Zweite Scene.

[39] Eingang zur Schlucht in der Tiefe.

Voller Sturm mit heftigem Regen. Blitz und Donner.

Cosmo, tritt auf. Nimmt ein Pergament an die Brust und hüllt sich in seinen Mantel; er will fort.

Faust und Mephistopheles, treten auf.


MEPHISTOPHELES.

Hier ist der Greis, den wir ersah'n;

Ein seltner Mann, Faust, sprich ihn an.[39]

FAUST.

Ihr habt euch wol verirrt, mein Freund;

S'ist solche Nacht des Menschen Feind.

COSMO.

Doch, wen sein Weg zum Feinde führt,

Ganz frei gewählt, ist nicht verirrt.

Ich suchte einen Schatz und fand

Ihn zwischen dieser Felsenwand.

FAUST.

Wie? Einen Schatz? Ihr scherzt wol nur?

COSMO.

Mit nichten. Schätzt ihr die Natur?

FAUST.

Ich schätz' in ihr die ew'ge Kraft

Der ewig jungen Leidenschaft.

MEPHISTOPHELES.

Laßt uns dabei nur weitergeh'n,

Nicht in der Felsentraufe steh'n;

Bei euerm trockenen Discours

Durchnäßt uns ganz der Schatz Natur.

COSMO.

Wer ist der übermüth'ge Mann,

Der Höchstes so verspotten kann?

FAUST.

Laßt ihn gewähren immerdar,

Er meint's nicht so, es – ist mein Narr.[40]

MEPHISTOPHELES.

Ganz recht; bei mancher ernsten That

War ich dir schon ein lust'ger Rath.

COSMO.

Das ist ein Andres und ganz gut;

Ich lieb' am Narren Übermuth,

Der keck sich an das Große wagt,

Nichts nach Autoritäten fragt.

Und wer seid ihr, der ihr sein Herr?

FAUST.

Ein reicher Reisender, nichts mehr.

COSMO.

Wollt ihr mit mir nach Haus, ihr Zwei?

Willkommen ist dort Narretei;

Gesellschaft trefft ihr, lust'ge, an,

Und was man wünschen mag und kann.

FAUST.

Sehr gern. Wer aber seid ihr, sagt,

Der sich in diese Schlucht gewagt,

Im vollen Aufruhr der Natur;

Den, dacht' ich, sucht der Wahnwitz nur.


Sie gehen weiter.


COSMO.

Man nennt mich Cosmo, bin Poet.

Im Schloß, das ihr erleuchtet seht,

Wohnt mein Mäcen, Graf Robert, der

Seit Tagen erst des Schlosses Herr.[41]

Heut gibt er einen Leichenschmaus

Zu seines todten Vaters Ehr'n;

Kommt immer mit nur, trinkt ihr gern;

Die besten Weine schenkt er aus.

MEPHISTOPHELES.

Mir wässert's Maul – ein Leichenschmaus –

Wer Teufel ließe diesen aus!

FAUST.

Auch mich verlangt's, gesteh' es ein,

Nach einem guten Becher Wein.

Doch was ist's, dies noch saget mir,

Mit euerm Schatzaufgraben hier?

COSMO.

Nun, da ihr mit zum Schlosse geht,

Mögt ihr es wissen. Also seht:

Mein Herr, Graf Robert, der dies Fest

Auch schließen will mit Geist zu best,

Befahl mir, ein gut Stück Poem,

Zu schaffen, groß und angenehm,

Dabei gewaltig, schauerlich!

Daß jeglich Herz erschüttre sich,

Kurz, einen Sang, versteht ihr wol,

So reizend als begeistrungsvoll.

MEPHISTOPHELES.

Verstehe, und da gingt ihr denn,

Das Donnerwetter anzuseh'n?[42]

FAUST.

Schweig, Narr; fahrt im Erzählen fort.

MEPHISTOPHELES.

Der Weise nimmt dem Narrn das Wort.

COSMO.

Ein droll'ger Kauz! Mir dankt mein Herr

Für euern Schalk gewiß recht sehr.

Nun hört! Euch ist doch schon bewußt,

Daß jüngst der Doctor Johann Faust,

Wol auch Johannes Faust genannt,

Dem Teufel sich verschrieb zur Hand?

MEPHISTOPHELES wildlachend.

Ist also wirklich was daran?

Wie dauert mich der gute Mann!

FAUST.

Man sagt es. Wie dem aber sei,

Was kümmert Euch die Teufelei?

COSMO.

Viel, viel, denn seht, ich wählte sie

Zum Vorwurf meiner Poesie!

MEPHISTOPHELES lachend.

Na, wie behagt dir, sag' es frank,

Gevatter, dieser nette Schwank?

FAUST.

Ihr also schriebt in Reimen, ei!

Daß Faust nunmehr des Teufels sei?[43]

COSMO mit Stolz.

So ist's. Hier dieses Pergament

Umfaßt den Anfang und das End'.

MEPHISTOPHELES.

Anfang und End'?

COSMO.

End' und Beginn,

Wie er sich gab dem Teufel hin.

FAUST.

Wie, auch der Anfang? Wie es kam,

Daß Faust der Unmuth übernahm,

Und, weil so lang' sein Himmel schlief,

Er wach drob Höll' und Teufel rief?

