1018. An Nanda Keßler

[51] 1018. An Nanda Keßler


Wiedensahl 8. März 95.


Meine liebe Nanda!

Vielen Dank für Blumen und Brief; datirt 27. Febr, angekommen 6. März. Daß Dir das Schreiben recht sauer geworden, wird jeder Wohldenkende verzeihlich finden. Denn sehr schön und zerstreulich muß es sein da, wo Du jetzt bist. Und auch für die Kunst ist ausreichend gesorgt durch die hübschen Malerinnen, die sich selber bemalen. Da braucht man freilich nicht nach Florenz zu gehn. Siehst du bloß zu, oder hast Du, begeistert, schon selbst den Pinsel zur Hand genommen? Und dann: gewinn nur nicht zu viele Millionen, sonst magst Du am End nicht mehr heraus aus dem Satansparadies, oder kämst Du auch mal, so ließest Du vielleicht verdrießlich das Köpfchen hängen, wie vor Kälte die Blumen, die herüber kamen von Dir.

Ja, kalt ist es noch immer allhier; ein frischer, standhafter Winter. Es wäre unpaßend, wollt ich Dir, die unter Palmen in Gold und Düften schwelgt, des weiteren erzählen, wie's gar so gemüthlich war in der klappernden Mühle, wie so trefflich der Schlitten dahin glitschte über den glitzernden Weg, wie prächtig der Wald dastand im Hermelin. Nur gruseln würd es dir dabei. Aber das, liebe Nanda, möcht ich doch sagen und fest behaupten: Selbst im Lande der Schneemänner giebt es Wen, der sich herzlich freut, daß es Dir und Hudi so gut geht, und der euch beide viel tausendmal grüßen läßt.

Er heißt

Onkel Wilhelm.


Apropos! Sirenen – giebt's denn die jetzt auch im Venusberge? Wundern sollt's mich nicht, denn alles Ungeziefer acclimatisirt sich leicht.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 51.
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