Vierter Auftritt.

[8] Pedrillo. Hernach Belmonte.


PEDRILLO. Geh nur, alter verwünschter Aufpasser; es ist noch nicht aller Tage Abend. Wer weiß, wer den[8] Andern überlistet; und dir mißtrauischem gehäßigen Menschenfeinde eine Grube zu graben, sollte ein wahres Fest für mich sehn!

BELMONTE. Pedrillo, guter Podrillo!

PEDRILLO. Ach mein bester Herr! Ists möglich? Sind Sie's wirklich? Bravo, Madam Fortuna, bravo! das heißt doch Wort gehalten! Schon verzweifelte ich, ob einer meiner Briefe Sie getroffen hätte.

BELMONTE. Sag, guter Pedrillo, lebt meine Konstanze noch?

PEDRILLO. Lebt, und noch hoff' ich für Sie. Seit dem schrecklichen Tage, an welchem das Glück uns einen so häßlichen Streich spielte, und unser Schiff von den Seeräubern erobern ließ, haben wir mancherley Drangsal erfahren. Glücklicher Weise traf sichs noch, daß der Bassa Selim uns alle drey kaufte: Ihre Konstanze nämlich, meine Blonde, und mich. Er ließ uns sogleich hier auf sein Landhaus bringen. Donna Konstanze ward seine auserwählte Geliebte. –

BELMONTE. Ah! was sagst du?

PEDRILLO. Na, nur nicht so hitzig! Sie ist noch nicht in die schlimmsten Hände gefallen. Der Bassa ist ein Renegat, und hat noch so viel Delikatesse,[9] keine seiner Weiber zu seiner Liebe zu zwingen; und so viel ich weis, spielt er noch immer den unerhörten Liebhaber.

BELMONTE. Wär es möglich? Wär Konstanze noch treu?

PEDRILLO. Sicher noch, lieber Herr! Aber wie's mit meinem Blondgen steht, weis der Himmel! Das arme Ding schmachtet bey einem alten häßlichen Kerl, dem sie der Bassa geschenkt hat; und vielleicht – ach ich darf gar nicht dran denken! –

BELMONTE. Doch nicht der alte Kerl, der so eben ins Haus ging?

PEDRILLO. Eben der.

BELMONTE. Und dies ist der Liebling des Bassa?

PEDRILLO. Liebling, Spion, und Ausbund aller Spitzbuben, der mich mit den Augen vergiften möchte, wenns möglich wäre.

BELMONTE. O guter Pedrillo! was sagst du?

PEDRILLO. Nur nicht gleich verzagt! Unter uns gesagt: ich hab' auch einen Stein im Brete beym Bassa. Durch mein bischen Geschick in der Gärtnerey hab' ich seine Gunst weggekriegt, und dadurch hab' ich so ziemliche Freyheit, die tausend Andere nicht haben würden. Da sonst jede Mannsperson sich entfernen muß, wenn eine seiner Weiber in[10] Garten kommt, kann ich bleiben; sie reden so gar mit mir, und er sagt nichts datüber. Freylich mault der alte Osmin, besonders wenn mein Blondgen ihrer Gebieterinn folgen muß.

BELMONTE. Ists wöglich? Du hast sie gesprochen? – O sag, sag! Liebt sie nicht noch?

PEDRILLO. Hm! daß Sie daran zweifeln! Ich dächte, Sie kennten die gute Konstanze mehr als zu gut; hätten Proben genug ihrer Liebe. – Doch damit dürfen wir uns gar nicht aufhalten. Hier ist blos die Frage, wie's anzufangen ist, hier weg zu kommen?

BELMONTE. O da hab' ich für alles gesorgt! Ich hab' hier ein Schiff in einiger Entfernung vom Hafen, das uns auf den ersten Wink einnimmt, und –

PEDRILLO. Ah, sachte, sachte! Erst müssen wir die Mädels haben, ehe wir zu Schiffe gehen; und das geht nicht so husch, husch! wie Sie meynen.

BELMONTE. O lieber guter Pedrillo, mach nur, daß ich sie sehen, daß ich sie sprechen kann! Das Herz schlägt mir vor Angst, vor Freude! –

PEDRILLO. Pfiffig müssen wir das Ding anfangen, und rasch müssen wir's ausführen, dannt wir[11] den alten Aufpasser übertölpeln. Bleiben Sie hier in der Nähe. Jetzt wird der Bassa bald von einer Lustfahrt auf dem Wasser zurück kommen. Ich will Sie ihm als einen geschickten Baumeister vorstellen: denn Bauen und Gartnerey sind seine Steckenpferde. Aber lieber goldner Herr, halten Sie sich in Schranken; Konstanze ist bey ihm –

BELMONTE. Konstanze bey ihm? Was sagst du? Ich soll sie sehen?

PEDRILLO. Gemach, gemach ums Himmels willen, lieber Herr! sonst stolpern wir – Ah ich glaube, dort seh' ich sie schon angefahren kommen. Gehn Sie nur auf die Seite, wenn er kommt; ich will ihm entgegen gehen.

Geht ab.


Quelle:
Johann André: Belmont und Constanze, oder: Die Entführung aus dem Serail. Leipzig 1781, S. 8-12.
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