45. An Otto Bassermann

[42] 45. An Otto Bassermann


Wiedensahl d. 20 October 1866.


Mein lieber Baßermann!

Dein Brief kam mir unerwartet und hat mich angenehm überrascht. Ich finde mich in einiger Verlegenheit, was ich auf Dein so schmeichelhaftes Anerbieten erwidern soll. Offen gestanden, bin ich der Meinung, daß es von Dir eine freundschaftliche Überschätzung meiner litterarischen Kräfte und Absichten ist, wenn du glaubst, daß ich Etwas fertig daliegen hätte, was sich der Mühe verlohnt zu drucken. Alles was ich in der Art einmal gemacht habe, bezieht sich auf enge Privatverhältniße und Persönlichkeiten, ist in den Momenten einer individuellen Laune entstanden und verdient also consequenter Maßen auch nur ein ephemeres Dasein. Ich kann allerdings nicht leugnen, daß ich zuweilen Pläne simulirt und deren Ausführung begonnen habe, die für einen weitern Kreis berechnet waren, die aber liegen geblieben sind und nach meiner jetzigen Denk= und Anschauungsweise auch nicht verdienen, künftighin einmal wieder aufgenommen zu werden; und auch jetzunder noch schweben mir zuweilen allerlei Dinge vor, die wohl zu gelegener Stunde einmal Gestalt und Farbe gewinnen. Wird dies der Fall sein, so werde ich sicherlich nicht verfehlen, sie »deinem geneigten Wohlwollen zu unterbreiten«. Von ungefangenen Fischen darf man am Ende ja nur ironisch reden.[42]

Die Veranlaßung zu meiner Reise hierher war nicht so heiterer Art, wie du voraussetzest; es war eine unerwartet eingetretene ernste Krankheit meiner guten Mutter, die mich veranlaßte, schnell und plötzlich von München abzureisen. Wie sehr mich dieser Fall in Sorge versetzte, wie sehr in der Zeit meine gute Laune dahinschwand, magst du dir vorstellen. Glücklicher Weise ging das harte Geschick noch einmal an meinem Herzen vorüber. – Einmal hier, gedenke ich noch einige Zeit zu bleiben; es kommt ja wohl nicht drauf an, ob der Holzwagen von Br. u Schneider einmal ein wenig weiter fährt.

Wenn ich zurückkehre, finde ich hoffentlich Gelegenheit, deine Junggesellenwirthschaft im schönen Heidelberg zu begrüßen, vorausgesetzt, daß du dich bis dahin nicht zu der Meinung des Verfassers vom Vicar of Wakefield bekehrt hast; da bei derartigen Vorbereitungen und Umständen ein Freund nicht allein höchst überflüßig, sondern auch in einer mißlichen Lage ist.

Von München höre ich hauptsächlich durch Freund Hanf. Es geht alles noch den guten, alten, lieben Bierschlendrian. Ich bin wirklich neugierig, ob das Ding denn gar kein Ende nimmt.

Dernen, meinen Freund und Landsmann, wirst du denke ich auf seinem Siegeswagen getroffen haben. Ich bin nun auch preußisch, aber dennoch stets Dein aufrichtiger Freund

W. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 42-43.
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