385. An Johanna Keßler

[177] 385. An Johanna Keßler


Wiedensahl 31. März. 77.


Liebe Tante!

Ja, was wäre denn das? Ich glaubte zu hören, das Werk habe bereits einen guten Anfang und Fortgang genommen oder sei bereits gar am Ende schon fertig; und nun muß ich statt deßen zu meinem Erstaunen und großen Leidwesen vernehmen und in Erfahrung bringen, daß daßelbigte Werk noch nicht im Mindesten weder angefangen, noch begonnen oder sonsten in Angriff genommen sei. Zwar ist so ein seelenvolles Imanschauenversunkensein recht fromm und brav und so zu sagen dankenswerth, aber eigentlich berühmt kann sich Einer nicht damit machen. Eine entschiedene Thätigkeit in Seide wäre jedenfalls zweckdienlicher, und daß diese eingetreten, darüber würde ich eine baldige Nachricht mit Vergnügen entgegen nehmen. Mit Gottes Hülfe wird's denn ja wol recht schön werden.

Der Frühling kommt mit Nebelregen. Das Erdreich ist mild und schmiegsam wie Sommerbutter. Die Spatziergänge haben Dreckstiefel im Gefolge. Aber die Staare und die Droßeln flöten, die Narzißen kleiden sich in Gelb, die Knospen und die Herzen quellen und schwellen, doch nur die ersteren brechen und platzen, gottseidank!

Recht fröhliche Feiertage wünscht Ihnen

Ihr ganz ergebenster

W. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 177-178.
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