1610. An Grete Thomsen

[271] 1610. An Grete Thomsen


Mechtshausen 26. Oct. 1907.


Liebe Grete!

Es freut mich, daß du nun leibhaftig in Belgien warst, besonders in Antwerpen, und hast die schönen Bilder gesehn, die mir von der Jugendzeit her noch immer treu in der Erinnerung hängen. Und wie gut wär's, wenn du, wie du vorhast, bald im November mal kämst und säßest mir gegenüber und rauchtest traulich ein Zigarretchen und erzähltest mir was. – Aber die drei alten Turdchen, unter dem großen Baume am Urquell, sie spinnen und weben das Schicksal, wie's ihnen beliebt.

In Hattorf hat mich das Wetter hübsch freundlich behandelt. Otto holte mich ab. Heute fährt Tante dorthin zu Hermann's Geburtstag; auch Trudel, der's beßer geht, wird von Bückeburg aus herüber kommen dazu.

Über dein Hauswesen und über Hilde vor allen bin ich durch Else stets treu unterrichtet. So schreibt sie dir gewiß von hier aus viel beßer, als ich es verstehe. – Ruth und Anneliese sind heiter und angenehm dienstbeflißen.

Im Feld brennt das Kartoffellaub; der Wald wird braun. Zum Zeichen jedoch, daß die Erde innen doch immer lebendig bleibt, grünt draußen der Roggen und der Rapunzel im Garten.

Leb wohl, liebe Grete! Grüße Andreas und alle, an die ich gern denke, wie du weißt, von deinem alten getreuen

Onkel Wilhelm.[271]

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band II: Briefe 1893 bis 1908, Hannover 1969, S. 271-272.
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