Zwanzigster Auftritt


[236] Valeria, Isidora.


ISIDORA. Lieb Mädchen, ich habe heute viel an deine unglückliche Freundin gedacht – die arme Valeria – ich habe auch Felix geschrieben, er solle Ponce zanken – ach, dieser Ponce!

VALERIA. Dieser Ponce? Ihr habt doch nicht vergessen, wie dieser Ponce Euch liebt?

ISIDORA. Hier an der Statue saß ich vorhin, als der Fremde seine wunderbare Liebe und seine Trauer ergoß; er sprach in schönen Worten, Flamma!

VALERIA. Und Ihr wart freundlich gegen ihn?

ISIDORA. So freundlich als ich konnte. Da ich merkte, daß meine Freundlichkeit aufhörte, verließ ich ihn.

VALERIA. Aufhörte? Warum hörte sie denn auf? War er Euch unangenehm?

ISIDORA. O Himmel, nein, das kann er nimmer – aber es ward mir bang – es war keine Freundlichkeit mehr – ich wünschte, er verwandle sich in Felix, ich hätte ihm dann um den Hals fallen können – aber so ist er nur krank – ich bin ein schlechter Arzt – Flammetta, es war mir plötzlich, als sei er gar nicht krank – als liebe er mich wirklich – da ging ich von ihm weg, und dachte an die arme Valeria.

VALERIA. An die arme Valeria? was dachtet Ihr?

ISIDORA. Ach, wie muß es erst einem armen Mädchen sein, wenn sie unglücklich liebt! Sie kann nicht fortlaufen, nicht reisen, – sie muß immer stumm fortleiden!

VALERIA. Valeria würde ganz ruhig sein, wenn sie wüßte, wie hold Ihr seid; und wenn Ihr Ponce lieben werdet, wird sie glücklich sein.

ISIDORA. Ponce – still, still, ich will von ihm nichts wissen – ich hasse ihn, wie ich das Mädchen hasse, das meinen armen Pilger so unglücklich machte – wenn ich machen könnte, daß zur Strafe der böse Ponce und das böse Mädchen sich ineinander verliebten!

VALERIA. Und Valeria erhielt', was sie will – und der Pilger verwandelte sich in einen reichen Grafen, und seine Krankheit würde sein Ernst – und?[236]

ISIDORA. Schweig, schweig! du machst mich ganz verwirrt! Du und der Fremde, seit ihr im Hause seid, habe ich ohnedies keine Ruhe mehr; wenn du nun noch so verwickelte Sachen sprichst! – Wo nur Melanie bleibt, sie wird doch nicht so lange bei den Pilgern verweilen?

VALERIA. Da kömmt der gute Hausmeister. Ich bin ihm recht gut, er hegt mich und pflegt mich.

ISIDORA. Auch ich mag ihn leiden, er ist immer so fröhlich wie die Ehrlichkeit.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 236-237.
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