geschehen, denn Lykurgus erlaubte denjenigen Männern, die schön und liebeskräftig waren, sich die Frauen der andern zu leihen; auch gereichte es einem Alten und Schwächlichen nicht zum Vorwurf, seine schöne junge Frau einem flotten jungen Manne zu borgen, den er auswählte; es sollte auch der Frau erlaubt sein, sich den nächsten Verwandten ihres Gatten zu erwählen, damit er ihr beiwohne und die daraus etwa entstehenden Kinder wenigstens aus demselben Blut, derselben Rasse ihres Gatten seien. Das ist ja auch ganz verständig, hatten doch auch die Juden das Gesetz der Beiwohnung der Schwiegertochter mit dem Schwiegersohn. Unser christliches Gesetz hat jedoch all das geändert, wenn auch der Heilige Vater manchmal aus gewissen Gründen hierüber Dispense erlassen hat. In Spanien kommen viele Verwandschaftsehen vor, aber nur mit päpstlicher Erlaubnis.

Jetzt noch einige, möglichst nüchterne Worte über ein paar andre Witwen und dann Schluß.

Es gibt noch eine Art Witwen, die sich nicht wieder vermählen wollen, sondern die Ehe hassen wie den Tod. So sagte eine geistreiche Witwe aus großem Hause, die man fragte, ob sie sich nicht dem Gotte Hymen wieder weihen wolle: »Ich bitte Sie! Wird denn ein Galeerensklave, der lange an der Kette gefesselt war und gerudert hat, nach erlangter Freiheit sich abermals unter das Joch eines harten Korsaren begeben? Nun, und so will auch ich, der Sklaverei meines Gatten entronnen, jetzt meine Freiheit genießen.«

Eine andre sagte zu einem Edelmann, der um sie warb und fragte, ob sie nicht wieder einen Mann haben wolle: »Ach, sprechen Sie mir nicht von einem Mann; ich mag keinen wieder. Aber einen Freund – das will ich nicht verreden.« – »Erlauben Sie mir dann, Madame, dieser Freund zu sein, wenn ich nicht Ihr Gatte sein kann?« – »Gut, dienen Sie mir als Freund, und dauern Sie aus. Vielleicht werden Sie es.«[428]

Eine schöne Witwe von 30 Jahren, die eines Tages mit einem Edelmann scherzte oder besser gesagt, ihn zur Liebe anlocken wollte, stieg einst zu Pferde, wobei der vordere Teil ihres Mantels an irgend etwas hängen blieb und ein wenig einriß; da sagte sie zu ihm: »Sehen Sie, was Sie mir da gemacht haben? Sie haben mir mein Vorderteil zerrissen!«

»Ich werde mich wohl hüten,« antwortete der Edelmann, »ihm ein Leid zuzufügen, denn es ist zu hübsch und reizend.«

»Was wissen Sie davon?« fragte sie. »Sie haben es ja noch garnicht gesehen.«

»Wie? Wollen Sie leugnen,« versetzte der Edelmann, »daß ich es wohl hundertmal gesehen habe, als Sie ein kleines Mädchen waren, wo ich es oft, wenn Sie sich zufällig aufstreiften, in Muße betrachten konnte.«

»Ja,« sagte sie, »damals war es noch jung und bartlos und wußte noch nichts von der Welt. Heute aber, wo es einen Bart hat, sieht es ganz anders aus, und Sie werden es nicht mehr wiedererkennen.«

»Immerhin,« gab der Herr zurück, »befindet es sich noch immer an derselben Stelle, und ich glaube, ich würde es dort finden.«

»Ja,« sagte sie, »das stimmt, es ist noch an demselben Platz, obgleich mein Gatte es viel hin und herbewegte und mehr herumgezerrt hat als Diogenes seine Tonne.«

»Ja«, fragte er, »was macht es denn nun, wo es keine Bewegung mehr hat?«

»Es geht ihm wie einer Uhr, die nicht aufgezogen ist.«

»Geben Sie acht,« versetzte er, »daß es Ihnen dann nicht ergeht, wie den Uhren, deren Federn mit der Zeit verrosten, wenn sie nicht beständig aufgezogen werden.«

»Diese Vergleiche,« sagte die Dame, »sind nicht ganz zutreffend, denn die Federn der Uhr, die Sie im Sinn haben, sind niemals dem Rost ausgesetzt, sondern immer in gutem Zustande und können jederzeit wieder aufgezogen werden.«[429]

