625. An Friedrich August von Kaulbach

[258] 625. An Friedrich August von Kaulbach


Wiedensahl 4. Nov. 84.


Habe Dank, liebster Fritze, für deinen hübschen Zettel aus der Almhütte, von wo du nun vielleicht schon wieder befriedigt herunter gestiegen bist. Übrigens bin ich nicht so, daß ich den Kopf schüttle über anderer Leute Paßionen; hab genug zu schütteln über meine eignen. Und was das Bedauern anbetrifft, so pflegt man ja den Mitmenschen wegen seiner Laster weniger zu bedauern als zu beneiden. Ich mache keine Ausnahme von dieser allgemein menschlichen Niederträchtigkeit, derentwegen ich mich[258] selber zu bedauern habe. Eine Folge dieser Herzensschlechtigkeit ist natürlich die Freude an den Widerwärtigkeiten, welche demjenigen mitunter zu begegnen pflegen, der auf dem Pfade des Lasters wandelt. Wenn du mir also einige recht unangenehme Jagd-Strapazen oder gar Enttäuschungen mittheilen könntest und wolltest, so würde mir das sehr erquickend sein. Aber ich fürchte, du gönnst mir dies Vergnügen nicht, sondern verschweigst die Verdrüße und überstrahlst mich dagegen mit deiner ungetrübtesten Herrlichkeit. – Doch genug, lieber Mensch! Mach's wie du magst! Nur schreib mal Allerlei!

Nachdem wir allhier zu guter Letzt noch einige wundersam goldene Tage und silberne Nächte gehabt, sind wir nunmehro ringsum von Nebel umdünstet. Die löblichen Bäume, denen jüngst im Reife die Finger verklamten, laßen gedankenlos ihre Fächer fallen. Leb wohl!

Dein Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 258-259.
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