565. An Marie Hesse

[234] 565. An Marie Hesse


Wiedensahl 23. Febr. 83.


Es freut mich, liebe Frau Heße, daß es Ihnen leidlich ruhig geht. Mehr als das kann ich von mir gleichfalls nicht rühmen; und in dieser Welt voller Verdrießlichkeiten sollte man ja auch wohl fast damit zufrieden sein. –[234] Eine Kunstpause in den letzten acht Tagen hab ich dazu verwandt, einen Ausflug nach Ebergötzen zu machen, wo ich mal wieder in der alten Rumpelmühle wohnte und die Dorfchronik weiter studirte, die ich seit meinen Kinderjahren zum Theil mit erlebt habe. Aber das Intereße dran wird kühler, wenn man alt wird. – Zugleich besucht ich den Neffen Hermann noch zu guterletzt vor seinem Abgange von der Universität. Er wird anfangs März in's Examen steigen und dann bis auf weiters eine Hauslehrerstelle annehmen, sobald sich eine paßende findet. – Otto soll Palmsonntag hier in Wiedensahl confirmirt werden. Es müßen, denk ich, gemüthliche Tage sein, und der Frühling, hoff ich, wird auch schon so halb und halb dabei mitwirken. Die Schneeglöckchen sind da, die Veilchen haben Knospen, Rhabarber und Päonien bohren ihre röthlichen Spitzen durch die Erdkruste. –

Was die erwähnten Zeichnungen betrifft, so bin ich, falls Sie sich eine Meinung darüber gebildet haben, ganz derselben. Denn

Stets äußert sich der Weise leise,

Vorsichtig und bedingungsweise. –

Die Photographien der Kinder haben Sie mir noch nicht geschikt. Darf ich Sie drum bitten?

Ade! Und sein Sie mit den Ihrigen auf's Herzlichste gegrüßt von Ihrem ergebensten Freunde

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 234-235.
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