567. An Margarethe Fehlow

[235] 567. An Margarethe Fehlow


Wiedensahl 21. März 1883.


Liebs Gretchen!

Dein freundlicher Brief hat mir wohlgethan; ich sehe, daß es dir und deinen Angehörigen gut geht. Was mich betrifft, dem die Jahre immer zahlreicher in die Kiepe steigen, wenn ich meinem Dasein nur die Note: Ziemlich gut! geben kann, so darf ich ja wohl zufrieden sein. Mein Unwohlsein vom vorigen Jahr hat mich doch ein bißel kleinlauter gemacht; was aber, bei Licht besehn, auch seine gute Seite hat. – Der Tod der Großmutter Knust ist mir nah gegangen. Die gute Frau hat mir im Verlauf der Zeit so manche Freundlichkeit erwiesen, gehörte so mit dazu, daß ich sie ungern vermiße im alten Wolfenbüttel. Vorige Woche war ich dort. Gustav und Alwine wollen oben in's Haus ziehn, und ist dazu die kreuz und queer allerlei Umbau in Aussicht genommen. – Putz, das gute Hundchen, welches sich schon im vorletzten Sommer nicht mehr photographiren laßen wollte, ist recht alt und schäbig und bedeutend magerer geworden. Der alte Gravenhorst, welcher, zu Alwinens Entsetzen, die freudige Hoffnung ausgesprochen, ihn dereinst braten und verzehren zu dürfen, muß ihn nun mit Trauertag täglich mehr und mehr dahinschwinden und abnehmen sehen. – Habt ihr denn in eurem lustigen Berlin auch solch einen scharfen Frühlingswinter? Hier lag hoher Schnee bei zwickender Kälte, und noch immer saust ein scharfer Nordost dem Wandrer um die blaurothen Ohren herum.[235]

Leb recht wohl, liebs Gretchen! und schreib mal wieder und sei mit all den Deinigen auf's herzlichste gegrüßt vom Neffen Hermann, (der vorige Woche ein sehr gutes Examen gemacht) und vor allen von deinem alten Onkel

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 235-236.
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