Das ganze ungereimte Zeug

Gelang, mein Freund, zu reimen Euch?

COSMO.

Ich denke, ja. Ich hab's erschaut. –

MEPHISTOPHELES.

Und dann der Eselshaut vertraut?

FAUST.

Ihr glaubt das wirklich denn von Faust?

Wie denkt ihr ihn?

COSMO.

Als Sturm, der braust,

Und aus der Hölle Eingeweid'

Den Feind riß der Unsterblichkeit.[44]

MEPHISTOPHELES.

So glaubt ihr an den Teufel mit?

COSMO sich kreuzend.

Auch an den Bösen.

MEPHISTOPHELES schüttelt sich.

Wir sind quitt.

FAUST.

Wie schildert ihr den Doctor, Freund?

COSMO.

Als einen finstern Menschenfeind,

Den seine wüste Phantasei

Zog zu der Hölle Gaukelei,

Und der, in ihrem Netze nun,

Viel mit der Metze hat zu thun,

Die eher wol nicht rasten wird,

Bis alles Mark ihm abgeführt.

FAUST.

So, so. Vielleicht sein Ende rührt?

COSMO.

Ja, er sieht ein, daß er geirrt.

FAUST wildlachend.

Sieht ein? Ha! ha! Dies ist das Wort;

Ihr habt's getroffen, fahrt nur fort;

Ihr seid schon auf dem rechten Steg,

Der führet zu der Wahrheit Weg;

Nur noch ein Rosenabgrund liegt

Zur Seit', um den ihr spielend biegt.[45]

COSMO.

Nun, ich versteh' euch zwar nicht ganz –

MEPHISTOPHELES.

Auch mir sei närr'sche Frag' erlaubt:

Weil ihr schon an den Teufel glaubt, –

Mit Hörnern, hoff' ich, Klumpfuß, Schwanz

Habt ihr den Teufel ausstaffirt

In euerm Lied, wie sich's gebührt?

COSMO.

Ei, lust'ger Rath, das ginge nicht;

Ganz anders malt ihn mein Gedicht.

MEPHISTOPHELES.

Wie so?

COSMO.

Wie so? Ist eine Frag',

Wie sie ein Narr stellt jeden Tag.

Drum schritt ich in den Sturm heraus,

Verließ das lustdurchjauchzte Haus,

Zu finden hier in Nacht und Sturm

Ein Bild von jenem Höllenwurm,

Der Faustens Füß' als Hund umwand

Und hündisch in den Kreis gebannt;

Drum ging ich 'raus in diese Schlucht

Und fand den Schatz, den ich gesucht:

Ein Bild des Teufels suchte ich

In dieser Kluft hier fürchterlich.[46]

Sie ist Zerstörung, Nacht und Nichts,

Abbild des ersten Bösewichts;

Sie ist Verneinung, kalte Qual,

Abbild von jenem Scheuesal,

Das aus dem Garten Gottes noch

Jagt Vögel, die da fliegen hoch!

Versteht ihr?

MEPHISTOPHELES.

Nun, ich denk' –

Bin just von Kopf nicht umgelenk –

Ihr gingt vom fetten Leichenschmaus

In diese dürre Schlucht heraus,

Den Teufel euch zu conterfei'n

Vom Himmel, der da zürnet sein?

COSMO.

Ja, Narr, und es gelang mir so,

Daß ich nun dessen herzlich froh:

Ein gut Stück Arbeit trag' ich hier

Auf diesem Pergament mit mir.

Des Teufels ganze Schrecklichkeit

Erfaßt' in dieser Schlucht ich heut

Und stellt' ihn im Momente hin,

Wie er dem Doctor Faust erschien.

O hättet ihr den Fels geseh'n

Taghell in Blitzesflammen steh'n!

Er leuchtete rings durch die Nacht[47]

So wuthentbrannt ob Gottes Macht,

Und sah so kühn zum Himmel, der

Auf ihn warf seine Donner her,

Daß er die Wetterwolken all'

Hinschleuderte wie einen Ball

Und von den Schultern, zuckend, scharf,

Der Lüfte Thränenströme warf,

Indeß sein grimmer Fuß, umdampft

Von Schaum und Glut, die Erd' gestampft,

Daß sie erbebte tausendmal,

Wie bei des ersten Engels Fall!

Oh! –

MEPHISTOPHELES lachend.

Da mag Faust beim Lampenschein,

Nicht wahr, wol recht erschrocken sein?

FAUST sich die Stirne trocknend.

Und dieses Lied tragt ihr noch heut,

Im Schlosse vor?

COSMO.

Und wenn's euch freut,

So nehmt daran gastfreundlich Theil

Zu seltsam lehrreich kurzer Weil'.

FAUST.

Ja wol! Hinauf ins Schloß, hinan,

Bis tief ins Herz mich frostet's an![48]

COSMO.

So kommt, ihr seid willkommen hier.

MEPHISTOPHELES.

Der Spaß gefällt am Ende mir.


Alle Drei ins Schloß.


Quelle:
Braun von Braunthal, [Karl Johann]: Faust. Eine Tragödie, Leipzig 1835, S. 39-49.
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