»Wollte Gott,« entgegnete der Edelmann, »daß die Stunde zum Aufziehen gekommen wäre und ich der Uhrmacher wäre!«

»Wenn der Tag gekommen ist,« sagte die Dame, »werden wir es nicht versäumen, und aus dem Fest einen Arbeitstag machen. Und Gott gebe, daß ich Denjenigen, der sie aufziehen wird, ebenso liebe wie Sie.«

Nach diesem kleinen pikanten Wortgeplänkel stieg die Dame zu Pferde, gab dem Edelmann einen herzhaften Kuß und sagte: »Adieu und auf fröhliches Wiedersehen!« Aber das Unglück wollte, daß diese achtbare Dame nach sechs Wochen verstarb, worüber der Herr trostlos war. Denn ihre pikanten Worte, und früher schon andre, hatten ihm große Hoffnung gemacht, sie einst zu besitzen, was auch sicher der Fall gewesen wäre. Verwünscht sei das böse Schicksal ihres Todes, denn sie war eine der schönsten und achtbarsten Frauen, um die man schon eine Todsünde begehen konnte!

Ich kannte eine große Dame, die als Mädchen und Frau sehr wohlbeleibt war. Als sie aber ihren Gatten verlor, wurde sie vor Kummer so dürr wie Holz. Trotzdem verschmähte sie nicht, wo anders Trost zu suchen, bei ihrem Sekretär und so weiter, ja sogar bei ihrem Koch, wie man sagte. Sie wurde aber dabei doch nicht dicker, obgleich der Koch sehr fett war und sie auch hätte dick machen können. Sie nahm auch noch einige ihrer Diener zu Hilfe, spielte sich aber dabei als die prüdeste und keuscheste Frau des Hofes auf, während sie die Tugend nur im Munde führte und andre Frauen verlästerte. Ebenso geartet war jene große Dame des Dauphine, in den »Hundert Novellen« der Königin von Navarra, die von einem Edelmann, der sterblich in sie verliebt war, mit einem Stallknecht oder Pferdetreiber betroffen wurde. Dadurch wurde der Herr schnell von seiner Liebe geheilt.

Ich hörte von einer sehr schönen Frau in Neapel, die im Rufe stand, mit einem Neger zu tun zu haben, einem[430] abscheulich häßlichen Kerl, der ihr Sklave oder Stallknecht war. Aber seine besonders starke Liebesfähigkeit erwarb ihm ihre Neigung.

Ich las in einem alten Roman, der in gotischen Buchstaben gedruckt ist, von Johan de Saintré, daß der König Jehan (Johann) ihn als Pagen erzog. Es war in alten Zeiten bei den Großen gebräuchlich, ihre Pagen mit Botschaften abzusenden, wie auch heute noch; aber damals besorgten sie ihre Aufträge zu Pferde. Dieser kleine Johann von Saintré (so wurde er lange Zeit genannt) wurde von seinem Gebieter König Johann sehr geliebt, denn er war ein geistreicher Bursche, und wurde öfter auch mit kleinen Botschaften zu seiner Schwester geschickt, die damals Witwe war. Diese Dame verliebte sich in ihn, nachdem er ihr einige Male Bestellungen ausgerichtet. Eines Tages, als sie mit ihm allein war, fragte sie ihn, ob er nicht irgend eine Dame des Hofes liebe und welche ihm am besten gefalle; wie es bei manchen Damen Gebrauch ist, solche Reden zu führen, wenn sie eine Liebesgeschichte einfädeln wollen. Der kleine Johann von Saintré, der noch nie an die Liebe gedacht, verneinte die Fragen. Nun schilderte sie ihm die Reize der Liebe und sagte, sie wolle ihm eine Geliebte verschaffen, aber er müsse ihr auch gut dienen; vor allem müsse er auch verschwiegen sein. Endlich erklärte sie sich ihm und sagte, sie selbst wolle seine Geliebte sein, Der junge Page war erstaunt und glaubte, sie wolle sich über ihn lustig machen. Jedoch nun gab sie ihm viele Liebeszeichen, und er merkte, daß es kein Scherz war. Ihre Liebesfreuden währten ein lange Zeit, bis er dem Pagenstande entwachsen war und eine weite Reise unternehmen mußte.

