1036. An Grete Meyer

[59] 1036. An Grete Meyer


Wiedensahl 16. Aug. 95.


Liebe Grete!

Ich bedanke mich auch schön für die zwei anmuthigen Brieflein, deren erstes eine Spatzierfahrt nach Wolfenbüttel machte, eh es für gut fand, mich hier zu begrüßen.

Recht gefreut hatt ich mich schon, wenn ich mir vorstellte, was Du, beladen heimkehrend mit deinen Besorgungsbündeln, in Hunteburg für ein länglichtes Angesicht kriegen würdest bei der unvermutheten Nachricht, daß du während deiner Abwesenheit kurzweg eine ehrwürdige Tante geworden. Leider, wie ich nur zu bald hörte, hattest du bereits in Osnabrück vernommen, was paßirt war, und das Gesicht ist wohl nur halb solang gewesen, als ich gewünscht hätte.

Nun, wie sieht er denn aus, der kleine Neffö, und was macht er? (Ich meine, in allen Ehren.) Lutscht er recht brav? Starrt er seelenruhig philosophisch in diese verzwickte Welt hinein mit seinen waßerbläulichen Äuglein? Vielleicht schnappt er auch schon nach dem Finger, wenn man ihm an's Mäulchen tupft, und singen und trompeten kann er gewiß. – Über das Alles schreib mir doch, bitte.

Also gab's richtig mal "gebratene Erbsensuppe" bei euch; natürlich der Abwechselung wegen. Wie Anna Sunder gesteht, hat sie es neulich in Twistringen mit Wurzeln auch grad so gemacht. – Ach ja! –

Unser Wetter allhier war naß und naß und noch'n mal naß. Seit gestern aber hat sich der Wind beinahe nach Norden gedreht, und die Hoffnung und das Barometer sind erheblich gestiegen. – Tante, Frl. K. und Anna sitzen sogar eben jetzt bohnenschnippelnd in der "Löwinne" draußen.[59]

Bleib munter, liebs Gretchen! Grüß Alle von uns Allen, und sei du selber noch apart auf das herzlichste gegrüßt von

deinem getreulichen

Onkel

Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 59-60.
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