1116. An Grete Meyer

[90] 1116. An Grete Meyer


Wiedensahl 17. März 1897.


Liebe Grete!

Sei bedankt für deinen Brief; und dein Besuch neulich war eine rechte Freud für uns. Wär nur die Zeit, die flüchtige, bei solchen Gelegenheiten grad nicht noch ein größeres Wippsteertchen und Sausewindchen, als für gewöhnlich. Dahingegen ist dieser Heinrich, wie ich ärgerlicherweise vernehme, am Freitag um so langsamer gewesen. Und Schwester Marie hat in Hannover vergeblich gewartet, und Tante mußte sich zum Stift bemühn, und Hermann kam ihr bis Northeim entgegen, und dann war Nachbar Wode mit seinem Gespann am Hattorfer Bahnhof und fuhr die Reisenden mit ihren Koffern durch Regen und Kladder zum Pfarrhof hinauf. Dort sind nun alle wohlauf, so schrieb man mir.

Gestern den halben Tag und vorgestern den ganzen hatten wir den Meister Maurer, der so "fürchterlich" spucken kann, bei uns. Er hat außen das Haus geflickt und innen, du weißt ja wohl, von Backsteinen den bedenklichen Teppich gelegt. Gut ist's nicht geworden, aber immerhin beßer.

Am Sonnabend wurde die Hinterthür aus der winterlichen Verpackung gelöst. Sofort drehte sich der boshafte Wind, der erst von Westen säuselte, nach Norden und dann sogar nach Osten herum, doch nur für einen Tag. Seitdem herrscht, abgesehn von ein paar neckischen Schauern, das nüdlichste Frühlingswetter. An den Schneeglöckchen, die bald wohl scheiden werden, brummeln und bummeln die Bienen und füllen sich die Hosentaschen mit Blüthenstaub. Die Pseudonarzißen haben dicke Köpfe gekriegt, die Tulpen rollen sich auf, der Rhabarber entfaltet die zusammengekräuselten Blätter, aber die Maiblümchen bleiben noch schüchtern unter der Decke.

Früherbsen und Saubohnen sind gelegt, und der Wurzelsamen ist ausgestreut. Das Beet, an dem die Veilchen stehn, wurde gestern zurecht gemacht. Heut hab ich Spinat und Petersilie gesät. Morgen werden die Rosen aufgerichtet.

Schad, daß wir bei alledem deine Kraft und Gewandtheit nicht ausbeuten können, wie jüngst beim Zerstreuen der Maulwurfshaufen.

Doch ach so fern von hier

Beharkst du das Klavier.

Leb wohl, liebe Grete, und laß bald wieder was von dir merken.

Mit den herzlichsten Grüßen

dein alter Onkel

Wilhelm.


Frl. K. läßt dich vielemals grüßen.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 90.
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