Es ist also nicht erst von heute, daß die Damen die Pagen lieben, besonders wenn sie gefleckt sind wie Rebhühner. Jawohl, Freunde wollen solche Frauen haben,[431] nur keinen Mann! Und zwar um der Freiheit willen, die etwas so Köstliches ist. Sie glauben, im Paradies zu sein, wenn sie nicht mehr unter der Herrschaft des Gatten stehen, denn nun können sie über alles nach Belieben verfügen.

Manche wollen auch keine neue Ehe eingehen, um nicht ihren Rang und Stand oder ihren Sitz im Zimmer der Königinnen einzubüßen; Liebe aber treiben sie doch und verlieren nichts dabei. Von diesen ist es aber besser nicht zu reden, denn man könnte sich leicht ihren Widerspruch oder gar ihre Rache zuziehen.

Herr von Bussy, seinerzeit ein sehr redegewandter Mann, der auch sehr lustig zu erzählen verstand, sah einst bei Hofe eine vornehme Witwe, die auch sehr der Liebe nachging. »Wie,« sagte er, »diese Stute geht immer noch zum Hengst?« Das wurde der Dame hinterbracht, die darüber wütend war. Herr von Bussy erfuhr das und sagte: »Na, ich weiß schon, wie ich sie wieder versöhne. Sagt ihr, bitte, ich hätte nicht so gesprochen, sondern gesagt: Dieses Füllen geht noch zum Pferde? Denn ich weiß, sie ist nicht darüber böse, daß ich sie für eine galante Dame, sondern daß ich sie für alt halte. Wenn sie aber erfährt, daß ich sie ein Füllen genannt habe, so wird sie denken, ich schätze sie für jung.« Dadurch söhnte sich die Dame wirklich mit Herrn von Bussy aus, worüber wir viel lachten. Es nützte ihr aber nichts, denn man hielt sie doch für eine alte Stute, die immer noch nach dem Hengst wiehert.

Anders verhielt es sich mit einer Dame, die früher ein verliebtes Leben geführt, in höherem Alter aber Gott zu dienen begann mit Fasten und Beten. Ein Edelmann fragte sie einst, warum sie so viel faste, und ob es geschehe, um die Reizungen des Fleisches zu töten. »Ach!« sagte sie, »die sind mir alle vergangen!« Sie sprach die Worte in demselben Tone wie einst Milo Krotoniates, jener starke Ringkämpfer, der eines Tages in die Arena trat, nur um dem Kampfspiele zuzuschauen, denn er war sehr alt geworden. Einer fragte ihn nun, ob er nicht auf seine alten[432] Tage noch einen Gang wagen wolle. Er entblößte seine Arme, betrachtete mitleidig die Muskeln und sagte: »Ach, die sind tot!« Wenn jene Frau sich auch entblößt hätte, würde der Fall ganz demjenigen des Milo ähnlich sein; aber man hätte wohl nichts zu sehen bekommen, was der Mühe wert gewesen wäre.

Ein ähnliches Wort, wie das vorhin erwähnte des Herrn von Bussy, äußerte ein mir bekannter Edelmann. Nach einer Abwesenheit von sechs Monaten, kam er an den Hof und sah dort eine Dame, die zu der damals bei Hofe vom Könige eingeführten Akademie ging. »Wie?« sagte er, »besteht die Akademie noch? Man sagte mir, sie sei abgeschafft.« – »Zweifeln Sie,« entgegnete ihm jemand, »daß diese Dame dahingeht? Sie nimmt dort Unterricht in der Philosophie, bei einem Lehrer, der von dem Perpetuum mobile spricht.« Ja, in der Tat, wie sehr zerbrechen sich die Philosophen die Köpfe über das Perpetuum mobile, und doch könnten sie es in der Schule der Venus finden.

Einer Dame wurde die Schönheit einer andern sehr gelobt, nur habe sie, wie man hinzufügte, unbewegliche Augen. »Nun,« sagte sie, »dafür bewegt sie sich mit den andern Körperteilen, besonders mit dem in der Mitte, desto mehr.«

