246. An Maria Anderson

[129] 246. An Maria Anderson


Wiedensahl (Hannover) d. 26. Jan. 1875


An

Frau Marie Anderson

Wiesbaden.

In den kleinen Versen, welche Sie so freundlich aufgenommen, gnädige Frau, habe ich versucht, möglichst schlicht und bummlig die Wahrheit zu sagen – so wie man sich etwa nach Tisch oder bei einem Spatziergange dem guten Freunde gegenüber aussprechen würde. Daher hat sich denn auch die Redensart: »sich ärgern, wie ein Stint«, in's Gespräch gemischt. Ursprünglich ist's wohl ein Studentenausdruck. Über seine eigentliche Bedeutung kann ich nur conjecturiren. Wie das französische: »pleurer comme une vache« auf eine gewiße laute Äußerung des Schmerzes hin zu deuten scheint, so, denk ich mir, soll die erwähnte Redensart den stummen, verbißenen Ärger ausdrücken. Daß man gerade den Stint als den Repräsentanten der »lautlosen Bewohner der Tiefe« gewählt, ist, wer weiß welche, Laune und Willkühr. Er ist übrigens ein kleiner, harmloser Fisch, wird mit vielen seines Gleichen, durch einen Teig vereint, in der Pfanne gebacken und schmeckt nicht gut. Näher zu claßificiren weiß ich ihn nicht.

Die Kunst und Sprache Hollands hat mich immer lebhaft intereßirt, und soll's mich freuen, wenn Sie mir Gelegenheit geben, etwas von Ihnen zu lesen, was Sie in der Sprache Ihrer Heimath geschrieben haben.

Mit freundlichem Gruß

Ihr ergebenster

Wilhelm Busch

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 129.
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