108. An Johanne Busch

[74] 108. An Johanne Busch


Frankf. a/M. 29. Febr. 72


Meine liebe Johanne!

Es ist wohl endlich an der Zeit, ein Zeichen des Lebens von mir zu geben und Euch zu sagen, daß ich Eurer stets freundlich gedenke. Vor allem möchte ich auch nicht versäumen, der kleinen neuangekommenen Verwandten, die nun bereits einen Vornamen hat, meinen herzlichen Gruß und Glückwunsch darzubringen. Wenn ich diesen Sommer nach Wiedensahl komme, so wird sich die Marie, denk ich, recht vergnügt und zufrieden und schon einigermaßen verständig in dieser Welt umschaun. Es wird mich freuen, dann als Onkel ihre persönliche Bekanntschaft zu machen.

Das Brod ist immer wohlbehalten angekommen und hat mir in Gemeinschaft mit der heimathlichen und theilweise Wolfenbüttler Wurst gar vortrefflich gemundet. Die Frage: Was giebts denn heut Abend? konnte dadurch immer leicht gelöst und beantwortet werden. Es herrscht überhaupt ein gewißer Überfluß in meinem kleinen Haushalte, der sich wenigstens einmal in der Woche durch Fricadellen Luft machen muß; die aber, ohne Überhebung zu sprechen, entschieden löblicher zusammengesetzt sind, als diejenigen eines in Eurer Nähe liegenden Klosters, die mir stets unvergeßlich bleiben werden unter dem Namen: »seelenlose Prömmeln!«

Der Winter scheint bei uns vorüber zu sein. Mein Hauptkunstgenuß während deßelben war Musik. Ich war regelmäßig in den Museumsconzerten, Quartettsoireen und auch in den beiden Ullmann'schen Konzerten, der mit einer Sammlung der berühmtesten Künstler im Fache der Musik in der Welt herum zieht.

Wie angenehm es mir war, Bruder Hermann und, ganz wider Erwarten, auch Bruder Gustav hier zu sehen, kannst du dir denken. Eines schönen Abends überraschte uns auch Vetter Ernst aus Lüethorst, der die Försterfamilie aus Erichsburg nach Diedenhofen in Lothringen begleitet hatte. Er blieb aber nur einige Stunden hier.

Der herannahende Frühling ruft auch meine Reisegedanken wach. Ich gedenke jedenfalls auf einige Zeit nach Wiedensahl zu kommen und hoffe, daß Ihr mich wieder freundlich aufnehmt.

Sind denn die neuen Kleider schon zugeschnitten?

Sage auf der Pfarre meinen besten Dank und herzliche Grüße. Ebenso an Adolf und die Kinder von

Deinem getr. Schwager

Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 74.
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