652. An Franz von Lenbach

[271] 652. An Franz von Lenbach


Wiedensahl. 27. Aug. 1886.


Mit gemüthlicher Spannung, liebster Lenbach, schau ich den Freunden zu, die, ermuntert durch angebornen Höhensinn, in rüstiger Betriebsamkeit, entweder auf den eigenen Fuhrwerken einer schönen und schlauen Begabung, oder geführt an den Bändern gefälliger Umstände, zu erhabenen Punkten emporklimmen, wie jüngst der Kerl am Stephansthurm zu Wien. Wenn's nur ehrsam dabei zugeht, wenn's nur mit Anmuth und Geschick geschieht, wenn's nur das Wohlbefinden nicht schädigt und der bisherigen Liebenswürdigkeit keinen erklecklichen Abbruch thut. Wie menschlich, wie rührend, wie nachahmungswerth ist da das Beispiel des berühmten Thiermalers, als er den Orden bekam und sofort dem minder geehrten Freunde die Hand drückte und sprach: Wir bleiben die Alten! – Dich kenn ich – Von Friedrich August, sobald's ihm seine neuen Regierungssorgen erlauben, erhoff' ich mir gleich milde Behandlung. – Auch Freund Levi, obschon noch belastet mit den Siegeskränzen des letzten Bayreuther Schützenfestes und trotz meiner Stumpfheit gegenüber den »Offenbarungen« nach Noten, wird ja demnächst wohl mal wieder ein paar wohlklingende Worte an mich richten. – Meinen Gruß an Alle, und vergiß mir Günther nicht! – Umsumst von lustigen Fliegen dein alter

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 271.
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