100. An Johanne Busch

[68] 100. An Johanne Busch


Frankfurt a/M d. 6. Octob. 71


Meine liebe Johanne!

Dienstag und Mitwoch war ich mit Otto zusammen in Straßburg. Ich hatte mich schon auf einen längeren Aufenthalt dort gefaßt gemacht; aber die Druckerei von Silbermann, worin ich zeichnen wollte, war mittlerweil in andere Hände übergegangen. Auf dem Rückwege blieben wir noch eine Nacht in Heidelberg, wo wir mit Freund Baßermann zusammen waren. Seinem kleinen Mädchen von 2-3 Jahren ist eben ein Blutschwamm, der bereits die halbe Stirn überzogen, operirt worden; es ist zweifelhaft, ob die Operation nicht wiederholt werden muß. – Daß ich nicht in Straßburg bleiben mußte, war mir in sofern ganz lieb, als mir meine neue Wohnung hier sehr behaglich ist. Die zwei Fenster des Wohnzimmers gehen nach Westen. Gardienen und Überzüge von Sopha und Stühlen sind vom selben braun geblümten Stoff. Ein bequemer Lehnstuhl breitet wohlwollend seine[68] Arme aus, während die große Schwarzwälder Uhr in der Ecke ticktackt und mit ernster Stimme ihre Stunden ruft. Das Atelier mit Holztapete sieht nach Norden, das Schlafzimmer nach Ost und Süd. Die Küche hat einen kleinen und einen großen Heerd; natürlich wird nur der kleine gebraucht, wie es der Größe des Haushaltes angemeßen. Die Mary kocht unter Fr. Keßlers Anleitung zu meiner vollen Zufriedenheit. Was die Kostspieligkeit anlangt, so wird darüber Buch geführt; ich hoffe, das Resultat wird nicht ungünstig ausfallen. Heute habe ich weißen Kohl mit Speck und abgekochten Kartoffeln gegeßen. Wirklich recht brav! – Wenn der Küchenzettel für den Lauf der Woche erst mal festgestellt ist, so werde ich nicht verfehlen, ihn Dir in authentischer Abschrift mitzutheilen.

Adolf laße ich bitten, mir bald Kaffee zu schicken, ebenso Taback – Otto verlangt auch danach.

Was machen denn die Kinder bei Euch und auf der Pfarre?

Viele herzliche Grüße an Alle von Deinem

getr. Schwager

Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 68-69.
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