Aber, wenn ich alle Witzworte und lustigen Geschichten, die ich weiß, niederschreiben wollte, käme ich überhaupt nicht zu Ende. Da ich aber nun noch mehr zu tun habe, enthalte ich mich dessen, und komme mit dem oben angeführten Boccaccio zu dem Schlüsse, daß die Mehrzahl aller Mädchen, Frauen und Witwen zur Liebe neigen. Ich spreche nicht von niedrigen Personen, weder vom Lande, noch aus Städten; über die zu schreiben, war nie meine Absicht. Ich widme meine Feder nur den Großen. Wenn man mich jedoch aufs Gewissen nach meiner Meinung fragte, so würde ich offen sagen, daß, abgesehen von der Gefahr seitens der Gatten, die verheirateten Frauen am schönsten zur Liebe geeignet sind. Denn die Ehemänner erhitzen die[433] Frauen gleich einem Herde so, daß sie immerfort neues Heizmaterial verlangen. Ebenso wie jemand stets Öl gebraucht, wenn seine Lampe gut brennen soll. Nur hüte man sich vor den eifersüchtigen Gatten, die auch die gewandten Liebhaber oft erwischen!

Man muß hier eben sowohl klug wie unverzagt zu Werke gehen, und es machen, wie jener große König Heinrich. Dieser war sehr der Liebe ergeben, aber auch sehr respektvoll den Damen gegenüber und verschwiegen; deshalb wurde er auch sehr von ihnen geliebt. Wenn er nun zuweilen das Bett einer Dame aufsuchte, die ihn erwartete, so war er, in den Galerien zu Saint-Germain, Blois und Fontainebleau oder in den geheimen Winkeln seiner Schlösser, stets von einem begünstigten Kammerdiener, genannt Griffon, begleitet; dieser ging voran mit seinem Spieß und einem Leuchter, er hinterher, seinen großen Mantel oder sein Nachtgewand vors Gesicht haltend, und den Degen unter dem Arm. Lag er nun bei der Dame, dann stellte er seinen Spieß und seinen Degen neben das Kopfkissen, und Griffon postierte sich an die fest verschlossene Tür, wo er aufpaßte oder auch ein schlief. Wenn schon ein großer König solche Vorsichtsmaßregeln traf, (denn auch Könige und große Fürsten sind oft ertappt worden, Beweis: der Herzog Alexander von Florenz), dann gebe ich zu erwägen, was da die kleinen Leute tun müßten. Aber es gibt ja genug eingebildete Menschen, die alles verachten; dafür werden sie dann auch oft ertappt.

Ich hörte erzählen, daß König Franz eines Tages zu ungewohnter Stunde eine Dame besuchen wollte, mit der er seit längerer Zeit Liebschaft hatte. Er klopfte heftig an die Tür, wozu er ein Recht hatte, denn er war der Herr. Sie aber hatte damals gerade den Herrn Bonnivet bei sich und wagte nicht, das Wort zu sprechen, womit die römischen Buhlerinnen antworten: Non si può, la signora è accompagnata. Nun galt es, für ihren Galan ein sicheres Versteck[434] zu finden. Es war gerade Sommer, und man hatte, wie es in Frankreich gebräuchlich ist, Blätter und Zweige in den Kamin gesteckt Sie riet ihm schnell, sich so, wie er war, im Hemde, zwischen dem Reisig im Kamin zu verbergen. Nachdem nun der König mit der Dame fertig war, mußte er sein Wasser abschlagen und trat, mangels andrer Gelegenheit, an den Kamin. Da wurde nun der arme Liebhaber gehörig begossen und zwar, wie aus einer Gartengießkanne, von allen Seiten; es kam ihm ins Gesicht, in die Augen, in die Nase, in den Mund, kurz überall hin. Vielleicht hat er sogar einen Tropfen verschluckt. Man stelle sich die Qual dieses Edelmannes vor, der sich nicht röhren durfte. Und welche Geduld und Standhaftigkeit war dazu nötig! Darauf verabschiedete sich der König von der Dame und verließ das Zimmer. Die Dame schloß hinter ihm ab, nahm den Liebhaber wieder in ihr Bett, erwärmte ihn an ihrem Feuer und ließ ihn ein weißes Hemd anziehen. Das alles nicht ohne Lachen nach der ausgestandenen Angst; denn wäre er entdeckt worden, so wären sie beide in große Gefahr gekommen. Diese Dame war es auch, die ihre Liebe zu Bonnivet vor dem etwas eifersüchtigen Könige verbergen wollte und zu ihm sagte: »Der Herr von Bonnivet ist wirklich gut, er hält sich für schön; je mehr ich es ihm sage, desto mehr glaubt er es, und so mache ich mich über ihn lustig und vertreibe mir die Zeit mit ihm; denn er ist sehr munter und witzig. Ja, man kann sich bei ihm gar nicht das Lachen halten, so drollig erzählt er.« Dadurch wollte sie ihren Verkehr mit Bonnivet als harmlos darstellen. Diese List wenden manche Damen an, um ihre Liebe zu verdecken; sie reden schlecht über den Betreffenden oder machen sich vor der Welt über ihn lustig; im geheimen aber sieht die Sache anders aus. Das nennt man eben Liebeslisten.

