612. An Hermann Nöldeke

612. An Hermann Nöldeke


Wiedensahl 5. Juli 84.


Lieber Hermann!

Es freut mich zu hören, daß du dein Reitrad schon leidlich in Bewegung setzen kannst und bald wird ja die Balançe, was die Hauptsache, ganz mühe- und gedankenlos gehalten werden. Das Wetter ist günstig. Wir hier wenigstens haben seit einigen Tagen eine recht eindringliche Hitze auszustehn. Die Gewitter, im Süden aufsteigend, ziehen nach Osten um uns herum. Heute (Sonnabend) sind Julie Reinking (seit Donnerstag hier) und Ernestine wieder abgereist. Ich begleitete sie heut Mittag zur Post und packte sie in den glühenden Kasten. Otto kommt heute Abend. Adolf schrieb aus Luzern und heut aus Göschenen; er will noch höher hinauf: Furka, Grimsel.

– In Wolfenbüttel fand ich Alles wohl. Betheiligte mich bei den letzten Spargeln und den ersten Erdbeeren. Daß Medler schon im Mai gestorben, hast du vielleicht noch nicht gehört. Daß Liesbeth's Vater gestorben, wird dir Mutter ja wohl geschrieben haben.

– Gestern hat Denker die drei neuen Fenster, eins im Osten, zwei im Süden, eingesetzt. Es war eine schöne Hitze in der Südecke. Er ließ mal seinen Meißel fallen; ich erschrak, als ich ihn aufhob, so heiß war er. – Eine wahre Wohlthat ist unter diesen Umständen die kühle Diele für uns Menschen; aber den Fliegen ist sie verhaßt. –

Mutter und Alle laßen dich grüßen. Schreib bald mal wieder an

deinen getr. Onkel

Wilhelm

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 254.
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