Dreizehnter Auftritt


[202] Isidora, Melanie, Valeria.


ISIDORA. Die Tante ist schon wieder oben, Melanie, sollten wir ihr nicht folgen? Zwar bliebe ich gern noch hier, bleibst du wohl lieber als ich?[202]

MELANIE. Ich freue mich so, daß du lebendig wirst und unsre Freude mitgenießest – ich gehe hinauf.

ISIDORA. Wir sollen ihr heute noch singen; was singen wir dann?

MELANIE. Wir haben ja noch die weltlichen Lieder, die uns Felix brachte. – Wir haben sie so heimlich lernen müssen, wirst du deine Stimme noch können?

ISIDORA. Ich glaube wohl.

MELANIE. Ich kann so etwas nicht behalten, ich will mich ein wenig üben, dann rufe ich dich. Ab.

ISIDORA. Komme, setzen wir uns hierher, Flammetta, wir wollen reden, damit wir bekannter werden. Sie setzen sich an die Statue. Erzähle mir allerlei von dir.

VALERIA. Und wenn ich Euch nun etwas von Euch erzählte, was Euch noch nicht bekannt ist? Ihr seid so still und Eure Schwester ist so fröhlich?

ISIDORA. Ich war selten abends im Freien, der Abend berührt mich still, so antworte ich. Doch, Liebe, was weißt du von mir? Ich glaubte nicht, daß jemand von uns spräche; wir leben so verborgen.

VALERIA. Wo Schätze tief in der Erde verborgen sind, erscheint oft ein Feuer in der Nacht, auch stellt der Regenbogen seinen Fuß dahin. Das Vortreffliche bleibt nie geheim.

ISIDORA. Es ist ein schöner Aberglaube.

VALERIA. Geizhälse glauben noch an ihn, und einen solchen hört ich sprechen.

ISIDORA. Mädchen, sei nicht so geheimnisvoll, du bist schon ohnedies ein Wunderkind. Du wirst mir bange machen; sage, was hörtest du von mir?

VALERIA. O – großes Lob! wie stolz und sanft Ihr seid, wie fröhlich, und wie fromm, und schön, wie schön! Ich hörte Eurem Bruder eine Stunde zu.

ISIDORA. Mein Bruder! Ich Kind, daß ich nicht an ihn dachte; wer kann mich loben als Don Felix? – Wo sahst du ihn?

VALERIA. Er kam von Euch zurück und war noch ganz gerührt. Es war auf einem Balle, ich hatte mich mit einem kleinen Bürgermädchen hingeschlichen, die mir sehr gut geworden ist.[203]

ISIDORA. Mein Bruder sprach so öffentlich von mir?

VALERIA. Er wurde dazu aufgefordert, denn Ponce, sein Freund, drang mit vielen Fragen in ihn.

ISIDORA. Du sprichst so abgebrochen, Flammetta, als sollte ich immer staunen. – Ich höre gern von Felix sprechen, und von seinen Freunden – von Ponce hat er mir oft erzählt. Ich hörte immer mit größerer Freude zu, denn Felix liebt ihn sehr; er sagt, daß Ponce unendlich von ihm verschieden sei, und doch so liebenswürdig, darüber habe ich oft gedacht. Erzähle, was du weißt, aber nicht abgebrochen.

VALERIA. Das Mädchen, das mich hinbrachte, stand mit mir am Eingange, und zeigte mir Don Ponce, sie liebt ihn.

ISIDORA. Liebt ihn – wer ist dies Mädchen denn?

VALERIA. Seht, nun unterbrecht Ihr mich selbst. Sie ist ein armes Bürgermädchen, aber sie hat ein gutes, weiches Herz, und Ponce ging lange mit ihr um. Zu diesem Balle selbst hatte sie ihn angekleidet, und freute sich, wie er so zierlich aussah.

ISIDORA. Ist er ein schöner Mann?

VALERIA. Ich bin viele Städte durchzogen, und habe keinen schönern Mann gesehen. Er fragte Euren Bruder so dringend nach Euch, und wie dieser so schön von Euch sprach, war er ganz entzückt, und wollte gar nichts anders mehr hören. Meine Freundin war sehr traurig darüber, denn sie liebt ihn sehr.

ISIDORA. Felix sagte mir oft, er sei sehr wankelmütig.

