609. An Hermann Nöldeke

609. An Hermann Nöldeke


Wiedensahl. 10 Juni 84.


Lieber Hermann!

Bin Sonnabend Nachmittag wieder eingerückt. Traf Donna H. auf dem Bahnhof im Begriff zu ihren Eltern zu reisen, auf 8 Tage. – Ernestine S., die sich übrigens sehr günstig verändert hat, führt so lange den Haushalt .... mit Mutter. – Eine Karte von Adolf, vom Feldberg, traf hier später ein, als eine aus Straßburg; erstere war 6 Tage unterwegs gewesen. Die Partie scheint ja ganz lustig verlaufen zu sein.

Zu dem Räderpferdchen wünsch ich dir viel Glück, Geschick und trockenes Wetter. Und denn such dir für die Reitübungen zunächst nur einen günstigen Platz, d.h.: abgelegen und weich, damit dich Keiner sieht und der Kopf nicht zerbricht, wenn Du runter fällst. Ich erwarte darüber mit Zuversicht einen günstigen Bericht.[252]

Henni B. hat ihr altes Übel in voller Heftigkeit. Sie ist wohl geistig nicht gestört, sieht aber so aus; kann fast nichts sprechen; schlottert; ein erbarmenswerther Anblick.

Sonst sieht hier die Welt sehr üppig aus. Der Roggen hat eine unglaubliche Länge. Im Garten steht alles gut, bis auf die Fietzebohnen, welche allgemein von Würmern oder Schnecken zernagt werden, oder vielmehr abgelutscht. Die Staare im Nord- und Ostkasten sind ausgeflogen. – Der Regen pladdert so weiter.

Die herzlichsten Grüße von Mutter, Ernestine und

Deinem getr. Onkel

Wilhelm.


Deinen Brief heut Morgen erhalten.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 252-253.
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