1067. An Grete Meyer

[70] 1067. An Grete Meyer


Wiedensahl 23. März 96.


Meine liebe Grete!

Ich dank dir recht schön für deinen fröhlichen Brief. – Das war mal gut, daß dir der sonst so matte Winter doch wenigstens ein paar beinbewegliche Festlichkeiten gegönnt hat. Freilich, ein lahmes Hinterpfötchen hat's Mamsellchen mit heim gebracht. Na, das giebt sich wieder, und nach Ostern, wenn ich mal komme, wird die altgewohnte graziöse Schwebhaftigkeit gewiß wieder völlig vorhanden sein.

Am Harz fand ich nicht den festen glitzernden Schneewinter, der mir im vorigen Jahre so angenehm war; viel Nebel stattdeßen. Aber es war doch ganz gemüthlich im Pfarrhaus. Die hattorfer Hühner legten nicht so fleißig, wie die habgierigen Besitzer erwartet hatten. Eins der Gackerthiere wurde unwohl, fraß nicht, wackelte hin und her. Vergebens schlug Hermann alle Bücher nach. Auf gut Glück wurde ihm Speck eingegeben. Man befürchtete das Ärgste. Nächsten Morgens war's kreuzfidel. Sieh da, es hatte sein erstes Ei gelegt, ein ganz ganz klimperkleines; und so ein mächtig großes Huhn! Deßenungeachtet hat's ihm doch so schwer auf der Seele gelegen.

Zwei Ferkelchen wurden damals auch angekauft; zwei niedliche Thierchen. Natürlich mußt ich den Handel draußen mit ansehn. Scharf pustete der Ostwind. Ein Schnupfen gesellte sich zu mir, begleitete mich nach Wiedensahl und leistete mir auch hier noch lange Gesellschaft.

Freitag vor acht Tagen bracht ich die Rosen hoch. Gleich in derselbigten Nacht fror's richtig hübsch scharf; in der folgenden schneit es. Hat aber so gut wie gar nichts geschadet.

Heute ist es, wie Sommer. Die Schneeglöckchen werden sich nächstens empfehlen; die Veilchen wollen blühn. Petersilie, Spinat, die ersten Erbsen und Wurzeln sind in der Erde. Bald sieht die graue Welt wieder grün aus[.]

Hoffentlich entwickelt ihr dort im Garten schon gleichfalls eine emsige Thätigkeit. – Später, bitte, komm denn mal und hilf mir den Hopfen anbinden.

Herzliche Grüße an Else, Otto, Anna, Martin und vor allen an dich, liebs Gretchen, von deinem dich liebenden

Onkel Wilhelm.


Auch Frl. K. läßt grüßen.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 70.
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