283. An Maria Anderson

[143] 283. An Maria Anderson


Wolfenbüttel d. 27 Mai 75


Sie mögen gern Thiere leiden; ich auch. – Des Morgens um halb sechs werden die Hühner gefüttert und der schlanke Pfau mit dem Krönchen auf und dem Gefieder von Gold und Edelstein. Das ist der Vornehmste. Er pickt nur wenige Körner; dann geht's trrrrr! und ein Fächer von tausend Liebesaugen flimmert in der Morgensonne. Das zittert und trippelt und macht mit den Flügeln! Aber die alten Hühnertanten kucken nicht hin, sondern hacken mit ihren harten knöchernen Nasen im Sande weiter. Es muß wohl ein verwunschener Prinz oder ein metamorphosirter Olympier sein; denn wenn die Frau Brückner, das kleine Waschweibchen, auf den Hof kommt, so fliegt er auf ihren Rücken und faßt sie ganz ordentlich und regelrecht beim Zopfe an. Wenn sie nur nicht nächstens das Eierlegen anfängt. Wenigstens schnattern und gackern thut diese Madam Leda genug.

Mein Bruder hat eine Küche gebaut; eine Zeit lang waren keine Fenster drin. Ein Rossteertjen – es singt immer zick zackzackzack! – und bibbert dabei mit dem Schwanze – war heimlich aus und ein geflogen und hatte sich auf einem Balken mit vieler Geduld ein weiches Nest gebaut von manchem Halm und mancher Feder. Nun kömmt der böse Glasermeister und macht alles fest zu. Das giebt ein trauriges Gezwitscher in den Bäumen da draußen.

Neulich pußelt Nachbar Mumme mit dem Spaten in seinem Garten herum, dicht bei den Stachelbeerbüschen. Auf einmal springt ein fremder Hund[143] heraus und knurrt und will nicht weg und zeigt die Zähne. »Der Hund ist toll«, so heißt es gleich. Man holt die Flinte – bum! – die Kugel geht dem Hunde durch den Kopf, er streckt sich aus und stirbt. – Wie man genauer zusieht, liegen drei ganz kleine neugeborne Hündchen im Gebüsch. –

Ach, meine liebe Frau Anderson! Es regnet und regnet und regnet und hat nur sieben Grad plus.

Mit tausend Grüßen

Ihr W. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 143-144.
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