804. An Adolf Nöldeke

804. An Adolf Nöldeke


Wiedensahl Sonntag. [23. November 1890]


Lieber Adolf!

Deinen Brief erhielt ich heute Mittag und freue mich, daß es dir bei dem hübsch bunten Programm eurer Thätigkeit doch gut geht. Den Nebel hat Ostfriesland nicht allein; bei uns wirds auch nicht recht Tag.

In Ebergötzen hatt ich recht abscheuliches Wetter; aber ich blieb hübsch häuslich in der tiefen Mühlengoßen, und da auch die Mühle stets rumpelte, so hört und sah ich nicht viel von Wind, Regen und Schnee, die drüber weg sausten. Nur den Sonntag mal fuhren wir zur Kindtaufe nach der Bachmannsmühle unten vor dem Dorfe, wo's viel zu eßen gab, d.h. weniger für mich, der ich kein abendlicher Lucullus bin.

Nach Göttingen brachten mich die beiden Bachmanns, Vater u. Sohn; wir aßen auf dem Bahnhofe zu Mittag. Otto, der Tags zuvor nach Hattorf gefahren, war nicht dabei. Ich traf ihn auf dem Northeimer Bahnhofe, wo Else und Anna einstiegen. Mit diesen beiden fuhr ich dann in der Miethskutsche von Einbeck nach Lüethorst.

Auch hier war das Wetter so schlecht, daß ich nicht ein einziges Mal aus dem Hause kam. Dabei ums Haus herum ein unpaßierbarer Dreck. Ich ließ deßhalb die drei Mädchen (darunter Frl. Rode, ein armes Wurm, die sich in London eine Stelle suchen wollte) unter Aufwendung von 2 Mk. Unkosten auf einem kleinen Kälberwagen, gezogen von einem Fuchs, dem man die Rippen zählen konnte, nach dem Mosberge fahren. Der Fuchs gehört dem Vater von Dorette, und Dorette ist Onkel sein neues Mädchen. Sie sieht gesund und gutmüthig aus. Hoffentlich ist sie paßend für die dortigen Verhältniße.

Onkel fand ich, seit ich ihn das letzte Mal gesehn, eigentlich gar nicht verändert. Vielleicht, was Zahlen betrifft, ein wenig. Sonst war er auffällig für das Alter, sowohl körperlich wie geistig, mobil.

Zur Fahrt nach Wiedensahl hatt ich einen ausnahmsweis guten Tag. Leitner holte mich in seinem offenen Break vom Bahnhof ab.

Ernestine ist gestern wieder abgereist; nach Bückeburg; zum Einzuge des hohen Brautpaars. Wenn's dort auch solch ein Schmeerwetter ist, wie hier, dann kann sie sich einen schönen Hammel holen. Letzte Nacht hatten wir Sturm.

Sei herzlich von uns Allen gegrüßt!

Dein getr. Onkel Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 327.
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