1209. An Grete Meyer

[136] 1209. An Grete Meyer


Hattorf Montag 10. Oct. 98.


Liebe Grete!

Dein Brief, woraus ich ersehe, daß es dir nach Wunsch ergeht, erwischte mich noch eben in Wiedensahl. Vorigen Mitwoch früh begleitete mich Adolf, den Tante erst tüchtig zum Packen ausgebeutet hatte, nach Hannover, von wo er sich gen Leer und ich mich nach Hattorf begab. Hier fand ich Sophiechens Mutter und Schwester vor. Diese, nebst Söhnlein, fuhr am nächsten Abend nach Braunschweig, jene am Sonnabend nach Bückeburg mit Sophiechen, die eine Rückfahrtkarte hat, also heute zurück kehrt. Nächsten Montag morgens hofft Hermann die neue Schule einzuweihn; jedenfalls, ob's nun dazu kommt oder nicht, will er noch selbigen tages zu Muttern reisen, denn bis zum Mitwoch gleich darnach, wenn der Möbelwagen von 9 Meter Länge, unter die Kastanie vor's Witwenhaus rumpelt, muß er noch mancherlei kramen helfen. Donnerstag nachmittags (so meint man) soll das Gemöckel verladen sein; Tante und Hermann laßen sich von Leitner hinweg kutschieren, bleiben übernacht in Hannover und kommen tagsdrauf hierher. Vor Ende der dann folgenden Woche werden also hoffentlich die guten Mechtshäuser auch diese Wurzelei überstanden haben. Ob das herbstliche Wunderwetter, was uns noch immer beglückt, bis dahin Geduld hat, ist leider recht fraglich.

Du willst was wißen von der vorläufig neusten Philosophie. Ja, das geht man nich so. Zu dergleichen brauchts eine verbohrte Betriebsamkeit. Ich selbst, der ich natürlich keine Lust habe, meine sauerverdiente sogenannte Weltbetrachtung über die Hecke zu schmeißen, um dafür eine andre, jedenfalls nicht weniger hypothetische, mir anzuquälen, las von dem, was du meinst, nur wenig. Daher sag ich, unter Vorbehalt, nichts weiter als dies: Stülpe alles um; zu recht sag unrecht, zu gut sag bös, nenne den Teufel "mein Bester!", und du hast die Moral von der Geschicht, sagen wir ziemlich, im Sack. Das Meisterdeutsch, den hinterrucks wühlenden Tiefsinn, die drumherum sind, könntest du nur bewundern bei höchsteigner Besichtigung. Was aber die "Schnäcke" betrifft, die jetzund von den Papageien in allen Ecken wiederholt werden, so laß sie uns, bitte, lieber nicht mitplappern.

Liebe Grete! Wer hier im Pfarrhaus ist, läßt dich herzlich grüßen, besonders dein

alter getreuer

Onkel Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 136.
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