1301. An Grete Meyer

[175] 1301. An Grete Meyer


Mechtshausen 2ten Pfingsttag 1901.


Liebe Grete!

Das ist mal gut, und ich sage meinen Glückwunsch, daß Oskar seine Prüfung nun glücklich hinter sich hat.

Inzwischen ist der Frühling breitspurig herein getreten und treibt mit uns Landleuten und Gemüsebauern seine neckischen Poßen. Mit seinem ewigen Sonnenschein, seinem Nordostwind, seinem Moordampf und ein paarmal Null übernacht wär er uns beinah zuwider geworden. Doch ist außer ein paar empfindsamen Krupbohnen nichts weiter beschädigt. Der Waßerwagen, der "lange Tom", mußte mehrmals geladen werden. Nur was tief in der Erde wurzelt, wuchs lustig in die Höhe. Kirschen-, Birnen-, Äpfelbäume standen in herrlicher Blüthe. Gestern endlich kam ein starker Gewitterregen, der erstemal vorhält, wenn auch jetzund schon wieder die Sonne brennt. Nun ja! Den Pfingstpilgern und neuen Damenhüten ist etwas heiteres Wetter wohl auch zu gönnen. Z.B. Anna und Bertha sind eben los über den Berg nach Ackenhausen zum Gesangfest.

Eine sehr brave Glucke führt zehn italienische Küken spatzieren. Ein Puter hat soeben von 20 Eiern sechszehn ausgebracht. Ein zweiter ist gestern gesetzt.

Else, Martin und Ruth haben vorigen Donnerstag Tante abgeholt von Hannover. In der Gepäckausgabe hatten die Kerls den Koffer richtig vertauscht und statt eines andern in die Stadt geschickt. Gestern erst, nachdem Hermann Borchers schon vergebens mal nachgefragt, kam der Rechte in Seesen an.

Die Besichtigung des zoologischen Gartens ist für die Kinder ein großes Ereigniß gewesen, worüber dir Else, denk ich, am besten berichten kann.

Nächsten Sonntag ist Kirchenvisitation; Eßen in der Wirthschaft von Beyes.

Leb wohl, liebe Grete! Herzliche Grüße an dich und alle von

deinem alten Onkel

Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 175.
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