1236. An Grete Meyer

[146] 1236. An Grete Meyer


Mechtshausen 14. Juli 1899.


Liebe Grete!

Obgleich ich ja sicher vorhersah, wie's kommen würde, möcht ich dir zum glücklich überstandenen Examen doch gratuliren. Es freut mich, daß diese immerhin etwas stürmische Haßpaßerei mit den Fingern sich nun erstmal besänftigt hat.

Unser Garten macht sich. Abgesehn von den Rosen, die infolge von allerlei Hindernißen erst spät im Frühling verpflanzt wurden, steht alles erfreulich. Mit dem Verputzen des Salats und der Erbsen und des Kohlrabis ist ein vielversprechender Anfang gemacht. Die unvergleichliche Bleiche ist eingeweiht beim herrlichsten Trockenwetter. Die Rasenflächen sind angenehm grün, und so denk ich, es wird dir bei uns gefallen, wenn du kommst. Vermuthlich, denn "Nix Kwißes woas ma net", hol ich dann dich und Annchen von Münster ab.[146]

Wegen Hildesheim hatten wir uns in einem schönen Traum gewiegt. Plötzlich, denk dir, kommt gestern ein neuer Erlaß, der den ersten, mir nichts dir nichts, aufhebt und Adolf, statt nach Hildesheim, zum Herbst als Oberlehrer nach Verden versetzt. Er ist gleich hingereist, um dort die Dinge mal zu besichtigen. Wir leben halt in einer militärischen Zeit, wo der Mensch merken soll, daß er Vorgesetzte hat, die thun und laßen können, was sie wollen. Nach dem ersten Verdruß und nach dem Grundsatz der Rehburger, die's regnen laßen, wenn's regnet, haben wir jedoch schon angefangen, uns zu beruhigen.

Im Übrigen ist das Befinden bei Jung und alt sehr gut.

Bleib munter und gesund, liebe Grete! Alle von hier grüßen dich tausend Mal, und allen voran grüßt dich

dein alter Onkel

Wilhelm.


N.B. Aber Obst wirds nur wenig geben!

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 146-147.
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