VALERIA. Aber er verwandelt sich immer in etwas Schöneres. Da das arme Mädchen sah, wie er sich verändere, ging sie zu ihm hin.

ISIDORA. Vor allen diesen Menschen?

VALERIA. Die Liebe könnte wohl dies Mädchen bewegen, ihm die weite Welt nachzufolgen. Aber er lachte über sie, er sagte kalt, es liebe niemand ihn in Sevilla.

ISIDORA. Er lachte? Flammetta, das konnte er wohl nicht, du hörtest falsch, oder er verstand das Mädchen nicht.

VALERIA. Ich hörte es wohl, das Mädchen ging mit mir nach Haus, und weinte sehr, – Ponce kam auch nicht mehr zu ihr. Weint.[204]

ISIDORA. Du bist ein gutes Kind, daß dich das Leid deiner Freundin so schmerzt. Auch mich schmerzt es sehr – sehr; hat er das Mädchen denn jemals wirklich geliebt?

VALERIA. Ihr kennt das Mädchen nicht, und seid gerührt?

ISIDORA. Ich weiß nicht, aber dieser Ponce, gerade dieser – ich kannte außer Felix keinen Mann als ihn; doch sah ich ihn nie. Liebte er das Mädchen je? sage –

VALERIA. Das Mädchen schien es fest geglaubt zu haben, daß er sie liebe; ja, er hatte sie ganz verwandelt.

ISIDORA. Wie das?

VALERIA. Sie war vorher geringer, und brauchte weniger im Herzen und im Leben. Aber nun ist sie wohl bald wieder wie ehedem, denn auch Ponce habt Ihr verwandelt.

ISIDORA. Ich? ich sah ihn nie!

VALERIA. Valeria sagte mir, er sei ganz anders geworden, er sei lebendig und sanfter geworden, Euer Bild sei in seine Brust wie ein Funken in ein schönes Kunstfeuer gefallen, und tausend schöne Flammen loderten aus ihm empor, die alle alle Euren Namen in ihren hellen Zügen kreisten.

ISIDORA. Die arme Valeria! Was soll das Spiel mit mir? Auch das wird bald verloschen sein. Das ewige Feuer kreist und sprühet nicht, es war vor der Nacht, und zog als Sonn und Mond und Stern am neuerschaffenen Himmel hin.

VALERIA. Doch da die Welt aus der Liebe hervorbrach, war da das Feuer nicht einem Kunstfeuer zu vergleichen, das sich in seiner schönen Ordnung in die Planeten entzündete?

ISIDORA. Doch nie verlosch –

VALERIA. Wißt Ihr das Ende der Welt, und wißt Ihr das Ende von Ponces Liebe zu Euch? Valeria wird glücklich, wenn Ihr ihn liebt.

ISIDORA steht auf. Wer bist du, Mohrenkind? Es ist, als wärst du eine Zauberin, als wär ich dort in der Fontäne eingeschlummert und eine Nymphe sag' mir wundersamen Traum ins Ohr. – Vor wenig Stunden war ich noch allein – und nun bewegt sich eine fremde Welt um mich.

VALERIA. Verzeiht, wenn man so traulich spricht und sich liebt, von Dingen redet, die beiden lieb sind, so trägt oft das Gespräch, wie ein geheimes drittes Leben, die Seelen wunderbar[205] empor. Doch wißt, Liebe, Valeria hat mich gebeten, Euch zu grüßen. »Wenn sie so hold ist,« sagte sie, »als Ponce sie liebt, so bitte sie, daß sie ihn wiederliebe, mich wird das glücklich machen.« Auch ist sie wieder froh, wie ehedem.

ISIDORA. Ich werde nimmer diesen Ponce lieben, der meine Freundin so gekränkt, und dieser Ponce – wie will er zu mir gelangen? Mein Vater ist nicht hier, – Felix darf ihn nicht bringen; ich wollte, er hätte von mir geschwiegen, ich wollte, ich wäre bei Valeria! – Felix will ich schreiben, er solle mit diesem Manne behutsamer sein. Auch ich will nicht mehr an ihn denken, denn ich bin schuld an allem.

VALERIA. Ihr seid es nicht, Ihr seid nicht schuld an Eurer Anmut, und Ponce ist auch nicht schuld, daß er Euch liebt.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 202-206.
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