1020. An Hermann Nöldeke

[52] 1020. An Hermann Nöldeke


Wiedensahl 2. April 95.


Lieber Hermann!

Unser Wetter ist seit ein paar Tagen schön frühlingsmäßig, obwohl der Wind von Osten weht und es in den Nächten etwas gereift hat. Da beginnt es denn endlich auch rege zu werden in den Gärten. Gestern Nachmittag haben Frau Nickels und Sophie die ersten Kartoffeln, Erbsen, Wurzeln und Spinat hinten im Garten unter die Erde besorgt. Nickels Ferdinand band die Brombeeren zurecht, die, wie mir scheint, etwas schäbig und unregelmäßig werden, da sie nicht mehr am alten Wurzelstock austreiben, sondern lieber nebenbei oder weit weg. Das Zeug will doch wohl eigentlich dicht zusammen stehn und ein Gebüsch bilden, worin eins das andere schützen und halten kann. Dann wurden die Rosen aufgerichtet. Sie sind alle gut geblieben, auch die, die vorigen Herbst bei Kaufholt in Stadthagen über acht Tage auf's Abholen gewartet haben. Die Stiefmütterchen sind diesmal, obgleich ich sie doch, was ich sonst nie gethan, mit Tannenreisern hatte zudecken laßen, viel kümmerlicher aus dem Winter gekommen als sonst, was wohl daran liegt, daß ich sie im Herbst nicht gedüngt hatte. Nun hab ich sie gleich mit Ale begießen laßen. – Der Hopfen treibt lustig, in der Weißdornhecke spitzt Grün hervor, und auch das Gebüsch, das Fritz erst noch neulich abgeköpft hat, will sich allmählig was merken laßen.

Fritz macht uns Sorgen seit Sonnabend. Wie ich höre, ist er seit mehrern Wochen hie und da aufgefallen durch seine Unstetigkeit, die ihn zu keiner Arbeit recht kommen gelaßen. Sonnabend haben sie zum Docter geschickt. Der soll gesagt haben, es sei mit ihm daßelbe, wie's mit Herrn Hoyer gewesen. Frl. Kather hat ihn Sonntag besucht. Er war auf, sprach wie gewöhnlich, meinte, es sei Erkältung – nur hat es Frl. K. so geschienen, als ob sein Gang, seine Bewegung etwas Unsicheres gehabt hätte. Wir wollen hoffen, daß sich die Folgen dieses scheinbar doch nur geringen Anfalls bald verlieren. – Stärker scheint der Schlaganfall zu sein, den Frau Goldbeck vorgestern gehabt hat; sie hat die Sprache verloren; näheres wißen wir noch nicht darüber.

Gestern Nachmittag bewegte sich ein Wagen mit Möbeln durch die Hespe; wir werden ja bald, sowie der neue Lehrer kommt, eine neue Nachbarin kriegen.

Wie ich von Frl. K. höre, die Mutters Brief heut Morgen erhielt, haben sich viele Fräuleins bei Euch gemeldet. Hättet ihr doch nur erst die richtige, und vor allem, hättet ihr doch nur erst ein gutes Mädchen wie der!

Du handtirst also tüchtig im Garten. Otto schrieb mir gestern, er wolle nun mit Schmidt auch ordentlich ins Geschirr gehn. Dann, sobald der Lehmboden in der Scheune fertig ist, will er den Hühnerstall baun. Sein eines Huhn, das er in Pension gegeben, hat bereits 20 Eier gelegt; dazu hat Else 74 Stück geschenkt bekommen.

Sonnabend denke ich nach Wolfenbüttel zu fahren. Ob Onkel Hermann in der zweiten Hälfte seiner Ferien nach Wiedensahl kommt, wie er vorhatte, darüber erwarte ich noch Nachricht von ihm.

Gehab dich wohl, lieber Hermann. Und grüße Mutter, Sophiechen und die Kinder recht herzlich von

deinem getr. Onkel Wilhelm.


Frl. K. und Sophie laßen auch vielmals grüßen.[52]

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 52-53.
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