Fünfter Auftritt


[251] Lucilla, Voriger.


LUCILLA umarmt ihn rücklings. Was liest du, Lieber?

FELIX küßt sie. Guten Morgen, schöne Beute!

LUCILLA. Ei, die Beute geht ja nicht freiwillig mit.

FELIX. Also holder Überläufer!

LUCILLA sie nimmt den Brief und liest. Was steht in dem Briefe? Deine guten Schwestern rufen dich um Hülfe an gegen zwei Pilger, aus denen sie nicht klug werden können; Melanie schrieb: »Sie sind so liebenswürdig und unklug; komme bald, lieber Felix, sonst steckt es an.« – Hier ist aber noch ein Zettelchen von Isidora. Liest. »Lieber Felix, Du hast mir immer so viel von Ponce erzählt, und wie ich alles liebe, was Dir angehört, hatte ich einen stillen Bund mit diesem Ponce errichtet – diesen Bund habe ich gebrochen, und auch Du sollst Deinem Freunde weniger verzeihen, denn ich weiß, daß Ponce ein armes Bürgermädchen mit Liebe täuschte, und daß dies Mädchen nun sehr unglücklich ist, – auch weiß ich, daß dieser Ponce mich liebt, mich, die er nie sah, und dies um Deiner gütigen Schilderung willen, wie mußt Du mich nicht lieben, lieber Felix! Ich kenne Ponce nicht, und will ihn nie sehen, doch gestehe ich gern, meine Phantasie hat ihn immer allen Männern vorgezogen. Sprich ihm nicht mehr von mir, tadle mich vor ihm, damit er seinen Sinn von mir wendet; kannst Du, guter Bruder, so führe ihn zu seiner ersten Liebe zurück, daß er die Tränen des treuen Kindes trockne. Diese Sache beschäftigt meine ganze Seele. Der eine der Fremden, der sich hier aufhält, ist unglücklich durch Liebe, sehr unglücklich, ich bin ihm sehr gut – ein schöner Wahn läßt ihn in mir seine untreue Geliebte sehn – ich wollte, ich wäre stark genug, ihn sich selbst wiederzugeben, – aber Felix![251] das will nicht gelingen, ich muß ihn vermeiden, er ist mir sehr gefährlich – komme bald, gleich, zu Deiner bedrängten Isidora.«

Aber Felix! wie ist da zu helfen, sie liebt den Pilger, und haßt Ponce!

FELIX. Ponce muß unterliegen, der Pilger muß siegen – nun lesen wir, was wir im Garten fanden – Er untersucht. Ei, noch einer dabei – an Isidoren – Ponces Hand – Liest. Gott! wie anders lautet das – er ist entzückt, er fleht um Verzeihung, daß er in ihren Armen lag – er lügt!

LUCILLA. Das ist eine Verwirrung! Liest den Brief mit dem Golde. An Melanie.

FELIX. Das ist Aquilars Hand.

LUCILLA liest. Er dankt fürs Geld, preist ihre Mildtätigkeit – Ei, Felix, wie ging das hier zu – auch er preist mit poetischen Worten die Minuten, die sie ihn in den Armen hielt, und er sie küßte.

FELIX. Ich begreife das alles nicht und die Reden gestern im Garten, und was Aquilar sprach, als er gestern abend ins Zimmer trat – Lucilla, was ist das?

LUCILLA. Dinge, über die man schweigen muß! Hast du deine Schwestern gesprochen?

FELIX. Ja, sie sprechen wunderbar unbestimmt über die beiden; doch habe ich ihnen noch verschwiegen, wer die Pilger sind. Was die Mädchen sagten, lautete wie Liebe, die sich selbst nicht traut.

LUCILLA. Und deine Freunde?

FELIX. Brennen vor Liebe.

LUCILLA. Bemerke, daß Ponce deine Ankunft segnete und laut gestand, er habe den Mädchen Unrecht getan. Das Ganze mag Eifersucht und Mißverständnis sein. Doch rufe deine Schwestern und die Ritter, mache sie bekannt miteinander, schnell! so wendet sich alles.

FELIX klingelt. Du hast recht! Diener tritt auf. Meine Schwestern!

DIENER. Die gnädige Tante ist vor einer Viertelstunde mit den Fräuleins abgereist, alle meine Kameraden begleiteten sie, sie bittet Euch, zu eilen.[252]

FELIX. So ist es dann zu spät, die beiden Fremden rufe mir.

DIENER. Diese sind soeben dem Hause hinausgelaufen, ich wollte ihnen das Frühstück bringen, und erzählte von der Abreise der Damen, da sprangen sie wie Raketen aus den Betten, warfen sich in die Kleider und stürzten dem Schlosse hinaus. »Wir müssen sie einholen, um Verzeihung flehen«, schrie der eine. Sie liefen ins Blaue hinein, ohne nur zu fragen, wo die Damen hin seien.

FELIX. Geschwind ein Pferd gesattelt! Diener ab. Es ist nun zu spät, ich muß weg!

LUCILLA. Du! wohin?

FELIX. Nach dem Dechant, der uns verbindet. Du mußt mein Weib sein, ehe uns die Feinde einholen. Verzeih, Geliebte, daß ich dich schon jetzt über andere vergaß.

LUCILLA. So eile nur, eile! ich bin ja gern dein Weib, auch ist nichts zu fürchten. Ist es nicht die Liebe, die zwischen jenen waltet, und was wird vollenden als die Liebe?

FELIX. O Lucilla, wie sprichst du wahr, wie wahr spricht die Liebe aus dir! Ich armer Schelm werde doch nichts tun, wo die Liebe waltet. Lebe wohl, meine Braut, ich muß dich aufgeben, süße Braut, ich muß dir untreu werden, ich sehe dich nicht wieder! Umarmt sie.

LUCILLA. Ich sehe dich nicht wieder, lieber Bräutigam, ach! kein Scheiden ist süß, als wenn Braut und Bräutigam scheiden!

FELIX. Weil der Bräutigam den Priester holt. Lebe wohl! Ab.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 251-253.
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