Zweyter Auftritt.

[4] Belmonte. Osmin, mit einer Leiter, welche er an einen Baum vor der Thüre des Palasts lehnt, hinauf steigt und Feigen abnimmt.


OSMIN.

Wer ein Liebchen hat gefunden,

Die es treu und redlich meynt,

Lohn' es ihr durch tausend Küsse,

Mach ihr all das Leben süße,

Sey ihr Tröster, sey ihr Freund.

Trallalera, trallalera!

BELMONTE. Vielleicht daß ich durch diesen Alten etwas erfahre. – He, Freund! Ist das nicht das Landhaus des Bassa Selim?

OSMIN singt wie zuvor, während der Arbeit.

Doch sie treu sich zu erhalten,

Schließ' er Liebchen sorglich ein:

Denn die losen Dinger haschen

Jeden Schmetterling, und naschen

Gar zu gern vom fremden Wein.

Trallalera, trallalera!

BELMONTE. He, Alter, he! hört Ihr nicht? – Ist hier des Bassa Selim Palast?[4]

OSMIN sieht ihn an, dreht sich herum, und singt wie zuvor:

Sonderlich bey'm Mondenscheine

Freunde, nehmt sie wohl in Acht!

Oft lauscht da ein junges Herrchen,

Kirrt und lockt das kleine Närrchen,

Und dann Treue, gute Nacht!

Trallalera, trallalera!

BELMONTE. Verwünscht seyst du und dein Lied!

Osmin steigt mit den Feigen vom Baume herab, und will wieder in das Haus hinein.


BELMONTE. Nur ein Wort, Alter, nur ein Wort!

OSMIN. Was giebts?

BELMONTE. Gehört dieses Landhaus dem Bassa Selim?

OSMIN. Ja, 's gehört ihm. Will immer ins Haus.

BELMONTE. Seyd Ihr in seinen Diensten?

OSMIN. Getroffen!

BELMONTE. Ist nicht ein Aufseher über die Gärten hier, der Pedrillo heißt?

OSMIN. Ja, 's ist so ein Schurke da.

BELMONTE. Kann ich ihn sprechen?

OSMIN. Das ist Eure Sorge. Will immer ins Haus.[5]

BELMONTE. Ey so wartet doch einen Augenblick, und laßt mit Euch reden.

OSMIN. 's beliebt mir nicht. Ihr habt just so eine schurksche ausländische Miene, wie jener Galgendieb, und seht einem Spion so ähnlich, wie ein Ey dem andern. Geht zum Henker!

BELMONTE. Hab' ich je so einen alten griesgrämigen Schurken gesehen? Laut. Aber ich hab' Geschäfte beym Pedrillo, und muß ihn nothwendig sprechen.

OSMIN. Geschäfte? Ja, Spitzbüberey zu treiben, und mit ihm halb Part zu machen. Trollt Euch, trollt Euch!

BELMONTE. Der Henker hole den Isegrimm! – Laut. Ich verlange: Eure Dienste nicht umsonst, Alter! –

OSMIN. Und ich Eure Geschenke nicht.

BELMONTE. Seht einmal diesen blanken Dukaten! sollt ihn haben.

OSMIN. Und Ihr funfzig tüchtige Prügel auf die Fußsohlen.

BELMONTE bey Seite. Das ist ein Vieh von einem Kerl! Laut. Aber wer seyd Ihr denn, daß Ihr so mit mir sprecht?

OSMIN. Hab' ich Euch gefragt?[6]

BELMONTE. Das ist zum rasend werden!

OSMIN. Und wenn Ihr noch viel Murmelus und Federlesens macht, so lass' ich Euch eine Vastonnade auftischen, die Ihr so bald nicht verdauen sollt. – Immer marsch von der Thüre weg! Geht zum Teufel, wo Ihr hergekommen seyd! Hier setzt's nichts zu gaunern!

Er treibt ihn zurück.


BELMONTE im Abgehen. Ah, Geduld, armes Herz! O Constanze!


Quelle:
Johann André: Belmont und Constanze, oder: Die Entführung aus dem Serail. Leipzig 1781, S. 4-7.
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