238. An Erich Bachmann

[127] 238. An Erich Bachmann


Wiedensahl 11. September 1874.


Mein lieber Erich!

Wir hatten vergangene Woche 5 Tage Einquartierung; einen Major, einen Leutnant und einen Doktor. Es waren übrigens behagliche Leute, die uns mehr ein Besuch als eine Plage gewesen sind. –

Vorigen Sonnabend fuhr ich nach Wolfenbüttel, um Bruder Gustav den längst versprochenen Besuch abzustatten. Den Sonntag Morgen fuhren wir nach Braunschweig, wo wir das berühmte Onyxgefäß besahen, welches der Herzog Karl bei seiner Flucht bekanntlich eingeschoben und mitgenommen, und welches die Stadt Genf nun wieder herausgegeben hat. Es ist aus einem einzigen braunen Stein herausgearbeitet, welcher eine weiße, milchglasartige Schicht hat. Diese weiße Schicht ist so klug und listig benützt, daß alle Figuren weiß auf braunem Grunde liegen. Es wird wohl ein einziges Menschenleben nicht ausgereicht haben, um es zu schleifen. Demnächst wird es wieder öffentlich im Museum zu sehen sein; doch glaube ich nicht, daß das große Publikum viel Geschmack daran finden wird.

Leb wohl, lieber Erich! An alle Deine Angehörigen viele herzliche Grüße! Und schreib mir bald mal, wie Dir's geht.

Stets Dein getreuer Freund

Wilhelm

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 127.
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