845. An Hermann Nöldeke

[342] 845. An Hermann Nöldeke


Wiedensahl 10. Dec. 91.


Euere Briefe, lieber Hermann, haben wir dankend erhalten. – In Frankfurt wurd ich außerordentlich gut behandelt; ich bin zufrieden, daß ich den Besuch überhaupt mal wieder gemacht habe; es war mir auch merkwürdig, ein Stück der großen Welt zu beobachten; davon später mündlich.

Sehr traurig sind wir hier Friedrichs wegen. Er wird mit seinem Doctor nicht fertig; kann das Staatsexamen, welches auch für seine gewollte Carriere verlangt wird, nicht machen; hat die Flinte in's Korn geworfen; will Theologie studiren. Was ist da, wie Friedrich mal ist, zu machen? Seine Eltern haben sich einverstanden erklärt.

Unsere Wiedensahler Gesundheitsverhältniße sind noch immer nicht gut; wie ich höre, liegen noch mehrere Kinder krank; doch ist in den letzten Wochen keins mehr gestorben, so daß die Krankheit hoffentlich im Abzuge ist. Auch hier ist das Wetter ungewöhnlich mild; bin aber eigentlich gar nicht[342] hinausgekommen. Letzte Nacht und heute Morgen Sturm. Eben, vor 3 Minuten, weht der Staarenbaum um; ist doch ganz hohl; Umsturz längst erwartet.

Meinen Glückwunsch wegen der Pumpe! Daß der malerische Gaumkebaum hinter dem Kammerfenster hat fallen müßen thut mir zwar leid, wird aber wohl recht sein.

Herzliche Grüße an Sophiechen, Trudel und die übrigen Hausgenoßen, und sei selbst von Herzen gegrüßt

von deinem getr. Onkel Wilhelm.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968, S. 342-343.
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