Ich kannte eine sehr große Dame, deren Tochter, ein sehr schönes Mädchen, sich wegen ihrer Liebe zu einem Edelmann härmte, auf den ihr Bruder nicht gut zu sprechen[435] war. Da sagte die Mutter unter anderm zu ihr: »Ach, liebes Kind, gib doch deine Liebe zu diesem Menschen auf! Er ist ja so häßlich und hat keine Manieren. Er sieht aus wie ein Dorfbäcker.« Darüber lachte nun das Mädchen, klatschte ihrer Mutter Beifall und fand ihren Vergleich mit dem Dorfbäcker richtig, nur daß jener eine rote Mütze trug. Nach einem halben Jahr ließ sie ihn aber laufen und nahm einen andern.

Mehrere Damen, die ich kannte, verachteten solche Frauen, die mit ihrer Liebe in die unteren Kreise hinabsteigen: zu ihren Schreibern, Kammerdienern usw.; vor der Welt verabscheuten sie solche Liebe wie Gift. Trotzdem gaben sie sich aber solchen Leuten hin, oft mehr als die andern. O, solche Weiber sind verschlagen! Denn, wie das spanische Sprichwort sagt: mucho sabe la zorra; mos sabe más la dama enamorada. »Der Fuchs weiß viel, aber eine verliebte Dame weiß noch mehr.«

Was jene vorhin erwähnte Dame auch tun mochte, um dem König Franz seinen Verdacht zu benehmen, sie konnte doch nicht verhindern, daß etwas haften blieb. Dabei erinnere ich mich, daß ich mich einst nach Chambourg begab und von einem alten Kastellan, der sich dort befand und der Kammerdiener des Königs Franz gewesen war, sehr achtungsvoll empfangen wurde; denn er hatte mich und die Meinigen damals bei Hofe und in den Feldzügen gekannt Er zeigte mir nun alles und machte mich im Zimmer des Königs auf eine Inschrift am Fenster linker Hand aufmerksam. »Sehen Sie,« sagte er, »lesen Sie das, mein Herr. Wenn Sie die Handschrift meines Herrn und Königs noch nicht gesehen haben, da ist sie.« In großen Buchstaben standen dort die Worte angeschrieben: »Toute femme varie.« Ich befand mich in Begleitung meines Freundes, eines sehr achtbaren und artigen Edelmanns aus Périgord Namens Des Roches, und sagte zu diesem: »Sehen Sie, einige dieser[436] Damen, die er am meisten liebte und deren Treue er sich am meisten versichert hielt, hat er doch als wankelmütig erkannt; so schrieb er denn aus Ärger diese Worte.« Der Kastellan hörte es und sagte: »Wahrlich, unter allen, die er jemals gehabt hat, war auch nicht eine, die nicht gewechselt hätte, mehr als ein Hund seiner Meute bei der Hirschjagd. Aber es geschah sehr heimlich, denn sonst hätte er es sie schlimm entgelten lassen.«

Man sieht also, daß solche Frauen sich nicht begnügen, weder mit ihrem Gatten noch mit ihren Liebhabern, großen Königen, Prinzen und vornehmen Herren, sondern immer noch wechseln müssen. Das mußte auch dieser große König erfahren.

Ich kannte eine Dame, die von ihrem Fürsten sehr geliebt wurde; er überschüttete sie mit Wohltaten und Gütern, so daß ihr Glück unvergleichlich war; trotzdem war sie so verliebt in einen Herrn, daß sie diesen nie aufgeben wollte. Als er ihr vorhielt, daß der Fürst sie alle beide vernichten könnte, sagte sie: »Das ist ganz einerlei; wenn Sie mich verlassen, werde ich mich ruinieren, um Sie zugrunde zu richten. Ich will lieber Ihre Konkubine heißen, als die Maitresse dieses Fürsten.« Welch eine Frauenlaune und welch eine Wollust zugleich!

