399. An Johanna Keßler

[182] 399. An Johanna Keßler


München Freitag [28. September 1877]


Liebste Tante!

Mein Atelier ist wirklich sehr hübsch heimlich und gemüthlich geworden; nur an ein paar Ecken fehlt's noch 'n Bißel; soll aber auch bald ergänzt werden. Mit einer doppelten Thür kann ich mich luftdicht abschließen, was sehr nöthig, denn alle Augenblick klopft's. Trotz dem Verschluß finde ich doch noch immer keine rechte Besinnung. Caffé- und Abendgesellschaften, durchreisende Fremde, die nicht unintereßant – das alles giebt Gelegenheit, das Wetter bei Nacht zu prüfen – und wirklich waren diese letzten Nächte ganz mild und wundersam. Es muß annersch werden! Aber wie? Aber wann?

An der Nanda ihre Sammlung will ich gewiß denken. Vogel und Piloty sollen bald kommen. Den preußischen Gesandten hier habe ich neulich auch kennen gelernt. Ich fürchte nur, er wird wenig Documente von den höchsten Herrschaften haben, die zum Hergeben geeignet sind. Geduld, Geduld! Ohne die geht's mal nicht.

Schönen Gruß an Letty und Alle, und laßen Sie mich nicht wieder gar so lang warten, wie das letzte Mal, denn ich bin ja doch, meine liebe Tante,

Ihr allergetreuster

W. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 182.
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