Fünfter Auftritt.

[34] Pedrillo. Osmin.


OSMIN. Ha! Geht's hier so lustig zu? Es muß dir verteufelt wohl gehen.

PEDRILLO. Ey, wer wird so ein Kopfhänger seyn; es kommt beym Henker da nichts bey heraus: das haben die Pedrillos von jeher in ihrer Familie gehabt. Fröhlichkeit und Wein versüßt die härteste Sklaverey. Freylich könnt ihr armen Schlucker das nicht begreifen, daß es so ein herrlich Ding um ein Gläschen guten alten Lustigmacher ist. Wahrhaftig, da hat euer Vater Mahomet einen verzwei[34] felten Bock geschossen, daß er euch den Wein verboten hat. Wenn das verwünschte Gesetz nicht wäre, du müßtest ein Gläschen mit mir trinken, du möchtest wollen oder nicht. Für sich. Vielleicht beißt er an: er trinkt ihn gar zu gerne.

OSMIN. Wein mit dir? Ja Gift –

PEDRILLO. Immer Gift und Dolch, und Dolch und Gift! Laß doch den alten Groll einmal fahren und sey vernünftig. Sich einmal, ein Paar Flaschen Cyperwein! – Ah – Er zeigt ihm zwey Flaschen, wovon die eine größer als die andere ist. Die sollen mir treflich schmecken!

OSMIN für sich. Wenn ich trauen dürfte?

PEDRILLO. Das ist ein Wein! das ist ein Wein! Er setzt sich nach türkischer Art auf die Erde, und trinkt aus der kleinen Flasche.

OSMIN. Kost einmal die große Flasche auch.

PEDRILLO. Denkst wohl gar, ich habe Gift hinein gethan? Ha! laß dir keine graue Haare wachsen. Es verlohnte sich der Mühe, daß ich deinetwegen zum Teufel führe. Da sieh, ob ich trinke. Er trinkt aus der großen Flasche ein Wenig. Nun hast du noch Bedenken? tran'st mir noch nicht? Pfuy, Osmin! sollt'st dich schämen – Da nimm! Er giebt ihm die große Flasche. Oder willst du die kleine?[35]

OSMIN. Nein laß nur, laß nur! Aber wenn du mich verräthst. – Sieht sich sorgfältig um.

PEDRILLO. Als wenn wir einander nicht weiter brauchten. Immer frisch! Mahomet liegt längst aufm Ohr, und hat nöthiger zu thun, als sich um deine Flasche Wein zu bekümmern.

Duett.


PEDRILLO.

Vivat Bachus!

Bachus lebe!

Bachus war ein braver Mann!

OSMIN.

Ob ichs wage?

Ob ich trinke?

Ob's wohl Alla sehen kann?

PEDRILLO.

Was hilft das Zaudern?

Hinunter, hinunter!

Nicht lange, nicht lange gefragt!

OSMIN.

Nun war's geschehen,

Nun war's hinunter;

Das heiß ich, das heiß ich gewagt![36]

BEIDE.

Es leben die Mädchen,

Die Blonden, die Braunen,

Sie leben hoch!

PEDRILLO.

Das schmeckt treflich!

OSMIN.

Das schmeckt herrlich!

BEIDE.

Ah! das heiß ich Göttertrank!

Vivat Bachus,

Bachus lebe,

Bachus, der den Wein erfand!

PEDRILLO. Wahrhaftig, das muß ich gestehen, es geht doch nichts über den Wein! Wein ist mir lieber, als Geld und Mädchen. Bin ich verdrüßlich, mürrisch, launisch: hurtig nehm' ich meine Zuflucht zur Flasche; und kaum seh' ich den ersten Boden: weg ist alle mein Verdruß! – Meine Flasche macht mir kein schiefes Gesicht, wie mein Mädchen, wenn ihr der Kopf nicht auf dem rechten Flecke steht; und schwatzt mir von Süßigkeit der[37] Liebe und des Ehestands, was ihr wollt: Wein auf der Zunge geht über alles!

Osmin fängt bereits an die Wirkung des Weins und des Schlaftrunks zu spüren, und wird bis zu Ende des Auftritts immer schläfriger und träger, doch darfs der Schauspieler nicht übertreiben, und muß nur immer halb träumend und schlaftrunken bleiben.


OSMIN. Das ist wahr – Wein – Wein – ist ein schönes Getränke; und unser großer – Prophet mag mirs nicht übel nehmen – – Gift und Dolch! es ist doch eine hübsche Sache um den Wein! – Nicht – – Bruder Pedrillo?

PEDRILLO. Richtig, Bruder Osmin, richtig!

OSMIN. Man wird gleich so – munter Er nickt zuweilen. so vergnügt – so aufgeräumt – – Hast du nichts mehr, Bruder?

Er langt auf eine lächerliche Art nach einer zwoten Flasche, die Pedrillo ihm reicht.


PEDRILLO. Hör du, Alter: trink mir nicht zu viel; es kommt einem im Kopf.

OSMIN. Trag doch keine – Sorge, ich bin[38] ja – so – nüchtern wie möglich – Aber das ist wahr – Er fängt an, auf die Erde bin und her zu wanken. es schmeckt – – vortreflich! –

PEDRILLO für sich. Es wirkt, Alter; es wirkt!

OSMIN. Aber verrathen mußt du mich nicht – Brüderchen – verrathen – denn – wenns Mahomet – – nein, nein – der Bassa wüßte – – denn siehst du – – – liebes Blondchen – – ja oder nein! – –.

PEDRILLO für sich. Nun wirds Zeit, ihn fortzuschaffen! Laut. Nun komm, Alter, komm, wir wollen schlafen gehn!

Er hebt ihn auf.


OSMIN. Schlafen? – Schämst du dich nicht? – – Gift und Dolch! Wer wird denn so schläfrig seyn – es ist ja kaum Morgen –

PEDRILLO. Ho ho, die Sonne ist schon hinunter! – Komm, komm, daß uns der Bassa nicht überrascht!

OSMIN im Abführen. Ja, ja, – – eine Flasche – guter – Bassa – geht über – – alles! – Gute Nacht – – Brüderchen – gute Nacht –

Pedrillo führt ihn hinein, kemmt aber gleich wieder zurück.
[39]


Quelle:
Johann André: Belmont und Constanze, oder: Die Entführung aus dem Serail. Leipzig 1781, S. 34-40.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Anatol / Anatols Größenwahn

Anatol / Anatols Größenwahn

Anatol, ein »Hypochonder der Liebe«, diskutiert mit seinem Freund Max die Probleme mit seinen jeweiligen Liebschaften. Ist sie treu? Ist es wahre Liebe? Wer trägt Schuld an dem Scheitern? Max rät ihm zu einem Experiment unter Hypnose. »Anatols Größenwahn« ist eine später angehängte Schlußszene.

88 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon