1155. An Grete Meyer

[110] 1155. An Grete Meyer


Wiedensahl 28. Sept. 1897.


Liebe Grete!

Ich danke dir für deinen angenehmen Brief.

In deinem Zimmer die zwei Betten erregen Bedenken. Schon hör ich den freudigen Ruf: "Ei, siehda, die Tante!" Nicht wahr, Frl. M., sie kann wol bei Ihnen loschieren!" Schon seh ich sie sittsam daliegen in ihrer Nachtmütze (Façon Schweinemagen); nur die lange Nase mit der Warze ist sichtbar. Gegen Morgen, so um vier herum, kriegt sie Leibweh; Du erhebst dich, eilst in die Küche, wärmst den Topfdeckel und legst ihn sanft auf die schmerzhafte Gegend. Doch Spaß apart! Es freut mich, daß du anscheinend zu netten Leuten gekommen und mit deiner neuen Behausung zufrieden bist. Mußt du auch häufig 4 Treppen auf und nieder klimmen, das lernt sich, das kräftigt die Waden. Du bist nun Mitglied des häuslichen Alpenklubs.

Am Donnerstag kam ich zurück von Hunteburg; Otto brachte mich bis Osnabrück. Schon hier fing die Sonne zu scheinen an und blieb dabei und thut's hoffentlich länger noch, denn nach Elsens Briefe werden jetzt Martin und Ruth mit ihrem Elternpaare in Münster sein. Das bringt doch, seit du fort bist, wieder mal etwas Munterkeit und Getöse in's Haus, Bergstr. 37. – parterre –; im ersten Stock hat's ja weiter gerappelt.[110]

Annchen hat uns heut früh verlaßen. Sie hat ihr Sach sehr gut gemacht; war auch noch geblieben bis zum Erscheinen der neuen Tante am Freitag, hätte sie nicht ihren Bruder Karl, der eine Stelle antritt, in Barnstorf noch sehen wollen.

Leb wohl, liebe Grete! Die herzlichsten Grüße von Tante und mir, auch an Anna.

Und schreib, bitte, bald wieder an Deinen getreuen alten Onkel

Wilhelm.


Der Regulator dankt für gütige Nachfrage. Er ticktackt vorn in der Döntze über dem Sopha.


Übernacht hat's gereift; an jedem Grashalm blitzt ein Tropfen. Das schöne rothe Weinlaub, das den Gartengiebel der Hütte bedeckt, wird matt, läßt los, fällt runter. Die Staare sind gekommen, um Abschied zu nehmen; haben bereits ihre grauen Reiseröck an; eines Morgens, wenn's erst mal stärker friert, ist die Gesellschaft nach Süden geflogen.

Von Hunteburg sind gestern ein paar Kisten voll Äpfel angekommen, die Otto besorgt hat. Prompt! Sonnabend abgeschickt, Montag hier. Diese Früchte sind rar dies Jahr. Um so größer ist die kindliche Freude.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 110-111.
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