1651. An Franz von Lenbach

1651. An Franz von Lenbach


Wiedensahl 28. Juli 88.


Wie ich sehe, liebster Lenbach, bist Du gastfrei, wie immer, und wenn ich's auch nicht ganz so ausbeute, wie's mein Vortheil erheischt, so bin ich Dir doch herzlich dankbar dafür. – Neulich ist denn auch mir ein Bruder gestorben; plötzlich, binnen 5 Minuten, am Herzschlag oder dergl. Da ich ihn so sehr lieb hatte, bin ich bis auf Weiteres recht kleinlaut. Wie so ein Todter da liegt, vornehm verschloßen, in ehrlicher Ruhe, mit ungeheuchelter Zufriedenheit, ohne Nebenabsichten, ist für den Lebendigen wohl werth des Betrachtens. – Im Übrigen fährt der Sommer fort, uns kalt und rücksichtslos zu behandeln. Er mag. Besorgnißerregendes Heu hab ich nicht liegen draußen auf der Wies; im Garten der Kohl, die eigensinnig links-spiraligen Bohnen, die in der Hauptsache unterweltlichen Moorrüben, die gleichfalls versteckt, doch mehr gesellig lebenden Kartoffeln, erweisen sich makellos. Grünes Laub hockt und flattert in Maße auf den Bäumen; dahinter herauf, in fünf, sechs Zügen übereinand, ziehn die höchst wandelbaren Wolken; ein unterhaltlicher Anblick. So spatzier ich denn (wenn's nicht zu drecket) zwischen meinen Beeten im Duft der Rosen (die der Regen verprömmelt), oder durch Feld und Wald und warte getrost, ob dieser Malefizsommer nicht doch noch anderthalb schöne Tage verschenken will. –

Für die Strömer zur Ausstellung ist sonst das Wetter nicht ohne Wohlwollen. Sie brauchen nicht so viel reine Sacktücher, um sich den Staub aus den Augen zu wischen, daß sie das gute Neue ausreichend erkennen.[287]

Womöglich. Die Zeit ist leider eine alte Hex. Die Meisten, so wie sie einigermaßen angejährt sind, kriegen den Hexenschuß, eine Steifigkeit im Genick, können den Hals nicht mehr zur Seite drehen nach den neuen Anlagen; gehn der knöchernen Nase nach in der Richtung, wie sie jugendlich angetreten. Die leidlich Gerechten drunter denken: Schon gut! Es muß was Frisches hängen in der Speiskammer, wenn die peinlich-dominirenden alten Schinken mal glücklich verrestaurirt sind.

Meine schönste Empfehlung an Kaulbach und Günther. Über Freund Levi vernahm ich nur ein unbestimmtes Rascheln in den dürren Blättern irgend einer Zeitschrift; es wäre mir schmerzlich, wenn sie diesmal nicht, wie gewöhnlich, geflunkert hätten.

Leb wohl! Und sei sammt Deiner reizenden Lebensgefährtin gar herzlich gegrüßt.

In alter mottenfreier Treue Dein

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968.
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