Ich kannte eine andre große Dame, eine Witwe, die es ebenso hielt Trotzdem sie von einem Großen geradezu angebetet wurde, brauchte sie doch noch verschiedene kleinere Liebhaber, um ihre Zeit gehörig auszufüllen. Wobei ich an jene Frau aus den »Hundert Novellen« der Königin von Navarra erinnere, die drei Liebhaber zu gleicher Zeit besaß und sich alle drei ohne Störung zu erhalten verstand.

Die schöne Agnes, die vom König Karl VII. geliebt und angebetet wurde, kam in den Verdacht, ihm eine Tochter geboren zu haben, deren Vater er nicht war und die er[437] nicht anerkennen konnte. Und so wie die Mutter war, so war auch die Tochter, sagen unsre Chroniken. Ebenso verhielt es sich mit Anna Boleyn, der Gemahlin Heinrichs von England, die er enthaupten ließ, weil sie sich nicht mit ihm begnügte und Ehebruch trieb. Er hatte sie wegen ihrer Schönheit genommen und angebetet.

Ich kannte eine Dame, die mit einem Edlen verkehrt hatte, und nachdem sie einander aufgegeben, kamen sie einst auf ihre frühere Liebschaft zu sprechen. Der Edelmann sagte: »Nun, haben Sie geglaubt, damals meine einzige Geliebte gewesen zu sein? Sie werden erstaunt sein zu hören, daß ich damals noch zwei andre besaß.« Sie erwiederte ihm sofort: »Und Sie werden noch mehr erstaunt sein, denn ich hatte damals noch drei andre Liebhaber in Reserve!« Ein gutes Schiff muß eben der Sicherheit halber zwei bis drei Anker haben.

Doch um zu Ende zu kommen: Es lebe die Liebe für die Frauen! Ich fand einst im Taschenbuch einer sehr schönen und achtbaren Dame, die ein wenig spanisch sprach und er sehr gut verstand, folgende Zeilen: Hembra o dama sin compañero, esperanza sin trabajo y navio sin timon, nunca paeden hazer cosa que sea buena; »Eine Frau ohne Gefährten, eine Hoffnung ohne Arbeit und ein Schiff ohne Steuer können nichts Gutes ausrichten.« Dieses Wort paßt für die Frau, die Witwe und das Mädchen. Denn die eine wie die andre können nichts Gutes vollbringen ohne die Hilfe des Mannes, und die Hoffnung, sie zu besitzen ist nichts, wenn mau sie leicht gewinnen kann, sondern es muß ein wenig Mühe und Arbeit dabei sein. Bei der Frau und der Witwe ist das nicht so sehr der Fall wie beim Mädchen; denn leichter ist jemand zu besiegen, der schon einmal besiegt[438] worden ist, so wie ein betretener und gebahnter Weg leichter zu gehen ist als ein andrer. Wegen dieses Vergleichs berufe ich mich auf die Reisenden und die Krieger. So ist es auch mit den Mädchen; denn manche sind so launenhaft, daß sie nicht heiraten und immer Mädchen bleiben wollen, und wenn man sie fragt warum, so sagen sie: »Das ist nun 'mal meine Laune.« Auch Kybele, Juno, Venus, Thetis, Ceres und andre Göttinnen des Olymps haben den Namen Jungfrau verachtet, außer Pallas, die aus dem Haupte Jupiters entsprang, wodurch sie bewies, daß die Jungfrauschaft nur ein Hirngespinst ist.

An unsern Höfen zur Zeit Königs Franz gab es Mädchen, die nie heiraten wollten. Die Frau Regentin hatte eine Dame Namens Poupincourt, die als Jungfrau im Alter von 60 Jahren starb. Die Brelandière ist ebenfalls als Jungfrau im Alter von 80 Jahren gestorben; sie war die Hofmeisterin der Frau von Angoulême gewesen.

Ich kannte eine sehr große Dame aus hohem Stande, die mit 70 Jahren noch nicht vermählt war; deshalb unterließ sie jedoch nicht, Liebe zu treiben. Man entschuldigte ihr Ledigbleiben damit, daß sie weder für Mann noch Weib geeignet war, denn sie besaß keine Vulva, sondern nur ein kleines Loch zum Wasserlassen. Lieber Gott! sie hätte ja gut ein andres finden können, um sich zu entschädigen. Das ist eine nette Entschuldigung!

