1556. An Nanda Keßler

[254] 1556. An Nanda Keßler


Mechtshausen 15. Sept. 1906.


Meine liebe Nanda!

Vier Wochen lang war ich zu Besuch bei Verwandten. Erst in Verden. Bis auf einen Sturm- und Regentag hatt ich vorzügliches Wetter. Mit zwei Nichten ging ich täglich zum Frühstück aus, mußte aber, weil es keine Droschken daselbst giebt, gefälligst zu Fuße stuppeln. Außerdem spatzierte ich viel im großen "verwunschenen" Garten herum und saß abends (rauchend natürlich) unter der tausendjährigen Linde und sah über die weiten Wiesen hinweg, wie schön glühend die Sonne verschwand. – Nach Verden blieb ich noch vierzehn Tage in Hattorf, von wo ich mit meiner Schwester zusammen über Seesen soeben nach Mechtshausen zurück gekehrt bin.

Deinen letzten Brief vom Lande und das Bild von Hudi hab ich richtig erhalten. Ich danke dir dafür.

Und jetzt, wie darf ich mir euere nunmehrige Thätigkeit in Frankfurt denken? Im Schweizerhäuschen wird es wohl allmählig für's Malen zu fingerkalt. Bei uns hier friert's schon mitunter übernacht.

Die Obsterndte scheint äußerst ergiebig zu werden. Die Zwetschenbäume wenigstens zerbrechen unter der Last ihrer Früchte.

Lebt wohl, ihr lieben Leut! Tausend Grüße vom

Onkel Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 254.
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