1549. An Grete Meyer

[252] 1549. An Grete Meyer


Mechtshausen 22. Juli 1906.


Liebe Grete!

Dein Brief hat mir Freud gemacht, umsomehr, als ich ihn, billigdenkenderweise, noch gar nicht erwartet hatte. Natürlich, du hast wegen der neuen Einrichtung den Kopf voll von oben bis unten. Indeß, ich habe mir sagen laßen, so was würde ohne merklichen Schaden für Leib und Seel meist glücklich überstanden.

Um Ostern herum fuhr ich im schönsten Sonnenschein von Göttingen über die Berge nach Ebergötzen. Drauf war's tagtäglich und nachtnächtlich schlecht Wetter daselbst. Da ich weder Postbote, Hebamme, noch Einbrecher bin, die hinaus müßen, ob's regnet oder schneit, hat's mir nichts angehabt. Kalt ist's auch gewesen, aber Freund Bachmann's Dauerbrenner that seine Schuldigkeit. Als ich zurück fuhr, schien selbstverständlich wieder die Sonne durch alle Ritzen.

Anfangs Juni weilt ich 14 Tage, wie üblich, in Frankfurt, wo mir's, wie üblich, gefiel. Fritz Kaulbach mit seiner angenehmen und talentvollen Frau war extra herübergekommen. Ein Mal saß ich mit ihnen im Rathskeller bis halb drei in der Nacht. Ein einzelner Rückfall in längst abgelegte Gewohnheiten aus der Münchener Zeit.

Reisen taugen mir nicht mehr. Von Schwalben, die ohne weiters in einem Zug nach Egypten fliegen, stamm ich also nicht ab, so scheint's.[252]

Das Gemüse in unserm Garten steht ausgezeichnet. Auch die Bäume hängen voll Obst, klunkervoll besonders die Pflaumen und Zwetschen.

Die Kinder spielen lustig herum. Martin ist wieder wohlauf.

Und nun leb wohl, liebe Grete! Herzlichen Gruß an euch alle, besonders an Dich und den neuen Vetter Andreas.

Dein getreuer Onkel

Wilhelm.


Das Bild von mir wollte die Frau Keßler doch lieber im Haus behalten. Sie fragte mich vorher, ob mir was dran läge, daß es ausgestellt würde in Köln. Mir war's ja egal.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 252-253.
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