Fräulein von Charansonnet, aus Savoyen, starb zu Tours als Mädchen im Alter von reichlich 45 Jahren und wurde mit ihrem Hut und weißen Jungfrauenkleide feierlich mit großem Pomp beigesetzt. An Bewerbern hatte es ihr nicht fehlen können, denn sie war eine der schönsten und ehrenwertesten Damen des Hofes, wies aber die besten und größten Partien zurück.

Meine Schwester de Bourdeille, die Hofdame bei der Königin ist, hat ebenfalls sehr gute Partien ausgeschlagen und sich nie vermählt Sie ist schon betagt und entschlossen, als Mädchen zu sterben.[439]

Ich sah die Infantin von Portugal, Dame der verstorbenen Königin Eleonore, in demselben Entschluß verharren; sie ist als Jungfrau im Alter von mehr als 60 Jahren gestorben. Es mangelte ihr nicht an Größe, denn sie war in allem groß; nicht an Gütern, denn sie besaß viele, selbst in Frankreich, wo der Herr General Gourgues ihre Geschäfte führte; noch an Gaben der Natur, denn ich sah sie in Lissabon als sehr schöne und liebenswürdige Frau im Alter von 45 Jahren, und sie hätte einen ihr würdigen Mann verdient Sie war sehr höflich, auch uns Franzosen gegenüber. Ich kann das sagen, denn ich genoß die Ehre, oft und vertraut mit ihr zu sprechen. Als der Herr Großprior von Lothringen sich zur Zeit Königs Franz mit seinen Galeeren von der Levante nach Schottland begab, verweilte er einige Tage zu Lissabon und besuchte sie. Sie empfing ihn sehr liebenswürdig und er machte ihr schöne Geschenke. Unter andern überreichte er ihr eine Kette für ihr Kreuz; sie war ganz aus Diamanten und Rubinen und großen Perlen und prachtvoll gearbeitet. Sie konnte vier- bis fünftausend Taler wert sein, und ging dreimal um den Hals zu legen. Ich glaube, daß sie diesen Wert hatte, denn er versetzte sie stets für dreitausend Taler, wie einmal zu London, als wir von Schottland zurückkamen. Sobald er in Frankreich war, löste er sie jedoch wieder ein, denn er wollte sie jener Dame schenken, in die er sehr verliebt war. Ich glaube, sie liebte ihn auch und hätte wohl ihre Jungfräulichkeit geopfert, das heißt in der Ehe, denn sie war eine sehr tugendhafte Fürstin. Ohne die Unruhen, die nun in Frankreich ausbrachen, würde es wohl zur Ehe gekommen sein. Sie bedauerte später seinen Tod sehr.

Ich hörte von einer Dame, die es vielleicht selbst durchgemacht, noch einen andern Grund, weshalb manche Mädchen sich zu vermählen zögern. Sie sagte, es geschehe per mollitiem. Das Wort mollities bedeutet Weichlichkeit und[440] will hier sagen, daß diese Mädchen sich selbst oder sich untereinander lieben, nach lesbischer Art. Das gewahrt ihnen höhern Genuß, und sie fragen nicht nach den Männern.

Solche jungfräulichen Mädchen wurden einst in Rom hoch geehrt und genossen Vorrechte, derart, daß die Gerichte sie sogar nicht zum Tode verurteilen konnten. Wir lesen von einem proskribierten römischen Senatoren, zur Zeit des Triumvirats, der mit seinem ganzen Geschlecht zum Tode verurteilt worden war. Auch eine seiner schönen Töchter, die noch in unreifem Alter stand, mußte mit zur Richtstätte, und da sie noch als Jungfrau befunden wurde, so mußte sie erst von dem Henker gleich auf dem Schaffot entjungfert werden; dann erlag sie dem Schwertstreiche. – Der Kaiser Tiberius ergötzte sich daran, schöne Mädchen öffentlich entjungfern und dann hinrichten zu lassen. Eine scheußliche Grausamkeit!

