Zwölfter Auftritt


[229] Valeria, die Vorigen.


ISIDORA. Woher, liebes Flämmchen, kömmst du?

VALERIA. Ich sprach die Pilger, sie sind genesen.

MELANIE. Beide?

VALERIA. Ich meinte den Verwundeten.

ISIDORA. Ist nicht vielleicht der andre kränker? Es blickt eine tiefe Melancholie aus ihm.

MELANIE. Und sein Freund scheint ihn nur zu begleiten.

VALERIA. Ich glaube, daß Ihr recht gesehen habt.

ISIDORA. Der Anfall seines Schmerzes in meiner Gegenwart, so sehr er mich auch erzürnte, rührte mich doch sehr; er ist ein schöner Mann.

VALERIA. Und sein Leiden ist so wunderbar.

ISIDORA. Weißt du etwas Näheres davon?

VALERIA. O! es ist rührend, wie er so schön von der Liebe spricht, er muß unglücklich geliebt haben.

ISIDORA. Wie betrug er sich – was sprach er?

VALERIA. Sein Freund hat mir entdeckt, daß er immer noch liebt – und daß er nicht glauben kann, daß seine Geliebte ganz für ihn verloren ist, die ihn nicht mehr liebt. Seine traurige Verirrung ist, daß er oft ganz fremde Wesen für seine[229] Geliebte hält, und auch Ihr, liebe Isidora, macht diesen Eindruck heftiger als je auf ihn. Sein Freund versichert selbst, Ihr seid ihr ähnlich.

ISIDORA. Das macht mich sehr unglücklich.

VALERIA. Ihr könnt ihn sehr glücklich machen.

ISIDORA. Wie kann ich das?

VALERIA. Wenn Ihr ihn ruhig anhört und ihn freundlich von seinem Irrtum abwendet.

ISIDORA. O gern! wenn er nicht heftig werden will.

MELANIE. Hat der andere nicht auch so eine Krankheit, die ich wenden könnte?

ISIDORA. Ei, sieh! wie artig –

VALERIA. Vielleicht, vielleicht – Zu beiden. Habt ihr mich lieb?

BEIDE. Lieb, recht lieb.

VALERIA. Und wollt ihr nicht auf mich zürnen?

ISIDORA. Wenn du artig bist.

MELANIE. Und immer die Wahrheit sagst.

VALERIA. Ach, ich weiß, wie Liebe schmerzt, drum verzeiht, daß mir die Schmerzen dieser Menschen weh tun, und daß sie mir Briefe gaben, die ich euch geben soll.

ISIDORA. Briefe?

MELANIE. An uns beide?

VALERIA. Zürnet nicht, ich liebe euch so sehr.

MELANIE. Nun, weil du sie bringst, gieb!

ISIDORA. Aber ich weiß nicht – Valeria giebt jeder ihren Brief.

MELANIE. Mein Brief ist so schwer. Geschwind, Schwester, aufgemacht, sonst bin ich verloren! Meiner ist schon auf; doch was soll das Gold im Briefe?

ISIDORA. Auch dieser ist offen.

MELANIE liest. O wehe, sie sind beide melancholisch; was soll das Gold? Was soll das Gold? Er dankt für meine Wohltätigkeit, er habe es nicht nötig – und die Liebesschwüre!

ISIDORA. Und hier – schon wieder die wunderbare Idee, er habe in meinen Armen gelegen.

VALERIA. Das muß auf ihre Krankheit einen Bezug haben.

MELANIE. Soll ich laut lesen?

ISIDORA. Nein, nein! den meinen lese ich nimmer laut – hier, Valeria, gieb den Brief zurück.[230]

MELANIE. Und diesen auch – ich kann ihn auswendig – er ist gemein, oder nicht klug mit seinem Golde.

ISIDORA. Wir dürfen das alles nicht erklären wollen, die ganze Sache könnte mich beleidigen; ich wollte, Felix wäre hier.

VALERIA. Ich bringe die Briefe zurück, doch seid den armen Unglücklichen nicht unfreundlich!

ISIDORA. Gieb mir den Brief noch einmal – Liest. Hier, hier, geschwinde weg mit ihm!

MELANIE. Ich gehe, an Don Felix alles zuschreiben, und bitte ihn, zu kommen.

ISIDORA. Ich schließe einen Brief mit ein. Valeria und Melanie ab.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 229-231.
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