16. An Henriette Ebhardt

[15] 16. An Henriette Ebhardt


Lüethorst Mitwoch d. 7. Mai 57.


Liebe Base Henriette!

Aus Franzens Brief, den ich am Sonnabend bekam, ist [zu] schließen, müßtest du wohl gedacht haben, ich wäre todt oder war ein Esel, weil ich nichts von mir hatte hören laßen. Bedenk aber, daß du mich vor Ostern, wo mir grad die gelegenste Zeit war zum Reimeschmieden, daß du mich da auch hast warten laßen. Zudem hattest du mir gar keinen Termin festgesetzt[,] hattest mir nichts über die Zeit der Hochzeit gesagt; da dachte ich denn: die Sache preßirt ja nicht (da guckt freilich wieder ein Zipfelchen vom Eselsohr hervor). Sonnabend gleich als ich den Brief von Franz bekam habe ich aber angefangen, und einliegend erfolgt, was daraus geworden. Ich hielt mich möglichst an die Andeutungen im Entwurf, konnte aber nicht alle verstehn; es wäre deine Sache gewesen mich darüber aufzuklären.

An Franz bitte ich zu sagen, daß Otto in Bückeburg auf der Schule ist, seine Adreße ist mir auch nicht bekannt.

Tante Hanne will ich nächstens in Gemeinschaft mit Bruder Gustav besuchen, denn Gelegenheit könnte Diebe machen, so aber denken wir mit vereinten Kräften und unter dem Schutze der Heiligen ihren Reizen zu widerstehen.

An die Eltern, an Dora und die übrigen alle viel herzliche Grüße und schreib bald mal.

Dein getreuer Vetter

W.B.

Zwei Knaben (mit Bouquet für die Brautleute)

Es hat eine fröhliche Mädchenschaar

Mit vielem Fleiß von Jahr zu Jahr

Einen schönen Garten sich gehegt,

Der Rosen viel darin gepflegt.

Da kam ein Mann des Wegs gegangen,

Der sah im Garten die Rosen prangen.

Schnell hat er sich hinabgebückt

Und hat die Rose abgepflückt.

Da riefen die Mädchen: »Du böser Mann,

Was geht dich unser schöner Blumengarten an!«

Der Mann zog höflich seinen Hut

Und sprach: »Ihr Mädchen, ach seid so gut

»Und laßet mir die Rose doch,

»Ich hab ja keine Blumen noch,

»Und hab' doch einen hübschen Garten,

Drin möcht ich auch der Blumen warten.«

Die Mädchen sprachen: »Du armer Mann,

»Wir sehn, du bist recht übel d'ran;

Drum nimm die Rose, doch pfleg sie gut

Und halte sie in treuer Huth,

So wird sie immer frisch und schön

Wie heut in voller Blüthe stehn.«

Die Blumen, die wir beiden bringen,

Sie fühlten sich so ganz allein,

Sie kommen aus demselben Garten

Und möchten bei der Rose sein.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 15-16.
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