Auch die Vestalinnen waren sehr geehrt und geachtet, sowohl wegen ihrer Jungfräulichkeit wie wegen ihrer Religion. Wenn sie sich fleischlich vergingen, wurden sie hundertmal strenger bestraft, als wenn sie das heilige Feuer gehütet hätten: sie wurden unter entsetzlichen Martern lebendig begraben. Man liest von einem Römer Namens Albinus, der einst außerhalb Roms einigen Vestalinnen begegnete, die zu Fuß gingen; da befahl er seiner Frau, mit ihren Kindern aus seinem Wagen zu steigen und die Vestalinnen einsteigen zu lassen, um ihren Weg fortzusetzen. Sie genossen auch das Vorrecht, öfter zwischen dem römischen Volk und den Rittern in Streitsachen zu vermitteln. Der Kaiser Theodosius vertrieb sie aus Rom auf den Rat der Christen. Die Römer sandten dem Kaiser einen gewissen Simachus, um ihn zu bitten, sie wieder in ihren Rang und Gütergenuß einzusetzen. Denn sie waren vermögend und spendeten täglich zahlreiche Almosen. Theodosius lehnte das jedoch ab. Sie nannten sich Vestalinnen nach dem Worte vesta, was Feuer bedeutet. Dieses kann, gleich der Jungfrau, weder Samen streuen noch aufnehmen.[441] Sie mußten dreißig Jahre lang Jungfrau bleiben, alsdann konnten sie sich vermählen. Sie waren prächtig gekleidet, wie der Dichter Prudentius sie sehr hübsch beschreibt, ähnlich wie heute die Stiftsdamen von Monts in Haynault und von Réaumond in Lothringen, die auch heiraten. Der Dichter Prudentius tadelt sie sehr, daß sie in prächtigen Wagen durch die Stadt fuhren, schön gekleidet im Amphitheater bei den Kämpfen der Gladiatoren und wilden Tiere erschienen und dem Blutvergießen von Menschen und Tieren mit Vergnügen zusahen. Deshalb fleht er den Kaiser an, diese blutigen Kämpfe und fürchterlichen Schauspiele abzuschaffen. Sicher durften die Vestalinnen solche Stiele nicht mit ansehen; aber sie konnten auch sagen: »Da wir auf hübschere Spiele verzichten müssen, die die andern Frauen treiben, so müssen wir uns hiermit entschädigen.«

Es gibt manche Witwen, die dasselbe lieben wie diese Vestalinnen, wie ich deren einige kannte. Andre aber lieben mehr die Kampfspiele mit den Männern im geheimen. Und deshalb, wenn man sie lange im Witwenstande verbleiben sieht, soll man sie nicht loben, ehe man nicht alles weiß. Denn die Frauen sind schlau und streuen den Männern Sand in die Augen.

Ich kannte eine Witwe, die 60 Jahre lang ihre Witwenschaft bewahrte, dabei aber im verborgenen mit mehreren lustig Unzucht trieb. Erst als sie starb, kam es heraus, daß sie von einem, den sie zwölf Jahre lang geliebt, heimlich einen Sohn hatte. Habe ich nicht recht zu sagen, daß man viele Witwen nicht eher loben soll, als bis man ihr Leben kennt und ihr Ende? – Aber nun will auch ich ein Ende machen.

Man könnte mir vorhalfen, daß ich viele gute Witze und Geschichten vergessen habe, die diesen Gegenstand noch verschönert und veredelt hätten. Ich gebe es zu. Aber ich wäre ja nie zu Ende gekommen. Und wer sich die Mühe nehmen will, es besser zu machen, dem werden wir zu Dank verpflichtet sein.[442]

Nun, meine Damen, mache ich Schluß. Verzeihen Sie, wenn ich irgend etwas gesagt habe, das Sie verletzen könnte. Es war nie meine Art, Sie zu kränken und Ihnen mißfällig zu werden. Wenn ich von einigen rede, so meine ich nicht alle; und von diesen einigen spreche ich nur unter verstecktem Namen. Ich verberge sie so gut, daß man sie nicht entdeckt, und ein Schimpf kann nur durch Vermutung auf sie fallen, nicht aber durch deutliche Anzeichen.

Ich glaube und fürchte, hier einige Worte und Geschichten wiederholt zu haben, die ich schon in andern Abhandlungen vorbrachte. Hierfür bitte ich bei denen um Entschuldigung, die mir die Ehre erweisen, alles zu lesen; denn ich bilde mir nicht ein, ein großer Redner zu sein, und besitze auch kein so gutes Gedächtnis, um mich an alles zu erinnern. Der große Schriftsteller Plutarch erzählt in seinem Werke manche Dinge auch zweimal. Wer meine Bücher drucken lassen wollte, brauchte, um alles richtig zu stellen, nur einen guten Korrektor.


Ende.[443]

Quelle:
Brantôme: Das Leben der galanten Damen. Leipzig [1904], S. 386-444.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Leben der galanten Damen
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